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RAUB/0927: EU will Hilfe für Klimaschutz von Entwicklungshilfe abziehen (SB)



In den letzten Tagen bemühen sich die Regierungen wieder eifrig darum, zweckreichen Optimismus zu verbreiten, und stellen in Aussicht, daß die Klimaschutzverhandlungen in Kopenhagen nun doch nicht "scheitern" werden. Die USA und China haben konkrete Reduktionsziele für die Emission von Treibhausgasen genannt - da hellt sich selbst das eine Zeitlang umwölkte Gesicht von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wieder auf.

Ob die Vertreter derjenigen Länder, die am wenigsten zur Erderwärmung beitragen, jedoch am schwersten unter seinen Folgen (Dürre, Überschwemmungen, etc.) zu leiden und am wenigsten Mittel haben, damit zurechtzukommen, von der aufgesetzt wirkenden Gute-Wetter-Stimmung beeindruckt werden? Wohl kaum. Die nicht-industrialisierten Länder Afrikas haben sich zusammengeschlossen und scheinen entschlossen, sich nicht erneut bei einer Weltkonferenz ausbooten zu lassen. Allerdings sind ihnen die Hände gebunden, denn sie haben kaum die politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und militärischen Mittel, ihr Anliegen gegenüber den Industriestaaten und sogenannten Schwellenländern durchzusetzen.

Mit welchen Tricks die führenden Wirtschaftsmächte ihre Interessen durchsetzen wollen, brachte die britische Zeitung "The Guardian" in ihrer Sonntagsausgabe ans Licht. Demnach konnte die Zeitung Einblick in den Entwurf nehmen, mit dem die internationale Staatengemeinschaft bei den Klimaverhandlungen antritt. Ursprünglich stand dort, daß die Hilfe, welche die ärmeren Länder für Klimaschutzmaßnahmen erhalten sollen, zusätzlich zur bestehenden Entwicklungshilfe geleistet wird. Die Passage wurde jedoch von der EU durchgestrichen und mit den Anmerkungen versehen, daß "in Ergänzung zu" und "getrennt von" der Entwicklungshilfe inakzeptabel sind.

Deutschland, Frankreich und die meisten kleineren EU-Staaten zählen zu denen, die hier mauern. Aber im gleichen Atemzug, da sich Großbritannien als guter Klimaschutzonkel der Armen aufspielt, muß sich die Regierung vorwerfen lassen, daß entgegen der Erklärung von Premierminister Gordon Brown fast der gesamte Betrag der Klimawandelhilfe aus bestehenden Töpfen der Entwicklungshilfe genommen wurde.

Angesichts dessen, daß die meisten Industriestaaten bislang nicht einmal ihre frühere Zusage, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben, eingehalten haben, kann der Versuch, das wenige nun auch noch als großartigen Kapitaltransfer von den reichen in die armen Länder zu preisen, nur als entschiedenes Bekenntnis zur fortgesetzten Umlastung der negativen Folgen der westlichen Hochkonsumgesellschaft auf die ärmeren Länder gedeutet werden.

Dazu paßt es wie die Faust aufs Auge, daß ausgerechnet der Brite Nick Griffin als Vertreter des Europäischen Parlaments nach Kopenhagen reist. Man muß Griffin nicht kennen, bislang jedenfalls nicht, aber es kann nicht schaden zu wissen, daß die EU durch einen rechtsextremen Politiker vertreten wird, der behauptet, daß gar kein Klimawandel stattfindet und daß "anti-westliche intellektuelle Sonderlinge von den Linken" den Klimawandel als "neue Theologie" angenommen haben, nachdem sie einen "kollektiven Zusammenbruch" erlitten, als der Kommunismus kollabierte (The Guardian, 29.11.2009).

Na, das sind ja tolle Aussichten! Während die Europäische Union den Vertragstext ändert, um sich die Kosten von Klimaschutzhilfe für die ärmeren Länder zu sparen, schickt sie den Vorsitzenden der rechtsextremen British National Party (BNP), der den Klimawandel leugnet (und übrigens vorschlug, Flüchtlingsboote aus Afrika zu versenken, da Europa von der dritten Welt überschwemmt werde), in die Verhandlungen.

30. November 2009