Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → KOMMENTAR


HERRSCHAFT/1753: Wie Donald aus der Kiste ... (SB)



Gebannt wie das Kaninchen auf die Schlange starren die Meinungsführer auf einen US-Präsidenten, wie es ihn zuvor nur in den Politdramen des Serien-TV gab, wo das Schicksal der Welt von charakterlichen Schwächen und cäsarenhaften Machtambitionen nach Art des von Peter Ustinov meisterlich verkörperten Nero abhängt. Wie eine dem Reality TV, wo Donald Trump sein selbstdarstellerisches Talent als sozialchauvinistischer Entertainer entwickelte, leibhaftig entsprungene Karikatur des US-amerikanischen Politikbetriebs bietet der passionierte, die Präsidentschaft als Erwerbszweig ganz eigener Art entdeckende Geschäftsmann jeden Tag erneut Anlaß, aus den disparaten Manövern seiner Amtsführung rationale und kohärente Schrittfolgen herauszulesen.

Darin, daß er die Öffentlichkeit am Band ihres Bestehens auf sinnhafte Politik hält, geht bereits ein Gutteil des Trumpschen Erfolgskalküls auf. Nach seinen vielen widersprüchlichen Aussagen und Manövern zwischen Wahlkampf und Amtsführung, aber auch seit Amtsantritt sollte hinlänglich klargeworden sein, daß sich in diesem US-Präsidenten das neoliberale Kernprinzip der kreativen Zerstörung übererfüllt. The Donald hätte seinen Aufstieg nicht als polternder Rabauke vollziehen können, der sich programmatisch im Ton vergreift und desto mehr an als schwach geltenden Menschen vergeht, je weniger deren Ohnmacht wirksamen Widerstand zuläßt, wenn er die Schwachpunkte des politischen Legitimations- und Repräsentationsbetriebs nicht mit jenem sicheren Instinkt erkannt hätte, den Ruinenbaumeister seines Schlages zu ihrer zweiten Natur gemacht haben. Dabei kam ihm zugute, daß auf den Auftritten seine Konkurrentin der kontrafaktische Schattenwurf bester Absichten lastete.

Trump hingegen hatte es kaum nötig, das wenig attraktive Gesicht kaum zu bremsender Geltungssucht hinter den Kulissen einer hochprofessionellen Choreographie zu verbergen. Als genuines Produkt eines gesellschaftlichen Zerfalls, in dem multiple Krisen zum dystopischen Verlust jeglicher Sinnstiftung kulminieren, bedarf er keiner Verstellung - seine Authentizität liegt gerade darin, daß niemand auf den Gedanken käme, seine machohaften Allüren und sein Brachialgepose für etwas anderes als das Ergebnis notorischer Aufmerksamkeitshascherei zu nehmen. Im Ergebnis ist nicht wichtig, wie genau der Präsident was meint, sondern daß er wie im Wahlkampf die Bereitschaft demonstriert, sich für jedes Übel auf eine Art und Weise ins Zeug zu legen, bei der keine Gefangenen gemacht werden.

Diesem Spektakel mit dem Arsenal konventioneller Geschichtssichten zu Leibe zu rücken bleibt notwendigerweise in einer Vergangenheit verhaftet, deren Horizont der gesellschaftliche Krisenprozeß längst überschritten hat. Ob autoritär, faschistisch, rassistisch, sexistisch - mit seiner präsidialen Persona straft Trump alle Behauptungen Lüge, die demokratische Verfaßtheit der liberalen Marktwirtschaft unterläge der politischen Berechenbarkeit durch das sie regulierende System der Gewaltenteilung und ihre Rückbindung an den konstitutiven Souverän.

Neu an Trumps Regierungsstil ist nicht das selbstherrliche Dekretieren aus dem Weißen Haus heraus, wurden dort doch häufig in aller Offenheit fundierte Bedenken und konstitutionelle Hürden beiseitegefegt, ohne daß die jeweiligen Amtsinhaber mit einem Impeachment zu rechnen hatten. Neu ist vielmehr die Offenheit, in der dieser Präsident im Trial and Error-Verfahren auslotet, wo sein Platz im herrschenden Block aus Staat und Kapital ist und wie er mit seiner exekutiven Macht am besten eine prominente Position in seiner Klasse erobern kann, die bis dahin auf den schillernden Außenseiter eher herabgeblickt hat.

Daß ihm dabei die Fetzen um die Ohren fliegen, wie bereits zwei Demissionen wichtiger Posten seines Kabinetts belegen, ist nicht nur Ausdruck eines Machtkampfes hinter den Kulissen der Administration. Diese Verluste demonstrieren auch die Wirkmächtigkeit seines Konzeptes, alle politischen Festlegungen solange zur Disposition ihrer schnellen Aufhebung zu stellen, bis die eigene Position konsolidiert ist. So provoziert Trump nicht nur eine Machtprobe mit der politischen Opposition und seinen Gegnern in der eigenen Partei, er unterzieht die Funktionstüchtigkeit der institutionellen Apparate selbst einem Streßtest, den zu bestehen sie über ihren vertrauten Arbeitsmodus hinaus zu unverstellter exekutiver Ermächtigung befähigt.

