Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

REPRESSION/1407: "Dream Act" blockiert - US-Einwanderungspolitik auf repressivem Kurs (SB)



Die Legalisierung von Millionen Migranten, die ohne gültige Papiere in die Vereinigten Staaten eingewandert sind, bleibt ein Traum, der niemals erfüllt wird. Damit erweist sich die vorgehaltene Doppelgleisigkeit der Einwanderungspolitik, die eine Forcierung repressiver Maßnahmen mit der Aussicht auf Erlangung der amerikanischen Staatsbürgerschaft zu verbinden vorgab, als politische Schimäre, die die ausgefahrenen Krallen des Weißkopfadlers nicht länger unter Taubengefieder zu verbergen sucht.

Die Republikaner haben die als "Dream Act" bezeichnete Gesetzesinitiative im Senat blockiert, die Einwanderern, die als Kinder in die USA kamen, die Möglichkeit eröffnen sollte, die US-Staatsbürgerschaft zu erwerben, wenn sie zum College oder Militär gehen. Der "Dream Act" galt als erster Schritt, um den geschätzten zwölf Millionen "illegal" in die USA eingewanderten Menschen einen Weg in die Legalität zu ebnen. Hingegen bezeichneten Kritiker das Gesetz als eine Amnestie durch die Hintertür und warnten, daß dadurch weitere Menschen zur Immigration ermuntert werden könnten. [1]

Bei der Abstimmung handelte es sich um den letzten Versuch, das Vorhaben durch den Kongreß zu bringen, bevor die Republikaner im Januar die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernehmen. Da der Entwurf eng auf einen spezifischen Kreis von Einwanderern zugeschnitten war, den man aus Perspektive der Mehrheitsgesellschaft für den akzeptabelsten hielt, galt er als der noch am ehesten durchsetzbare Bestandteil einer umfassenderen Reform der Einwanderungspolitik, die Präsident Barack Obama unterstützt. Daß selbst dieser Minimalansatz gescheitert ist, unterstreicht die vollzogene Weichenstellung zugunsten einer Politik der harten Hand gegen Menschen, denen man das Recht abspricht, in den USA zu leben und zu arbeiten.

Nachdem das Repräsentantenhaus den Gesetzentwurf in der vergangenen Woche angenommen hatte, wären die Stimmen von 60 Senatoren erforderlich gewesen, um den "Dream Act" parlamentarisch auf den Weg zu bringen. Es fanden sich jedoch nur 55 Befürworter bei 41 Gegenstimmen, wobei fünf Demokraten den Entwurf ablehnten, während nur drei Republikaner das Lager wechselten und dafür votierten. [2]

Für Präsident Obama, der die Reform der Einwanderungspolitik zu einem seiner zentralen politischen Vorhaben erklärt hat, ist dies ein schwerer Rückschlag, der seine Initiative auf diesem Gebiet in einen Scherbenhaufen verwandelt hat. Er bezeichnete das Votum des Senats als "unglaublich enttäuschend" und wies in einer Erklärung noch einmal darauf hin, daß der "Dream Act" seines Erachtens der richtige Schritt für das Land und wichtig für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, die Militärbereitschaft und die Verbrechensbekämpfung sei. Daher gebe es "einfach keinen Grund", das Gesetz nicht zu verabschieden.

Mit ihren ohnehin defensiv anmutenden Erwägungen in den zurückliegenden Monaten, die Einwanderungsbehörde mit der Befugnis auszustatten, Abschiebungen in gewissen Fällen auszusetzen, drohte die Obama-Administration beim parteipolitischen Gegner auf Granit zu beißen. Um in diesem Armdrücken Vorteile zu erwirtschaften, hatte die Regierung die Kontrollen an der Grenze zu Mexiko wie auch von Unternehmen, die mutmaßlich "Illegale" beschäftigen, weiter forciert. Die vorgehaltene Absicht, auf diese Weise Stimmen aus dem republikanischen Lager zu gewinnen, erwies sich jedoch als zum Scheitern verurteilt. Mit der Mehrheit im Repräsentantenhaus vor Augen sahen die Republikaner keinen Grund, in letzter Minute Konzessionen zu machen. Auf das Konto der Regierung geht damit eine massive Verschärfung der Drangsalierung von Migranten, die in diesem Jahr zu der Rekordzahl von 390.000 Deportationen geführt hat.

Die immer wieder ins Feld geführte Doppelgleisigkeit der Einwanderungspolitik hat sich unter dem Strich erneut als Farce wenn nicht gar als ein strategisch eingesetztes Täuschungsmanöver entlarvt, dessen sich die Befürworter mit Blick auf die hispanischen Wählerstimmen bedienen, die insbesondere für die Demokraten essentiell sind. Diese Stimmen hatten das Desaster der Demokratischen Partei bei den letzten Kongreßwahlen zumindest gebremst und deren knappe Mehrheit im Senat gesichert. Senator Robert Menendez aus New Jersey, der den Entwurf befürwortet hatte, sprach die Warnung aus, daß die hispanische Gemeinde, die nicht nur zahlenmäßig, sondern auch in Hinblick auf ihren politischen Einfluß wachse, dieses Votum bei den Präsidentschaftswahlen 2012 nicht vergessen werde.

In Erwartung eines ersten Durchbruchs in Gestalt des "Dream Act" hatten sich hispanische Schüler und Studenten zu Tausenden öffentlich zu ihrem "illegalen" Aufenthalt in den USA bekannt. Da sie nun Gefahr laufen, behördlich erfaßt und abgeschoben zu werden, bleibt ihnen im Grunde nur die Wahl, weiterhin in die Offensive zu gehen und womöglich eine Massenbewegung unter den schätzungsweise 65.000 "Illegalen", die alljährlich die High School abschließen, zu initiieren.

Ihnen steht eine neu formierte Front republikanischer Kongreßmitglieder gegenüber, die sich für eine repressive Einwanderungspolitik stark machen. Der als künftiger Vorsitzender des Unterausschusses für Einwanderungsfragen im Repräsentantenhaus gehandelte Steve King aus Iowa ist als rigoroser Gegner jeder Form von Legalisierung bekannt, die er als Amnestie für Gesetzesbrecher einstuft. Gleiches gilt auch für andere einflußreiche Politiker aus dem Lager der Republikaner, die im Januar Führungspositionen in wichtigen Ausschüssen übernehmen werden.

Außerparlamentarische Organisationen, die sich eine Verschärfung der Einwanderungspolitik auf die Fahnen geschrieben haben, feierten das Votum des Senats als bahnbrechenden Sieg, der die Periode beende, während der sie aus der Defensive kämpfen mußten. Der Präsident von NumbersUSA, Roy Beck, feierte den neu besetzten Kongreß mit Blick auf eine verschärfte Strafverfolgung "illegaler" Migranten als den stärksten seit mindestens fünfzehn Jahren. "Nun freuen wir uns darauf, aggressiv in die Offensive zu gehen", kündigte Beck den Einwanderern die Peitsche ohne das für obsolet erklärte Zuckerbrot an.

Anmerkungen:

[1] Legalisierung bleibt für zwölf Millionen Menschen ein Traum. Keine erleichterte Einbürgerung für junge Einwanderer in USA (18.12.10)
NZZ Online

[2] Immigration Vote Leaves Obama‹s Policy in Disarray (18.12.10)
New York Times

20. Dezember 2010