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REPRESSION/1394: Nützlicher Terroralarmismus - Innensenator Ahlhaus schließt Taiba-Moschee (SB)



Pressetermin Montagmorgen um 6 Uhr im Hamburger Stadtteil St. Georg. 20 uniformierte Polizisten und weitere Beamte sind angetreten, um das von der Hamburger Innenbehörde angeordnete Verbot des deutsch-arabischen Kulturvereins Taiba durchzusetzen. Unter einem großen Aufgebot an Journalisten, die das Ereignis in Bild und Ton festhalten, wird das Schloß eines Gebäudes am Steindamm aufgebrochen. Die Polizisten betreten das Haus, in dem sie lediglich auf eine Person treffen, transportieren einige Computer und weiteres Material ab. Schließlich postieren sich fünf Beamte vor dem Eingang, um die Schließung der Taiba-Moschee noch einmal für die zahlreichen Kameras optisch zu unterstreichen.

Die inhaltliche Ausbeute dieses an Bildmaterial eher kargen Amtsaktes ist beträchtlich, wie einige der Schlagzeilen der auf Google News heute präsentierten Berichterstattung verraten: "Hamburger Terrorzelle - Die Moschee der Hassprediger ist Geschichte" (Welt Online); "Taiba-Moschee - Behörden schließen Hamburger Terror-Treffpunkt" (Welt Online); "Terrorverdacht - Hamburg schließt die Taiba-Moschee" (Zeit Online); "Islamisten-Netz Hamburg - Razzia in Terror-Moschee" (Bild.de); "Hamburger Taiba-Moschee geschlossen: Hassprediger ohne Heimat" (Spiegel Online); "Terror - Schlag gegen Deutschlands Islamistenszene gelungen" (Focus); "Terror-Alarm in Hamburg: Moschee geräumt!" (netplosiv.org).

Was sich hinter diesen reißerischen Titeln verbirgt, entspricht dem unspektakulären Charakter des Vollzugs. Weil die Taiba-Moschee früher als Al-Quds-Moschee bekannt war und einige der mutmaßlichen Attentäter des 11. Septembers 2001 in ihr verkehrten, war dieses islamische Gotteshaus Politik und Medien seit jeher eine "Keimzelle des Terrors" (Spiegel, 19.10. 2009). Da strafrechtlich Verwertbares allen großaufgemachten Verdächtigungen zum Trotz nicht verfügbar war, blieb die Moschee geöffnet und wurde zum wahrscheinlich wichtigsten Observationsobjekt des Landesamtes für Verfassungsschutz der Hansestadt. Was immer hinter den Mauern des unauffälligen Bürogebäudes an Terrorakten ausgeheckt worden sein soll, ihre angeblichen Urheber konnten sicher sein, daß sie von den Beamten des Inlandgeheimdienstes mit allen Mitteln moderner Technik beobachtet wurden.

Das nun mit sofortiger Wirkung ergangene Vereinsverbot hätte den angeführten Gründen gemäß denn auch zu jeder anderen Zeit erteilt werden können. Warum es gerade jetzt dazu kam, begründet Lothar Bergmann, Leiter der zentralen Hamburger Anti-Terror-Koordinierungsstelle bei der Abteilung öffentliche Sicherheit der Hamburger Innenbehörde, damit, daß die Gerichte die Hürden dafür sehr hoch gelegt hätten und es der Vorlage sehr vieler Beweise bedurfte. Die vom Verein abgehaltenen Schulungen, Predigten und Seminare sowie die auf der Homepage des Vereins veröffentlichten Texte richteten sich nicht nur gegen die verfassungsmäßige Ordnung, sondern radikalisierten auch Zuhörer und Leser, so Bergmann [1].

Der Hauptvorwurf gegen die Betreiber des Trägervereins der Moschee betrifft also nicht die Planung terroristischer Anschläge, das bestätigt auch der stellvertretende Landeschef des Verfassungsschutzes, Manfred Murck. Zwar gehe hierzulande die größte Gefahr nach wie vor vom islamistischen Terror aus, umschreibt der Geheimdienstbeamte den denkbar größten Nenner eines offensichtlich ganz und gar nicht akuten Handlungsbedarfs, doch konkrete Hinweise auf tatsächliche Anschlagsplanungen lägen derzeit nicht vor [2]. Murck bestätigt auch, daß die Moschee seit 2001 "mit allen nachrichtendienstlichen Methoden beobachtet" wurde und lastet ihren Besuchern an, einer Gruppendynamik gefrönt zu haben, bei der sich viele Leute gemeinsam einredeten, wichtige Gotteskrieger zu sein. Diese Gruppendynamik ließe sich in ähnlicher Form in die Rote Armee zurückverfolgen, gibt Welt Online [1] seine Worte wieder, ohne darüber aufzuklären, um welche Rote Armee es sich dabei genau handelt.

