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HERRSCHAFT/1820: Parteien - Spendenansprüche ... (SB)



Man kann mit Parteien/Politikern anderer Meinung sein & streiten, eine Partei mehr mögen als andere. Alles Ok! Parteispenden "wegen anderer Schwerpunkte" aber generell zu stoppen ist (vielleicht populär) aber letztendlich verantwortungslos, Demokratie gefährdend, dumm.
Thomas Bareiß (CDU-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium)

In der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik werden Abgeordnete vom Volk gewählt, worauf sie nicht etwa der Wählerschaft, sondern nur noch ihrem Gewissen verantwortlich sind. Ihre Posten sind hoch dotiert und die Altersbezüge stattlich, was bisweilen ohne jeden Anflug von Ironie damit begründet wird, daß sie dank ansehnlicher Einkünfte resistent gegen Einflußnahme seien. Auch für die Finanzen der Parteien ist gesorgt, die aus Mitgliedsbeiträgen, Steuergeldern, Spenden und Sponsoring schöpfen dürfen. Auf diese Weise ist ein politischer Apparat garantiert, der eingebettet in die herrschende Ordnung jederzeit weiß, was er derselben schuldig ist. Das schließt nicht aus, daß der Normalbetrieb einvernehmlicher Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft dann und wann überschießt, so daß plötzlich von einer Affäre die Rede ist, in deren Folge sogar Köpfe rollen können.

Man denke nur an die allerdings schon lange zurückliegende Flick-Affäre und Helmut Kohls unbekannte Spender oder in jüngerer Zeit die FDP, die sich als "Mövenpick-Partei" beschimpfen lassen mußte. Bekanntlich hatte die schwarz-gelbe Koalition 2009 den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen reduziert, nachdem zuvor Geld von Mövenpick-Miteigner August von Finck an die Freien Demokraten, aber auch an die CSU geflossen waren. Solche unschönen Turbulenzen haben dazu beigetragen, daß die Zeiten vorbei sind, in denen das Geld von Großunternehmen üppig floß, und heute kaum noch ein Dax-Konzern regelmäßig an Parteien spendet. [1]

Eine veritable Spendenaffäre hat derzeit die AfD am Hals, der bereits erste Strafzahlungen in Höhe von insgesamt 402.900 Euro aufgebrummt wurden. Bei den als illegal eingestuften Spenden handelte es sich um Wahlkampfhilfen für Parteichef Jörg Meuthen und das Bundesvorstandsmitglied Guido Reil aus Nordrhein-Westfalen bei Landtagswahlen 2016 und 2017. Die beiden AfD-Spitzenpolitiker waren damals als Direktkandidaten von der Schweizer Agentur Goal AG mit kostenlosen Wahlwerbemaßnahmen unterstützt worden, was nun unter Anwendung des Parteiengesetzes als Parteispende gewertet wurde. Die AfD kündigte Klagen gegen die Bescheide an. Die Entscheidung der Bundestagsverwaltung dürfte ein erster Schritt in der weit größeren Spendenaffäre um Funktionäre der AfD sein. Als nächstes wird eine Entscheidung zu einer Spende der Schweizer Pharmafirma PWS über 132.000 Euro an den AfD-Wahlkreis am Bodensee von Fraktionschefin Alice Weidel für deren Bundestagswahlkampf anstehen. In diesem Fall war das Geld erst nach zehn Monaten zurückgezahlt worden. [2]

Ob diese leidige Angelegenheit, die in der Öffentlichkeit gar nicht gut ankommt, beim jüngsten Entschluß des Autokonzerns Daimler eine Rolle gespielt hat, ist nicht bekannt. In den vergangenen Jahren konnten CDU und SPD im Frühling in schöner Regelmäßigkeit je 100.000 Euro der Daimler AG auf ihrem Konto verbuchen, wobei weitere 120.000 Euro auf Grüne, FDP und CSU verteilt wurden, während Linkspartei und AfD nichts abbekamen. Damit ist vorerst Schluß, denn wie der Konzern mitteilte, werde man 2019 keiner Partei etwas spenden, sondern das Geld gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Projekten widmen. [3]

