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HERRSCHAFT/1650: SPD pur - Lieber Steigbügelhalter der CDU als Koalitionspartner der Linken (SB)



Die sozialdemokratische Variante innovativ in die Zukunft fortgeschriebener Sicherung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse war der Nährboden, dem die Linkspartei entsprang. In proklamierter Unvereinbarkeit mit entufernden sozialen Grausamkeiten nach innen und forcierter globaler Kriegführung nach außen formierte sich eine eigenständige politische Entität, die in einer klar definierten Unterscheidung von der SPD ihre prägnanteste Grenzziehung vornahm. Für die sozialdemokratische Parteiführung gilt seither als eiserne Doktrin, daß es keine Koalition mit der Linkspartei geben dürfe, da diese die neoliberale und neoimperialistische Ausrichtung der SPD zu erschüttern oder zu untergraben drohte. Verbannt in die Daueropposition, kommunistischer Umtriebe und antisemitischer Gesinnung bezichtigt, vom Verfassungsschutz ausspioniert glaubt man der Linken am sichersten Herr zu werden.

Bei der Landtagswahl im Saarland schwor der sozialdemokratische Spitzenkandidat Heiko Maas seine Partei frühzeitig auf den Kurs ein, die große Koalition mit der CDU einem Bündnis mit der Linkspartei um jeden Preis vorzuziehen. Lieber Juniorpartner der Christdemokraten und Steigbügelhalter der alten und neuen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer als eine komfortable Mehrheit mit Oskar Lafontaine und der Linkspartei lautet die Devise, die sich mit Psychologismen wie "Furcht vor Oskar", mißgönntem Triumph oder aus Versagensängsten geborener Fehleinschätzung der Kräfteverhältnisse nicht annähernd erklären läßt. Maas zieht sich eher den Schuh des Verlierers an, als sich die Finger an einem Kontakt mit der Linkspartei zu verbrennen, die ihn im sozialdemokratischen Lager als prinzipiell unsicheren Kantonisten stigmatisieren würde. Obgleich die saarländische SPD zugelegt hat, läßt sie sich daher doch von der CDU über den Tisch ziehen, da dies der Pakt des parteiübergreifenden politischen Machterhalts gebietet, der die Linkspartei grundsätzlich ausschließt.

Wie der Fraktionschef der Linken an der Saar, Oskar Lafontaine, zutreffend warnt, könne die SPD ihre Wahlversprechen wie den gesetzlichen Mindestlohn, ein echtes Tariftreuegesetz oder eine Vermögenssteuer nur gemeinsam mit seiner Partei realisieren. Statt dessen wollen CDU und SPD nach bisherigen Plänen bei Ministerien und Behörden bis 2020 rund 10 Prozent der Stellen streichen, wobei der Vorbehalt der Sozialdemokraten, sie würden sich erst nach Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern auf eine Zahl festlegen, ein allzu dürftiges Feigenblatt abgibt. Sparen wollen beide ausschließlich am Lebensstandard einer breiten Mehrheit der Bevölkerung im Saarland, wobei sich die SPD hinter der fadenscheinigen Ausrede verstecken wird, sie habe Besseres gewollt, werde aber vom Koalitionspartner daran gehindert.

Mag es im linken SPD-Flügel auch rumoren, so stößt doch seine Mahnung, eine Koalition mit der Linkspartei nicht zu dämonisieren, sondern ernsthaft vorzubereiten, bei der Parteiführung in Berlin auf taube Ohren. Nach der Wahl gelte, was vor der Wahl gesagt wurde, stellte Generalsekretärin Andrea Nahles klar, daß das kleine Saarland gewiß nicht zur koalitionspolitischen Grundsatzdebatte tauge. Sigmar Gabriel klagt über eine "Lafontaine-Romantik" an der Saar, von der letztlich immer nur die CDU profitiere. Dabei räumt man in der Berliner Parteizentrale unumwunden ein, daß die Aussicht auf eine große Koalition die SPD-Anhänger einfach nicht mobilisiere. Diese sei "für die SPD kein Wähler mobilisierendes Thema", erklärte Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann. "Die SPD hat zwar ordentlich zugelegt, aber eben nicht genug." [1]

In diese Kerbe schlägt der Parteichef der Linken, Klaus Ernst, wenn er der SPD "politischen Selbstmord" attestiert. Blieben die Sozialdemokraten dabei, könnten sie sich den Streit um die Kanzlerkandidatur ganz sparen. Ohne die Linke werde die SPD 2013 nicht den Kanzler stellen können. Auch die Grünen bekommen kalte Füße und fordern die SPD mit Blick auf das Ergebnis an der Saar auf, für die Bundestagswahl 2013 das Ziel einer rot-grünen Koalition auszugeben. "Die SPD muss jetzt für die Bundestagswahl Farbe bekennen", forderte Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck in Berlin. Lasse die SPD die Option einer großen Koalition offen, stelle sie "die Weichen auf zweitstärkste Kraft 2013". [2]

Wenn Linkspartei und Grüne in dieser Hinsicht einer Meinung sind, so nur deswegen, weil sie beide um die Sozialdemokraten buhlen, die doch unmißverständlich zu verstehen geben, mit wem sie unter keinen Umständen ins Bett gehen werden. Und da die SPD auf hundertjährige Erfahrung in der Preisgabe vordem für unverzichtbar erklärter Positionen zurückblicken kann, wird ihr auch eine weitere große Koalition keinesfalls das Genick brechen. Sollte es mit den Grünen klappen, um so besser, doch haben die Sozialdemokraten nichts zu verlieren, was die Linkspartei nicht ebenso und zudem in erheblich kürzeren Fristen fürchten muß. Sie hat im Saarland über fünf Prozent verloren, worüber auch und gerade der Lafontaine-Bonus nicht hinwegtäuschen sollte. Würden sich auch andere Landesverbände im Westen nach den verbliebenen gut 16 Prozent die Finger lecken, setzt sich doch auch an der Saar der Abwärtstrend fort.

Die Linkspartei wäre gut beraten, ihren Drang nach einer Koalition mit der SPD auf den Prüfstand zu stellen - und dies nicht nur, weil die Sozialdemokraten diese Avancen partout zurückweisen. Was wäre gewonnen, stünde man eines Tages tatsächlich Seite an Seite mit ihnen in der Regierungsverantwortung, die doch nur eine Verantwortung gegenüber den vorherrschenden Interessen in dieser Gesellschaftsordnung sein kann? Die Grünen haben vorgemacht, wohin das führt und die Geschichte der SPD gleichsam im Zeitraffer auf ihre Weise, aber mit durchaus vergleichbarem Resultat nachvollzogen. Sollte die Linkspartei nichts Besseres vorhaben, als ihr Heil in diesem sattsam bekannten Prozeß der Teilhaberschaft zu suchen, könnte ihr selbst jenes Schicksal blühen, mit dem ihr Parteivorsitzender vergeblich die SPD zu erschrecken versucht.

Fußnoten:

[1] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-03/saarland-wahl-berlin/seite-2

[2] http://www.focus.de/politik/deutschland/wahlen-2011/koalitionsgespraeche-im-saarland-linke-verbittert-ueber-absage-der-spd_aid_727866.html

26. März 2012