Auffällig immerhin ist der Versuch, den Terrorverdacht breit und stets gegen links zu streuen. Je weniger sich im aktuellen Fall an konkretem, über ein Meinungsdelikt hinausgehendem und der Presse präsentierbarem Belastungsmaterial erwirtschaften läßt, desto wichtiger scheint es zu sein, ganz allgemein Terrorangst zu schüren. Die Gründe dafür liegen auf der Hand - den Bundesbürgern stehen weitere Einschnitte in das soziale Netz bevor, die die kritische Masse einer Empörung anwachsen lassen, gegen die frühzeitig mit sicherheitsstaatlichen Mitteln zu Felde gezogen werden muß. Hinzu kommt die immer schwächere Legitimierbarkeit des Afghanistankriegs, der mit praktischen Belegen für die nach wie vor vertretene Behauptung, die Bundeswehr verteidige Deutschland dort gegen den Terror, aufgeholfen werden soll.

Zudem bietet die Schließung der Moschee dem dafür zuständigen Hamburger Innensenator die zweifellos willkommene Gelegenheit, sich als starker Mann in Szene zu setzen. Daß der CDU-Politiker Christoph Ahlhaus in Nachfolge des zurücktretenden Ole von Beust designierter Bürgermeister einer Stadt ist, die bereits mit dem schnellen Aufstieg des Roland Schill vom "Richter Gnadenlos" zum Innensenator ihr Faible für Vollstreckertypen bewiesen hat, paßt ins Bild einer mehr oder minder am Barte des Propheten herbeigezogenen Gelegenheit. Der Law and Order-Mann Schill konnte später dabei bestaunt werden, wie er sich in Brasilien in geselliger Runde dem Kokaingenuß hingab. Um so nötiger scheinen es seine Nachfolger zu haben, diesen Schandfleck am Amt des Hamburger Innensenators mit harter Hand zu tilgen.

"Der Spuk hinter den Mauern am Steindamm hat jetzt ein Ende", so Ahlhaus über eine Gespensterjagd, deren Gegenstand auch durch die Angabe, der Moscheeverein habe "über Jahre eine aggressive und demokratiefeindliche Ideologie vertreten", keine feststoffliche Form annehmen will. Wichtiger als die Begründung eines immerhin tief in die Bürgerrechte der Betroffenen eingreifenden Aktes staatlicher Maßregelung scheint zu sein, daß der künftige Bürgermeister sich mit starken Worten in die Brust werfen kann: "Solche Organisationen dulden wir nicht" [1].

Was die von dem Verbot ihres Vereins und der Beschlagnahmung seines Vermögens und seiner Dokumente betroffenen Personen zu den seit Jahren erfolgenden Nachstellungen wie ihrem Schlußakt zu sagen haben, bleibt unbekannt. Die Medien stützen sich ganz auf die Aussagen des Staatschutzes und der politisch Verantwortlichen, wie es insbesondere die Hamburger Lokalpresse seit jeher getan hat, wenn sie die Moschee am Steindamm zum Hort des Bösen erklärte. Wer tatsächlich Haß predigt, ist in Anbetracht schwerwiegender Beschuldigungen, die beweiskräftig zu belegen man nicht für nötig befindet, keineswegs so klar, wie die moralische Suprematie der antiterroristischen Medienphalanx suggeriert.

So wird die Berichterstattung auch jetzt von Archivmaterial über die verschiedenen Personen dominiert, die die Moschee schon einmal als Terrorverdächtiger betreten haben. Konkrete Belege für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Existenz der Moschee und terroristischen Aktivitäten werden nicht vorgelegt, dafür werden mit bekannten Namen und Ereignissen zweckassoziative Verbindungen produziert, mit denen das verunglimpfende Gerücht an die Stelle hieb- und stichfester Beweise für terroristische Aktivitäten tritt. Lassen sich diese, wie sich in Anbetracht der Schwierigkeit, unbescholtene Menschen mit staatlicher Gewalt zu sanktionieren, empfiehlt, erst einmal anhand bloßer Meinungsbekundungen und Einstellungen dingfest machen, dann steht der Abstempelung von Minderheiten mit abweichender politischer Gesinnung zum verwerflichen Bösen nichts mehr im Wege.