Statt dies zähneknirschend, aber stillschweigend abzuwettern, um nur ja keine schlafenden Hunde zu wecken, sahen sich zwei prominente Unionspolitiker bemüßigt, dagegen öffentlich Sturm zu laufen. Neben dem eingangs zitierten twitternden Thomas Bareiß stemmte sich auch CSU-Schatzmeister Thomas Bauer gegen den Trend, der seines Erachtens das Funktionieren des Staatswesens gefährdet. Wie er beklagt, gingen die Spenden großer Unternehmen seit Jahren zurück, und die Entscheidung der Firma Daimler, die der CSU stets einige 10.000 Euro pro Jahr überweisen habe, könnte nun weitere Unternehmen veranlassen, ihrerseits nicht mehr zu spenden. Bauer räumt zwar ein, daß Parteispender mit öffentlichem Gegenwind zu rechnen hätten, den sie aber aushalten müßten. Denn Demokratie könne ohne Parteien nicht leben, und sich um die Demokratie zu kümmern sei eine Bürgerpflicht. Ein großes Unternehmen wie Daimler sei auch eine Art Bürger. Die Demokratie zu schwächen, indem man sich aus der Verantwortung stiehlt, sei nicht in Ordnung, liest Bauer Daimler und Konsorten die Leviten.

Die erstaunliche Konstruktion, daß Parteispenden großer Konzerne die Demokratie nicht etwa schwächen, wie das vielfach geargwöhnt wird, sondern im Gegenteil stärken, verteidigt der Schatzmeister mit der treuherzigen Versicherung, solche Spenden hätten mit Lobbyarbeit überhaupt nichts zu tun. Mit der Spende erfülle man seine Pflicht, ohne daß damit irgendwelche Forderungen verbunden wären. Da müsse man sehr vorsichtig sein, da Parteispenden nie mit irgendwelchen Versprechungen oder Gegenleistungen zu tun haben dürften. "Wir schreiben Briefe, bitten um Spenden. Es gibt schon mal ein gemeinsames Essen, man trifft sich zum Gespräch. Das ist aber alles ganz normal und wird mit der nötigen Distanz erledigt." Umso mehr enttäusche es ihn, daß Daimler nun keinen Beitrag zu einem geordneten Staatswesen mehr leiste.

Da sich Parteien selbst finanzieren müssen, benötigen sie entsprechende Gelder, wofür die Mitgliedsbeiträge nicht ausreichten. Eine Partei, die ausschließlich aus staatlichen Geldern finanziert würde, wäre eine Staatspartei im sozialistischen Sinn und verlöre ihre Unabhängigkeit. Deshalb seien Spenden von Bürgern und Unternehmen unverzichtbar, schlußfolgert Bauer. Nichts läge dem CSU-Schatzmeister ferner, als auch bei Großspendern die parteipolitische Unabhängigkeit gefährdet zu sehen, und so wirft er die Frage nach deren Motiven gar nicht erst auf. [4]

Im übrigen haben sich vor allem die Koalitionsparteien wiederholt findig gezeigt, zusätzliches Geld aus dem Steueraufkommen zu besorgen. Union und SPD setzten im Juni 2018 höhere Zuschüsse an die Parteien durch, die nun insgesamt 190 statt 165 Millionen Euro jährlich bekommen. Üblich ist eigentlich nur ein Inflationsausgleich, und die Oppositionsfraktionen klagen vor dem Verfassungsgericht gegen das Gesetz. Die Linkspartei fordert mittlerweile, Spenden von Unternehmen ganz zu verbieten und von Privatpersonen auf 25.000 Euro im Jahr zu begrenzen, auch um dem Eindruck der Einflußnahme finanzstarker Firmen und der Käuflichkeit von Politik entgegenzuwirken. Wie nicht anders zu erwarten, profitiert sie selbst von allen im Bundestag vertretenen Parteien am wenigsten von solchen Spenden.

