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HERRSCHAFT/1870: Vereinsprofite - eine Frage der Auslegung ... (SB)



Interessant ist, dass nach Paragraph 52 AO zwar die Förderung von Tradition, Brauchtum, Kleingärtnerei und Hundesport, von Heimatpflege und Heimatkunde oder der Soldaten- und Reservistenbetreuung explizit als gemeinnützig anerkannt wird, nicht aber die Förderung von Menschen- und Bürgerrechten, von Frieden und Antifaschismus oder des Klimaschutzes.
Rolf Gössner über den Entzug des Status der Gemeinnützigkeit für Vereine [1]

Wie gemeinnützig ist es, sich für eine sozial gerechtere Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik einzusetzen oder gegen Klimakrise und Faschismus mobil zu machen? Laut den für diese Frage bei eingetragenen Vereinen zuständigen Finanzämtern jedenfalls haben die Organisationen Attac, VVN-BdA und DemoZ kein Recht, das Steuerprivileg der Gemeinnützigkeit in Anspruch zu nehmen, weil sie eben dies tun. Im Fall von Attac wurde das Engagement der Organisation für die "Förderung des demokratischen Staatswesens", laut Paragraph 52 der Abgabenordnung (AO) [2] ein gemeinnütziger Zweck, vom obersten Steuergericht, dem Bundesfinanzhof, nicht anerkannt, weil diese Bildungsbewegung die Absicht habe, "die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen" [3].

Offensichtlich tut dies eine Institution wie die Bertelsmann-Stiftung, Hauptaktionär des Bertelsmann-Konzerns, nicht. Ihr öffentlicher Einfluß ist immens und die von ihr angebotene Politikberatung zeitigt konkrete Auswirkungen auf weite Teile des öffentlichen Lebens, doch von "eigenen Auffassungen" des Stiftungsgründers Reinhard Mohn soll in ihrer Arbeit nichts zu bemerken sein. Da die Steuerbefreiung für gemeinnützige Stiftungen nicht dem Zweck privatwirtschaftlicher Aneignung, sondern der Förderung der Allgemeinheit dienlicher Ziele gewidmet ist, scheint diese mit Einnahmen und Rücklagen im dreistelligen Millionenbereich ausgestattete Institution beim Propagieren einer unternehmerischen Organisation von Staat und Gesellschaft [4] wohl so etwas wie ein übergeordnetes, mit der Ratio kapitalistischer Marktwirtschaft nicht nur konform gehendes, sondern sie geradezu verkörperndes Gemeinwohl im Sinn haben.

Ganz ähnlich scheint heute das Modell der Fußballvereine zu funktionieren. Zumindest die größeren Klubs haben längst das hausbackene Image gutbürgerlicher Treffpunkte zur gemeinschaftlichen Freizeitaktivität hinter sich gelassen und sind zu enorm profitablen Agenturen der Unterhaltungsindustrie herangewachsen. So verfolgt der Fußball-Club Bayern München e.V. als Mehrheitsaktionär der FC Bayern München AG ausschließlich gemeinnützige Zwecke wie die Förderung des Sportes. Um bei der zunehmenden Kommerzialisierung des Fußballs nicht mit dem Vereinsrecht zu kollidieren, hat die Deutsche Fußball Liga 1998 beschlossen, daß auch Kapitalgesellschaften an der Bundesliga teilnehmen dürfen. Seitdem können die Abteilungen für professionellen Fußball in eine separate Kapitalgesellschaft ausgegliedert werden, die dann unter üblichen Rechtsformen wie GmbH oder AG uneingeschränkt den geschäftlichen Zielen ihrer Gesellschafter oder Anteilseigner nachgehen kann.

So machen sich die hochbezahlten Kicker eines der erfolgreichsten und wertvollsten Fußballvereine der Welt um den allgemeinen Nutzen verdient, indem sie dabei helfen, das Kapital etwa von Großunternehmen der Versicherungswirtschaft und Autoindustrie, die Anteile am FC Bayern München halten, gewinnträchtig zu mehren. Manches Golden Goal ist dann nicht nur ein sportliches Highlight, sondern treibt auch die Unternehmensbilanzen in güldene Höhen.

Was im Sinne des staatsmonopolistischen Kapitalismus ein höchst verdienstvoller und anerkennenswerter Vereinszweck sein mag, könnte von Menschen, die an diesem Geldsegen nicht teilhaben, auch ganz anders gesehen werden. Wenn diese nun einen gemeinnützigen Verein mit dem Ziel gründeten, das demokratische Staatswesen sozial gerechter zu gestalten, indem zum Beispiel die Profite aus den milliardenschweren Übertragungsrechten des Fußballsportes vergesellschaftet und für die Linderung sozialer Härtefälle eingesetzt werden - was zudem der als gemeinnützig ausgewiesenen "Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zugunsten gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke" entspräche -, dann wären sie damit möglicherweise immer noch nicht auf der sicheren Seite. Auch in einem solchen Fall könnte geltend gemacht werden, daß "Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen", nicht der "allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens" [5] oder anderer ethisch hochwertiger Zwecke allgemeinen Nutzens dienten.

Das jedenfalls kann bei der Bertelsmann-Stiftung oder dem FC Bayern München, um nur zwei Beispiele jener zahlreichen Stiftungen und Vereine zu nennen, die seit langem als gemeinnützig anerkannt und zugleich eng mit privatwirtschaftlichen Interessen liiert sind, nicht der Fall sein. Man darf gespannt sein, ob sich durch die angekündigte Überarbeitung des Gemeinnützigkeitsrechtes daran etwas ändert.


Fußnoten:

[1] https://www.jungewelt.de/beilage/art/370010

[2] https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__52.html

[3] https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=ah&Datum=Aktuell&nr=39534&linked=urt

[4] https://www.tagesspiegel.de/zeitung/macht-ohne-mandat/755580.html

[5] a.a.O.

3. März 2020


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