Als Beleg für den terroristischen Charakter der Taiba-Moschee wird in mehreren Presseberichten angeführt, daß der in Hamburg lebende Kaufmann Mamoun Darkazanli dort gelegentlich predigte. Der deutsche Bürger syrischer Herkunft sei ein "Hassprediger", meint der Staatschützer Bergmann, und der aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Hamburger Verfassungsschutz mit seinem Fall besonders vertraute Murck bezeichnet Darkazanli gar als "Elder Statesman des Djihad" [3]. Die offenkundige Diskrepanz zwischen bloßer Bezichtigung und belegbarem Rechtsbruch sucht Darkazanli schon seit den 1990er Jahren heim, mußte er sich doch schon damals der Nachstellungen staatlicher Sicherheitsapparate erwehren. Seine bürgerliche Existenz ist durch den Eintrag seines Namens in die EU-Terrorliste praktisch ruiniert, und wie es aussieht, muß er auch dieses Mal als Objekt sicherheitsstaatlicher wie medialer Terrorstigmatisierung herhalten. Ausführlicheres über sein Leben im Netz kafkaesker Staatswillkür wie auch zur sogenannten Hamburger Terrorzelle siehe hier [4].

Die Tageszeitung junge Welt gehört zu den wenigen Presseorganen, die es gewagt hat, nicht nur die offiziellen Verlautbarungen der Sicherheitsbehörden und die Mutmaßungen sogenannter Terrorismusexperten wiederzugeben, sondern auch die Betroffenen zu Wort kommen zu lassen. Sie veröffentlichte am 19. Oktober 2009 eine Stellungnahme der Hamburger Taiba-Moschee, in der die ausführlich dokumentierten medialen Verunglimpfungen, denen die dort aktiven Gläubigen ausgesetzt sind, mit sicherheitspolitischen Nutzeffekten in Zusammenhang gebracht werden. In Reaktion auf einen Bericht TV-Magazins Report Mainz, in dem unter dem Titel "Terrorangst nach der Bundestagswahl - Wie Al-Qaida in Deutschland Attentäter rekrutiert" eine ganze Welle von Terrorverdächtigungen gegen die Taiba-Moschee losgetreten wurde, wird darin abschließend erklärt:

"Unser Moschee-Verein sieht sich als Opfer einer großen Medienkampagne, einem schlechten geheimdienstlichen Schmierentheater und einer fingierten politischen Posse. Unsere Moschee ist ein offenes Gebetshaus. Jeder ist herzlich eingeladen, uns zu besuchen und sich über unser Angebot zu informieren. Weder werden bei uns Kämpfer für den Dschihad angeworben, noch bringen wir Islamisten auf Linie. In unseren Räumlichkeiten finden keine illegalen oder sonstwie konspirativen Treffen und Verschwörungen statt. Sollte es tatsächlich Muslime geben, die Deutschland verlassen haben, um in Afghanistan oder anderswo zu kämpfen, dann waren für diese Entscheidung weder die Gebete, noch die Unterrichte und Vorträge in unserer Moschee der Auslöser dafür. Jedem in der Moschee ist bekannt, daß sich der Fokus der hiesigen Sicherheitsorgane speziell auf unseren Verein richtet. Sollte also ein Besucher ein solches Vorhaben der Ausreise mit sich tragen, dann würde er diese Absicht sicherlich nicht ausgerechnet in unserer Moschee besprechen. Für alles, was außerhalb der Moschee passiert, z.B. in den Wohnungen unserer Besucher, im Internet oder anderswo, kann und will die Masjid Taiba keine Verantwortung übernehmen." [5]

Wäre das Angebot der Moschee wahrgenommen worden, dann hätte sich herausstellen können, daß weit weniger hinter dem Terrorverdacht steckt, als von Politik und Medien unterstellt wird. Radikale Ansichten sind vor dem Gesetz noch nicht identisch mit terroristischen Taten, und Verstöße gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und das Gebot der Völkerverständigung, mit denen das Vereinsverbot begründet wird, sind so auslegungsbedürftig, wie es einer Regierung zupaß kommt, die für die Rechtfertigung von Bombenangriffen in Afghanistan mit erheblichen Opfern unter der Zivilbevölkerung akuten Bedarf an Feindbildern hat. Warum wird der angebliche Haß, den die Betreiber und Besucher der Moschee geschürt haben sollen, nicht im Wortlaut als Quelltext ungekürzt verfügbar gemacht, so daß der Bürger die Stichhaltigkeit des Vereinsverbots überprüfen kann? Die in ihrer Begründung dementsprechend nebulös bleibende Schließung der Hamburger Moschee kann in einer vom antiislamischen Ressentiment vergifteten gesellschaftlichen Atmosphäre nur zu weiteren Spannungen zwischen Mehrheitsbevölkerung und muslimischer Minderheit führen. Eben daran scheint Interesse zu bestehen.

Fußnoten:

[1] http://www.welt.de/politik/deutschland/article8905009/Die-Moschee-der-Hassprediger-ist-Geschichte.html

[2] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,druck-710898,00.html

[3] http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/terror-schlag-gegen-deutschlands-islamistenszene-gelungen_aid_539349.html

[4] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/repr1365.html

[5] https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2009/10-19/002.php

9. August 2010