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PROPAGANDA/1389: Eskalation in Griechenland ... Verlierer werden doppelt zur Kasse gebeten (SB)



Öl ins Feuer gießen, und dann dabei zuschauen, wie die davon Betroffenen sich selbst delegitimieren. So kann man die Rezeptur des Krisenmanagements umschreiben, mit dem EU und IWF Griechenland nicht etwa helfen, sondern der Unbarmherzigkeit kapitalistischer Verwertung noch ungeschützter als bisher aussetzen. Die drei Toten, die bei dem Angriff mit Molotow-Cocktails auf eine Bankfiliale in Athen bislang zu verzeichnen sind, haben die Werfer der Brandsätze zu verantworten. Um wen es sich bei diesen handelt, wäre vor jeder schnellen Bezichtigung zu klären. Zweifellos jedoch werden nicht nur die Zeigefinger, sondern auch die Waffen der Aufstandsbekämpfung freigegeben. An der Eskalation haben auch diejenigen Interesse, die nicht erkennen lassen wollen, daß die Kämpfe in Athen Resultat einer sozialen Zuspitzung sind, die an anderer, kaum wahrgenommener Stelle Mangel, Zerstörung und Tod zeitigt. Einer politischen Radikalisierung die Schuld zu geben, für die es angeblich nur ideologische Beweggründe gibt, mag das probate Mittel der am Krisenmanagement beteiligten Regierungen sein. Die krasse Ungerechtigkeit von Maßnahmen, mit denen eine ganze Bevölkerung zur Geisel einer kleinen Klasse von Gewinnern wird, bleibt unsichtbar.

So haben die tiefen Einschnitte in die Lebensverhältnisse der griechischen Bevölkerung nicht nur einen Konsumverzicht zur Folge, der entbehrliche Luxusartikel betrifft. Geringere Haushaltseinkommen bei hohen Verbrauchsteuern führen zu Einschnitten bei der Qualität der Ernährung, die sich negativ auf die Gesundheit der Betroffenen auswirken. Der Zwang zur Annahme jedes nur erdenklichen Jobs bringt Arbeitsumstände mit sich, die sich zerstörerisch auf die körperliche und seelische Verfassung der Erwerbstätigen auswirken. Lebensverlängernde medizinische Leistungen und Medikamente werden für zahlreiche Menschen unerschwinglich, Abstriche bei den Wohnverhältnissen schränken die Lebensqualität ebenso ein wie nicht mehr bezahlbare Reisen, Sportartikel und kulturelle Angebote.

Der 24stündige Generalstreik und die massenhafte Beteiligung der Athener Bevölkerung an der Demonstration gegen das Spardiktat der Gläubigerstaaten und -institutionen zeigen, daß viele Griechen nicht bereit sind, sich kampflos einer Entwicklung zu fügen, die ihnen auf lange Sicht nichts als Verluste beschert. Entschärft werden könnte die Situation durch die Erklärung der Gläubiger, den griechischen Staat zu refinanzieren, ohne diejenigen Teile der Bevölkerung dafür haftbar zu machen, die in keiner Weise für den hohen Schuldenstand verantwortlich sind. Dazu wird es nicht kommen, soll doch gerade an diesem Beispiel ein Exempel des Prinzips statuiert werden, laut dem der Verlierer im marktwirtschaftlichen Wettbewerb doppelt zu strafen ist. Der angeblich naturwüchsigen Nachteile seiner materiellen Bemittelung gesellt sich eine Verschärfung des Mangels hinzu, die ihn noch unfähiger macht, jemals im Rattenrennen mitzuhalten. Schwäche muß bestraft werden, denn sie mindert die Leistungsfähigkeit des kapitalistischen Systems, lautet die unerbittliche Logik einer Gesellschaftsordnung, die um Gewinn und Verlust kreist, als habe sich der Mensch nie über das Stadium räuberischer Überlebenssicherung hinausentwickelt.

5. Mai 2010