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REPRESSION/1349: Dick Cheney verteidigt CIA-Folter jedweder Art (SB)



Dick Cheney ist kein Kriegsverbrecher. Da es keine Macht gibt, die über die USA zu Gericht sitzen und ihr Urteil vollstrecken könnte, braucht der ehemalige Vizepräsident nicht zu fürchten, einer Siegerjustiz unterworfen zu werden. Er kämpft zwar nicht auf dem Schlachtfeld oder in den Folterkellern, jedoch um so unnachgiebiger an der politischen Front dafür, daß die Angriffskriege und Repressionsarsenale der bedeutendsten Nation der Welt ihre volle Wirkung entfalten können, um Frieden, Freiheit, Demokratie und Wohlstand über die Menschheit zu bringen.

Bei diesem Hauen und Stechen läßt er sich nicht von einer Nachfolgeadministration in die Suppe spucken, die ihr politisches Profil in erheblichen Teilen aus der simulierten Abgrenzung von den Vorgängern erwirtschaftet. Wenn Obama schon vor aller Welt den guten Amerikaner heraushängen lassen muß, so hört der Spaß für Cheney definitiv da auf, wo man ihm auf die Füße zu treten und seine Lebensleistung in den Dreck zu ziehen beginnt. Er hat in der Bush-Ära wie kein anderer dafür gesorgt, daß die Sicherheit der USA und ihrer Bürger untrennbar mit dem Recht assoziiert ist, jedes beliebige Land präventiv anzugreifen und jedes als Feind eingestufte Wesen nach eigenem Ermessen einzusperren, zu foltern und zu töten. Das haben die Amerikaner im Land der Freien und Tapferen zwar angefangen mit den Indianern im Zuge ihrer Expansion schon seit jeher getan, doch nie zuvor in derart wirkmächtiger und legalisierter Form wie heute.

Weit davon entfernt, in der Versenkung zu verschwinden, bis sich der Rauch um die mit Guantánamo, Abu Graib oder Bagram assoziierten Monstrositäten verzogen hat, geht Cheney bei jeder sich bietenden Gelegenheit in die Offensive, um mit Nachdruck darauf zu bestehen, daß kein Jota von den Errungenschaften einer für rechtens erklärten ungezügelten Willkür und Grausamkeit preisgegeben werden darf. So verteidigte er in einem Interview mit Chris Wallace von Fox News die "enhanced interrogation techniques" (EIT) als unverzichtbar für die nationale Sicherheitspolitik der US-Regierung (World Socialist Web Site 31.08.09). In ihrem 25minütigen Gespräch brachten es beide Gesprächspartner fertig, kein einziges Mal das Wort "Folter" in den Mund zu nehmen, obgleich sie über nichts anderes sprachen. Dies veranschaulicht das Ausmaß der dabei beanspruchten Definitionsgewalt, die mit der physischen Tortur und Vernichtung beginnt und nicht vor der Sprachregulation und Denkkontrolle endet.

Präsident Obama hatte bereits im April zugesichert, daß weder die Folterknechte, noch ihre Auftraggeber in Politik und Justiz zur Rechenschaft gezogen werden, sofern sich die dabei verwendeten Praktiken im Rahmen der von der Bush-Administration festgelegten Richtlinien bewegt haben. Von dieser Generalamnestie, nach der sich die Diktatoren einer Militärjunta alle zehn Finger ablecken würden, sollen nach jüngst ergangener Weisung von Justizminister Eric Holder nur jene CIA-Agenten ausgenommen werden, die bei der Folter über die Vorgaben von Regierungsseite hinausgegangen sind.

Obwohl man aller Voraussicht nach nur eine Handvoll Folterknechte unter die Lupe nehmen wird und dieses Manöver offensichtlich dem Zweck dient, die Legalisierung der genehmigten Folterpraktiken um so nachhaltiger zu verankern, schlägt Holder eine Welle geharnischten Protests aus Kreisen der Militärs, Geheimdienste, Republikaner und selbst Teilen der Demokratischen Partei entgegen. Ein vergangene Woche freigegebener Bericht des CIA-Generalinspekteurs aus dem Jahr 2004 zeichnet trotz massiv vorgenommener Zensur ein abstoßendes Szenario brutalster Folter, die Dick Cheney im Interview explizit und ausnahmslos rechtfertigt.

Von Chris Wallace ausdrücklich gefragt, versicherte Cheney, er sei stolz darauf, wie hart man mit Gefangenen wie Khalid Sheikh Mohammed umgesprungen war, der 183mal dem Waterboarding unterzogen wurde. Wenn ihm auch nicht jeder einzelne Fall bekannt gewesen sei, so habe diese Vorgehensweise doch selbstverständlich der auf Regierungsebene befürworteten und beschlossenen Politik entsprochen. Damit nicht genug, hieß Cheney auch sämtliche Praktiken gut, die selbst das Weiße Haus seinerzeit nicht für legal zu erklären wagte. Wie der eigentliche Kopf der Bush-Regierung wortwörtlich erklärte, habe es sich um eine gute Vorgehensweise gehandelt, die angemessen durchgeführt worden sei und sehr, sehr gut funktionierte.

Da man natürlich nicht mit Sicherheit ausschließen kann, daß Holders Propagandamanöver nicht plötzlich doch zu einem Stich ins Wespennest entgleist und alle Welt an das wahre Gesicht der US-Administration hinter Obamas als Maske aufgesetztem Konterfei erinnert, prügelt das politische Establishment in Washington aus Leibeskräften auf den Justizminister ein. Das beste, weil dümmste Argument steuert wie eh und je Dick Cheney bei: Die Anwendung harter Befragungsmethoden bei fast allen festgenommenen Al-Kaida-Mitgliedern habe unmittelbar dazu geführt, daß seit acht Jahren kein weiterer Anschlag mit zahlreichen Opfern auf die Vereinigten Staaten mehr verübt worden sei. Auf diese Weise habe man alle weiteren Angriffe vereitelt und Tausende Menschenleben gerettet. Damit schließt sich der Kreis des fiktiven "Antiterrorkriegs", der sich selbst generiert und inszeniert, bis hart an den Rand einer ausnahmslosen Legalisierung jedweder Greueltat im Dienst eines menschheitsgeschichtlich finalen Entwurfs weltweiter Herrschaftssicherung.

1. September 2009