All das ist nicht das Ergebnis eines sinistren Plans oder ausgefeilter strategischer Überlegungen. Die Qualifikation administrativer Verfügungsgewalt in Zeiten anwachsender Instabilität und Krisenhaftigkeit ist funktionsfähigen Regierungsapparaten immanent, sonst wären sie nicht dazu in der Lage, ihrer zentralen Aufgabe, der Befriedung des sozialen Krieges, gerecht zu werden. So lange die Exekutive über den Ausnahmezustand gebietet, und das tut sie mehr als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt US-amerikanischer Geschichte, besteht ihr Modus operandi darin, die daraus erwachsende Handlungsfähigkeit im Interesse der herrschenden Klasse zu vergrößern.

Die Malaise einer ahistorischen, die Realität des latenten Bürgerkrieges und offenen Klassenkampfes ignorierenden Sicht auf das Agieren Trumps liegt in der Untauglichkeit formalrechtlicher Parameter zur Erfassung politischer Akteure, die ein ausschließlich instrumentelles Verhältnis zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen ihrer Macht haben. Von daher ist unschwer zu erkennen, daß sich auch in dieser Präsidentschaft diejenigen Interessen durchsetzen werden, die den expansiven und imperialistischen Charakter des US-amerikanischen Hegemonialanspruchs am meisten verkörpern. Trumps Versuche, ein kohärentes Regierungsprogramm zu simulieren, sind lediglich Verfügungsmasse in dem anstehenden Aushandlungsprozeß, in dem die Leitlinien US-amerikanischer Regierungspolitik auf vertraute, die maßgeblichen Produktionsverhältnisse analog repräsentierende Weise bestimmt werden.

Dabei hat der Newcomer in den etablierten Führungszirkeln Washington für genügend Aufregung gesorgt, um einzelne Politikfelder für Veränderungen zu öffnen. Doch auch diese erfolgen nicht aufgrund reaktionärer Einstellungen oder fortschrittlicher Erkenntnisse, sondern gehen wie stets mit herrschenden gesellschaftlichen Interessen konform. So kann die offene Abkehr von einer ernstzunehmenden Bewältigung des Klimawandels in dem Land mit dem weltweit höchsten Ressourcenverbrauch pro Kopf der Bevölkerung nicht weiter erstaunen. Gleiches gilt für die Deregulierung des Finanzmarktes, der an der Wall Street seinen weltweit wichtigsten Platz hat. Seine isolationistischen Avancen hat Trump schon in ersten Stellungnahmen zugunsten eines merkantilistischen Handelsregimes korrigiert, das die Interessen US-amerikanischer Akteure so selbstverständlich favorisiert, wie es die EU im aktuellen Fall gegenüber China auch tut. Wo Kapitalinvestoren und Exportindustrien prosperieren, stehen der Lohnabhängigenklasse mehr Elendsjobs ins Haus, werden die Verkäuferinnen ihrer Arbeitskraft doch auch in Trumps USA kostensenkend gegeneinander ausgespielt, wie es die Logik internationaler Krisenkonkurrenz gebietet. Die von ihm in Aussicht gestellte militärische Aufrüstung ist da nur konsequent, kann die konkrete Übervorteilung von Handelspartnern doch nur mit dem großen Knüppel durchgesetzt werden.

Mit den an die Adresse der chinesischen Führung gerichteten Provokationen liegt Trump ohnehin auf Linie der Vorgängeradministration, während seine impulsive Wertschätzung Putins nach wie vor weit davon entfernt ist, zu einem strategischen Bündnis heranzureifen. Ein solches wäre, insbesondere angesichts des Säbelrasselns gegenüber China, kaum wünschenswert, denn die Vertikale der Macht agiert im Kreml ebenso pragmatisch wie im Weißen Haus.

Mit Trump hat der sogenannte freie Westen eben diejenige Führungsperson erhalten, die die Weigerung, seine sozialen Widersprüche von unten nach oben zu ihrer Aufhebung zu treiben, auf adäquate Weise beantwortet. Trumps mitunter überraschende Positionierungen sind das Papier nicht wert, auf dem sie analysiert und kommentiert werden, wenn die Frage nach einer sozialen Gegenbewegung, die der absehbaren Ausformung eines noch autoritärer agierenden Kapitalismus in den westlichen Metropolengesellschaften Einhalt gebietet, nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit aufgeworfen wird.

16. Februar 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang