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PROPAGANDA/1405: "Reporter ohne Grenzen" verschärft Ausgrenzung des Iran (SB)



Der von der Organisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) gegen ARD und ZDF erhobene Vorwurf einer unzulässigen Zusammenarbeit mit dem Staatsrundfunk der Islamischen Republik Iran spricht nicht gerade dafür, daß die Vertreter dieser für Pressefreiheit in aller Welt eintretenden NGO ihren eigenen Namen ernst nehmen. Der Initiator dieses Treffens Ulrich Pick, ARD-Korrespondent in Istanbul, beruft sich auf das Interesse des SWR, ein Hörfunkstudio in Teheran zu eröffnen. Das Zusammenkommen des Chefs des iranischen Rundfunks, Ezzatollah Zarghami, mit dem ARD-Vorsitzenden Peter Boudgoust und dem ZDF-Intendanten Markus Schächter sei ein "probates Mittel", um dies zu erreichen. Es sei wichtig, "daß wir in Iran zugegen sind und versuchen, so gut es geht eine unabhängige Berichterstattung zu tätigen", so Pick in der Deutschlandfunksendung Markt und Medien (17.07.2010).

ROG-Geschäftsführer Christian Rickerts hingegen kritisierte an gleicher Stelle, daß dieser Kontakt zu Lasten der Opfer staatlicher Repression im Iran ginge. Die "massive Unterdrückung von Medien und Zensur" seien "tragender Bestandteil des Regimes von Präsident Mahmud Ahmedinejad im Iran". Das Treffen sende das falsche Signal aus, weil eine Ausweitung der Medienkooperation zwischen Iran und Deutschland der Bevölkerung nicht zu erklären sei. Die von ROG wahrgenommene Aufgabe, jede Einschränkung der Pressefreiheit und jede Medienzensur zu kritisieren, verwandelt sich an dieser Stelle in eine politische Intervention zugunsten westlicher Regierungen, die ihrerseits keine Vorbilder für die unbedingte Freiheit des Wortes sind. Zweifellos ist eine uneingeschränkte Berichterstattung aus dem Iran ein Ding der Unmöglichkeit, doch dies gilt nicht nur für die schiitische Theokratie. Die liberalen Demokratien des Westens nutzen andere Methoden zur Formierung der öffentlichen Meinung als die der offenen Zensur. Die Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher wie privater Medien können es sich nur sehr bedingt leisten, Ausbeutung und Unterdrückung in ihren Gesellschaften zu kritisieren. Den davon betroffenen Menschen wird in den Mehrheitsmedien und der Konzernpresse keinesfalls auf repräsentative Weise Gehör verschafft.

Wenn sich prominente Journalisten in Deutschland die Klinke zwischen Senderzentrale und Bundeskanzleramt in die Hand geben, indem sie vom Job im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf das Amt des Regierungssprechers wechseln und wieder zurück, dann ist es kein Wunder, daß die Opfer ökonomischer Ausbeutung und imperialistischer Kriege in ARD und ZDF kaum berücksichtigt sind. Wenn das Triumvirat Friede Springer, Liz Mohn und Angela Merkel über Medienstrategien debattiert, werden sicherlich keine sozialkämpferischen Absichten artikuliert. Wenn kapitalkräftige Verlagskonzerne sich die großen Zeitungen Osteuropas unter den Nagel reißen, werden deren Redaktionen den Teufel tun, über die neoliberalen Strategien ihrer Eigentümer zu berichten. Wer als Journalist eine Familie zu ernähren hat, braucht nicht eigens darüber aufgeklärt zu werden, was man in seinen Artikeln nicht lesen möchte.

So ist weder von der einen noch der anderen Seite her zu erwarten, daß ARD und ZDF eine "unabhängige" Berichterstattung aus dem Iran praktizieren können und werden. Das wäre allemal Anlaß zur Kritik, wie auch die Wiedergabe der im Atomstreit gegen den Iran gerichteten Vorwürfe ohne gleichberechtigte Darstellung der validen Gründe, die deren Stichhaltigkeit in Zweifel ziehen, nicht so wirkt, als ob die deutschen Funkhäuser durch Kontakte mit dem iranischen Staatsrundfunk zu Sprachrohren des "Mullah-Regimes" werden. Ist es Feindpropaganda, wenn im Deutschlandradio Kultur berichtet wird, daß Ahmedinejad von der religiösen Führung zurechtgewiesen wurde, sich nicht in deren Angelegenheiten zu mischen, als er die Übergriffe der Polizei auf Frauen kritisierte, die den Tschador nicht im Sinne der Religionswächter angezogen hatten?

Die Sachlage im Iran sowie im Atomstreit, bei dem es sehr viel mehr um geostragische Fragen geht, als daß sich der Iran des Verstosses gegen internationale Regularien schuldig gemacht hätte, ist etwas komplizierter, als daß man ihr mit der von einigen westlichen Regierungen und Medien propagierten Gut-Böse-Dichotomie gerecht würde. Wenn die notwendige und wichtige Kritik an der im Iran geübten Unterdrückung zur weiteren Isolation des Landes führt, dann wird damit jenen Kräften in die Hand gearbeitet, die einen Regimewechsel in Teheran anstreben und dies, wenn nicht anders möglich, auch durch Sanktionen, die letztlich stets die Bevölkerung treffen, und mit kriegerischer Aggression erreichen wollen. Wenn die iranische Opposition so sozialrevolutionär wäre wie die radikale Linke in der EU, dann könnte sie sich von westlichen Regierungen und Medien ohnehin keine Unterstützung erhoffen, die nicht gegen ihre Ziele gerichtet wäre. Kurz gesagt, die Zusammenarbeit zwischen deutschem und iranischem Rundfunk reflektiert ebenso staatskonforme Interessen, wie es ihre Verhinderung tut.

Von daher ist jede Kooperation, die die Möglichkeit einer kriegerischen Eskalation minderte, der Vertiefung der Feindseligkeit durch die zugespitzte Isolation des Irans vorzuziehen. Vor dem Hintergrund der von den USA, der EU und Israel gegen das Land gerichteten Feindseligkeiten jeglichen Kontakt mit staatskonformen iranischen Medien zu verhindern heißt, die Pressefreiheit zum Deckmäntelchen machtpolitischer Absichten verkommen zu lassen. Die Boykottierung und Isolation iranischer Regierungseinrichtungen kann nicht im Sinne der Bevölkerung des Landes sein, die unter jeder Verschärfung der Lage am meisten zu leiden hat.

18. Juli 2010