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RAUB/1056: Wachstumsfaktor Immobilienkrise - Geräumte Häuser als Anlageobjekt (SB)




Für einige wenige geht es aufwärts, weil Millionen Menschen so tief gestürzt sind, daß sie kaum Aussicht darauf haben, jemals wieder auf die Beine zu kommen. Die Private-Equity-Gesellschaft Blackstone Group, schon jetzt der größte Immobilieninvestor der USA, hat 16.000 leerstehende Einfamilienhäuser für 2,5 Milliarden Dollar innerhalb eines Jahres erstanden. Laut dem Wirtschaftsinformationsdienst Bloomberg investiert Blackstone damit in einen Markt, der bislang von eher kleinen Investoren und Hausbesitzern dominiert war, sich künftig aber in eine Anlagesphäre für institutionelle Investoren verwandeln könnte, dessen Wert der Bank JPMorgan Chase zufolge 1,5 Billiarden Dollar betragen und 12 Millionen Wohnhäuser umfassen könnte. Das Immobilienkapital, das nach der Implosion der von ihm selbst aufgepumpten Blase auf dem Häusermarkt mit öffentlichen Mitteln gerettet wurde, will diese nun dafür verwenden, die bereits einmal gemolkenen Steuerzahler ein weiteres Mal zur Kasse zu bitten, indem es ihnen die Häuser vermietet, aus denen zumindest einige der zukünftigen Mieter zuvor im Namen der privatwirtschaftlichen Eigentumsordnung vertrieben wurden.

So geht die Zahl der leerstehenden Häuser seit 2008, als 19 Millionen vornehmlich zum Wohnen vorgesehene Gebäude in den USA aufgrund der Subprime-Hypotheken-Krise nicht genutzt wurden, seit einiger Zeit auch deshalb zurück, weil finanzstarke Investoren bei der Versteigerung geräumter Häuser zugreifen, um ein gutes Geschäft zu machen. Währenddessen hat die massive Vertreibung der fünf Millionen Familien und Einzelpersonen, die ihre Häuser räumen mußten, tiefe Spuren in der sozialen Landschaft der US-Gesellschaft hinterlassen. Unter den offiziell bis zu 3,5 Millionen Obdachlosen des Landes befinden sich zahlreiche Menschen, die Opfer der Immobilienkrise wurden. Obwohl es in den meisten Fällen Vollbeschäftigte waren, konnten sie ihre Hypotheken häufig nicht mehr bedienen, handelte es sich bei den Subprime-Krediten doch um Schulden mit je nach Marktlage variablen Zinsen. Zwischen dem Höhepunkt der Immobilienblase Mitte 2006 und November 2010 verfiel der Wert ihrer Häuser um durchschnittlich 26 Prozent, während die Hypothekenzinsen massiv anstiegen. Der florierende Handel mit Schuldverschreibungen und andere Formen der Immobilienspekulation befeuerten den Zusammenbruch ebenso wie die rückläufigen, mit den Wertsteigerungen auf dem Häusermarkt nicht Schritt haltenden Lohneinkommen.

Das erklärte Ziel der Bush-Regierung, die USA in eine "Ownership Society" zu verwandeln, heizte die Kapitalisierung auch geringer Einkommen insbesondere beim Hauserwerb an. Die dafür erforderlichen Kredite wurden so leicht verfügbar gemacht, daß schon ein geringer Anstieg der Verzinsung zu massenhaften Ausfällen führte. Der Vorwurf an die Adresse der Kreditnehmer, als unzuverlässige Schuldner maßgeblich für die Finanz- und Wirtschaftskrise verantwortlich zu sein, setzte ihrer Ausplünderung durch eine Finanzwirtschaft, der die Vergabe mit hohem Ausfallrisiko behafteter Kredite Grundlage für darauf aufbauende Geschäfte mit sogenannten Finanzprodukten aller Art war, die Krone eines bourgeoisen Sozialrassismus auf. In den Zeltstädten der Obdachlosen, auf den Parkplätzen, auf denen moderne Wanderarbeiter in ihren Autos wohnen, und in den langen Schlangen vor den Suppenküchen wird das Elend eines Kapitalismus manifest, der aus der Krise die Lehre gezogen hat, noch gnadenloser mit Menschen zu verfahren, die alles verloren haben. Noch heute sind rund 11 Millionen in den USA lebende Menschen davon betroffen, mit der Abzahlung der für ihr Eigenheim aufgenommenen Kredite im Rückstand zu sein, so daß sie ständig unter Kuratel der Banken stehen und an allem sparen müssen, was sie für das tägliche Leben benötigen.