Im Jahr der Bundestagswahl 2017 erhielt die CDU Spenden über 35 Millionen Euro, davon mehr als ein Drittel von Firmen oder Verbänden. Das Spendenaufkommen machte insgesamt 22 Prozent der Einnahmen aus. Ähnlich die CSU, die bei etwa 10 Millionen Euro aus Zuwendungen einen Spendenanteil von knapp 23 Prozent hatte. Bei der SPD lag der Spendenanteil niedriger, sie erhielt 14 Millionen Euro (9 Prozent). Besonders hart träfe ein Spendenboykott die FDP: Sie erhielt mehr als 15 Millionen Euro durch Spenden, was rund 39 Prozent ihrer Einnahmen entsprach. Auch für die AfD machten die erhaltenen 6,7 Millionen Euro einen Spendenanteil am Etat von fast 37 Prozent aus. Die Grünen erhielten rund sechs Millionen Euro aus Spenden, was rund 13 Prozent Anteil bedeutete, die Linke blieb unter drei Millionen Euro (8,5 Prozent).

Beträge von über 50.000 Euro für die großen Parteien spenden traditionell die Verbände der Metall- und Elektroindustrie aus Bayern und Baden-Württemberg. Nicht immer kommt das Geld von Firmen als eine große Spende, und so unterstützt beispielsweise BMW diverse Parteien mit beträchtlichen Summen, taucht aber bei den gesetzlich vorgeschriebenen Einzelnachweisen von Spenden, die höher als 50.000 Euro liegen, nicht auf. BMW fördert inzwischen vor allem Themenveranstaltungen zu Mobilität, Digitalisierung, Familie oder anderen Bereichen mit Shuttle-Diensten oder kleineren Geldzuwendungen, wovon sich der Konzern eine größere Wirkung verspricht. Auch andere Dax-Unternehmen wie etwa die Deutsche Telekom, SAP, Thyssenkrupp oder der Konsumgüterkonzern Henkel spenden nicht direkt an Parteien, sondern mieten Standflächen bei Parteitagen oder Sommerfesten der großen Parteien.

Parteispenden sind ohnehin nur eine von mehreren Komponenten der Einflußnahme, zumal die einflußreichsten Lobbyakteure eng mit der Politik vernetzt sind. Viele Konzerne wie VW (2008) oder BMW (2014) sind auf Parteisponsoring umgestiegen, das ihnen mehrere Vorteile bietet. Sponsoring läßt sich im Gegensatz zur Spende steuerlich absetzen und bringt Sichtbarkeit auf den Veranstaltungen, wodurch sich neue Kontaktmöglichkeiten ergeben können. Den Parteien gefällt diese Variante insofern, als auf ihren kostspieligen Bundesparteitagen die Einnahmen für Stände von Unternehmen die Unkosten abfedern. Auch hier fordert die Linke seit langem, daß Parteiensponsoring wie Unternehmensstände auf Parteitagen untersagt wird.

Dennoch können und wollen die Schatzmeister nicht auf Parteispenden verzichten, zumal die Höhe der staatlichen Zuwendungen mit dem Wahlergebnis schwankt. Auf die eigentümliche Zurückhaltung der meisten Parteien in der AfD-Spendenaffäre angesprochen, faßt Thomas Bauer das derzeit herrschende Unbehagen in folgende zwiespältigen Worte: Die Parteien seien in dieser Sache ein wenig verzweifelt. "Wir wissen alle nicht, wie wir Öffentlichkeitsarbeit für etwas machen sollen, das ganz dringend benötigt wird, das aber einen miserablen Ruf hat. Natürlich hilft uns eine Spendenaffäre nicht. Egal, wer sie hat. Aber die Spendenaffäre der AfD schadet in erster Linie der AfD. Und es ist gut, dass es ihr schadet. Diese Spendenaffäre ist unerträglich!"


Fußnoten:

[1] www.tagesspiegel.de/politik/zwischen-spenden-und-staatsgeld-daimler-gibt-nichts-mehr-was-heisst-das-fuer-die-parteien/24246098.html

[2] www.sueddeutsche.de/politik/afd-spendenaffaere-meuthen-strafe-1.4412828

[3] www.sueddeutsche.de/politik/daimler-parteispenden-cdu-spd-fdp-gruene-afd-1.4418791

[4] www.welt.de/politik/deutschland/article192356871/Parteispenden-Stopp-CSU-wirft-Daimler-Schwaechung-der-Demokratie-vor.html

24. April 2019


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