Die vollzogenen Räumungen kamen in Zehntausenden von Fällen auf illegale Weise zustande. Häufig konnten die Gläubiger ihre Ansprüche nicht ordnungsgemäß dokumentieren, oder sie brachten angeblich unabhängige Gutachter dazu, zu ihren Gunsten zu entscheiden, auch wenn die Sachlage dies nicht hergab. Anstatt gegen die Kreditgeber zu ermitteln und sie strafrechtlich zu belangen, hat die US-Regierung mit diversen Großbanken einen Vergleich zwischen ihnen und den Geschädigten getroffen. Nun sollen rund 750.000 von Räumung betroffene Hauseigentümer, die gegen ihre Vertreibung Rechtsmittel einlegten, eine einmalige Zahlung von 1500 bis 2000 Dollar erhalten, womit ihre Rechtsansprüche abgegolten sind.

Die Obama-Regierung hatte sich bereits 2010, als der Skandal ruchbar wurde, gegen einen generellen Stopp der Räumungen ausgesprochen, um negativen Auswirkungen auf den Immobilienmarkt vorzubeugen [2]. Es geht, wie schon bei der Refinanzierung der durch ungedeckte Kredite und Schuldverschreibungen in die Krise geratenen Wohnungswirtschaft und Finanzindustrie mit Hunderten von Milliarden an Steuergeldern, einmal mehr darum, die Kapitalakkumulation zu Lasten derjenigen zu retten, deren Existenz durch Obdachlosigkeit und Hunger, durch ungenügende medizinische Versorgung und Bildungsmöglichkeiten bedroht ist. Der neuerliche Anstieg der Immobilienpreise hat laut Bloomberg bei Blackstone eine regelrechte Aufholjagd ausgelöst, um diese Wertsteigerung durch schnellen Ankauf in der Subprime-Krise geräumter oder niemals vermieteter Häuser in die eigenen Taschen zu lenken. So liegen mehr als die Hälfte der zur Vermietung vorgesehenen Häuser auf Halde, weil sie nicht so schnell renoviert und neuvermietet werden können.

Trotz des wachsenden Angebots steigen die Kurse der an der Börse notierten Immobilienfirmen. Blackstone soll von einem Bankenkonsortium, das von der Deutschen Bank geführt wird, insgesamt 1,2 Milliarden Dollar Kredit erhalten [1]. Das nach Anlage suchende Kapital kehrt auf das Investitionsfeld zurück, auf dem sich die Finanz- und Wirtschaftskrise vor sechs Jahren entzündete, tritt allerdings nun von vornherein als Hauseigentümer großen Stils auf. Wenn eine Beteiligungsgesellschaft wie Blackstone, die mit knapp 1600 Angestellten 2010 einen Bilanzgewinn von mehr 1400 Milliarden Dollar auswies und die Wohnungen bislang als schnell umzuschlagende Kapitalanlage betrachtete, sich darauf verlegt, einen großen Bestand an Miethäusern zu erwerben und womöglich langfristig als Vermieter aufzutreten, dann sucht sie den sicheren Hafen des aus der unabdinglichen Notwendigkeit, ein Dach über dem Kopf zu haben, geschöpften Renteneinkommens. Dies entspricht der allgemeinen Tendenz des Finanzkapitals, verstärkt in Ressourcen wie Wasser, Nahrung, Energie und andere Rohstoffe zu investieren, auf die niemand verzichten kann. Mangelgestützte Wertschöpfung ist eine sichere Bank, solange die herrschende Eigentumsordnung nicht in Frage gestellt wird. Die Entwicklung läßt ahnen, daß künftige Verteilungskämpfe noch direkter und brutaler gegen die Lebensinteressen aller Menschen geführt werden, deren Versorgung mit essentiellen Lebensmitteln schon bei geringfügigen Einbrüchen ihrer Lohneinkommen akut in Frage gestellt ist.

Fußnoten:

[1] http://www.bloomberg.com/news/2013-01-09/blackstone-steps-up-home-buying-as-prices-jump-mortgages.html

[2] The foreclosure fraud settlement: An amnesty for Wall Street criminals http://www.wsws.org/en/articles/2012/02/pers-f13.html

13. Februar 2013