Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

KULTUR/0761: US-Maßnahmestaat cineastisch auf den Stand gebracht (SB)



Die Blockbuster Hollywoods sind im Idealfall nicht nur Glücksfälle für die Studios, die sie vermarkten, sondern auch für die Glaubwürdigkeit der US-amerikanischen Leitdoktrin. Als weltweit verbreitete Kulturträger erfüllen die Produkte des US-Mainstreamkinos merkantile wie pädagogische Zwecke, instruieren sie doch nicht nur die eigene Bevölkerung über die Maßgaben und Konditionen des herrschenden Verwertungsmodells und bieten darüber hinaus einleuchtende Legitimationskonzepte an. Hier erfüllen insbesondere die an antike Heroen, deren Drama daraus bestand, in ihren Obsessionen und Sympathien zwischen Götter- und Menschenwelt hin- und hergezogen zu werden, anknüpfenden Superhelden die wichtige Aufgabe einer sinnstiftenden Reflexion staatstragender Normen und Werte in Vermittlung zwischen ihrer rechtsphilosphischen Idealisierung und ihrer politischen Praxis.

Der mit Abstand kommerziell erfolgreichste Film des letzten Jahres und das nach Einspielergebnissen aller jemals gedrehten Filme vierterfolgreichste Produkt der Unterhaltungsindustrie - The Dark Knight - leistete dies auf geradezu idealtypische Weise. Er aktualisiert den Terrorkrieg für eine krisenerschütterte Metropolengesellschaft und weist ihr den Ausweg in eine Zukunft, die zwar düster erscheint, jedoch unter dem Schutz geheimer Mächte auch die schlimmsten Herausforderungen bewältigen wird. Als Kraft des Guten figuriert mit Batman alias Bruce Wayne ein ausgesprochen postheroischer Superheld, der es nicht nötig hat, seine Kraft mit maskulinen Posen zu unterstreichen und den Lohn seiner Taten in Form öffentlicher Anerkennung einzufahren.

Ganz im Gegenteil, um die administrative Gewalt in ihrer positivsten Ausformung, dem idealistischen Staatsanwalt Harvey Dent, zu retten, nimmt Batman die Schuld für einige Verbrechen, die diese am eigenen Guten gescheiterte Lichtgestalt der öffentlichen Ordnung begangen hat, auf seine Kappe. Während Dent die Korrumpierung des Guten durch ein Übermaß an Bösartigkeit in seiner juridischen Gestalt verkörpert, wird Batman zum Austragungsort für das klassische Drama der Exekutivgewalt, die im Kampf gegen das Böse selbst monströse Züge annimmt. Den Äußerungen des US-Vizepräsidenten Dick Cheney, der nach dem 11. September 2001 erklärte, man müsse "auf die dunkle Seite" wechseln, um den Terror wirksam bekämpfen zu können, hält Batman sinngemäß den Wunsch entgegen, eben nicht zum Monster zu werden, wenn er das Monster bekämpft.

Die Gotham City in Gestalt des Jokers drohende Herausforderung schlägt allerdings auch alle Rekorde dessen, was im Rahmen personifizierter Inszenierungen des Böse aufgefahren wird. Der Joker ist nicht nur ein durchtriebener Krimineller, der die Verbrechersyndikate der Stadt zu Laienspielern degradiert, er ist Unmoral und Anarchie in aller Leidenschaft, zu der ein Mensch eben nicht in der Lage sein soll. Mit den Attributen psychopathologischer Selbstdestruktivität ausgestattet symbolisiert der Joker - durchaus synonym zur Bedeutung des Begriffs im Kartenspiel - die so unberechenbare und regellose Intelligenz des Bösen wie dessen zielgerichtete Attacke auf alles, was dem Menschen wert und heilig sein soll. Als nicht mehr zu therapierendes, weil in seiner Durchtriebenheit die Winkelzüge jedes Seelenstrategen ausmanövrierendes und daher nur noch zu psychiatrisierendes oder vernichtendes Böses bietet der Joker der Urangst des Kinopublikums vor dem nicht auszulotenden und daher nicht bekämpfbaren Terror eine große Projektionsfläche.

Mit seinen Anschlägen auf öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser, Gefängnisse und Banken, der daraus resultierenden Fluchtbewegung der Bevölkerung und der perfiden Bloßstellung ihres Überlebenswillens durch eine künstlich herbeigeführte Situation, in der die Menschen nur durch den Tod anderer Menschen gerettet werden können, bietet der Film ein Szenario, das unmittelbar an den Terrorkrieg anknüpft und diesen für die US-Metropolengesellschaft aktualisiert. Daß die vom Joker eingesetzten Gewaltmittel auch die der US-Streitkräfte in ihrem Krieg gegen andere Länder sind, bleibt zwar unausgeführt, könnte den kritischen Zuschauer jedoch in Widerspruch zu seiner Sympathie für die Träger der öffentlichen Ordnung bringen. Die am Joker durchgeführte Folter, legitimiert durch ein Verhalten, das den Einsatz der körperlichen Aussageerpressung praktisch provoziert, wirkt auf geradezu befreiende Weise folgerichtig, nachdem dieser den Menschen Grausamkeiten angetan hat, zu denen in der Lesart des Films nur Unmenschen in der Lage sind.

Das Problem der Kontamination mit dem Bösen wird vom Guten denn auch auf probate Weise durch die Inanspruchnahme einer Dezision gelöst, die in der Sphäre absoluter Macht ohne demokratische Rückbindung getroffen nicht in der Lage sein soll, das von ihr regulierte politische System zu korrumpieren. Butler Alfred, eine die gehobene Dienstleistungsgesellschaft verkörpernde Vertrauensinstanz Bruce Waynes, illustriert mit einer Anekdote aus britischen Kolonialzeiten, als er in Burma daran beteiligt war, auf der Jagd nach einem Verbrecher einen ganzen Wald abzufackeln, daß Batman der Außenseiter sei, der die richtigen Entscheidungen treffen kann, die kein anderer zu treffen in der Lage ist. Von der neokonservativen Logik eines quasi kulturell und genetisch bedingten Aufbegehrens gegen die Ordnung ermächtigt wird Batman zum Sachwalter eines Ausnahmezustands, der den kleinen Frieden der Metropole Gotham City im großen Krieg der Welten vor seiner vollständigen Pervertierung durch das Böse retten soll.

Geschützt durch die Möglichkeiten des Großindustriellen Bruce Wayne führt Batman in quasi privatwirtschaftlicher Regie zuende, wozu die Organe der Staatsgewalt aufgrund ihrer Unterwanderung durch das Böse nicht in der Lage sind. Wo Wayne den Altruismus des Mäzenatentums und damit das Gute am Kapitalismus verkörpert, beflügelt der Joker dessen Krise, indem er einen gigantischen Berg von Geldscheinen in aller Ruhe in Flammen setzt. Daß die Vernichtung von Kapital Ausdruck des Bösen schlechthin sei, steht allerdings im Widerspruch zu einer sehenden Auges angesteuerten und daher durchaus zugunsten herrschender Interessen in Kauf genommenen Systemkrise. Gelöst werden all diese Widersprüche durch ein paternalistisches Herrschaftsmanagement, in dem der Bevölkerung die Kenntnis zentraler Zusammenhänge vorenthalten wird, um ihr Wohl zu gewährleisten.

"The Dark Knight" hat als symbolisches Schaustück des globalen Kriegs- und Krisenszenarios durchaus erzieherischen Wert. Die Parameter des Oben und Unten sind ebenso fest verfugt wie die Werte einer Moral, die nicht verhandelt, sondern durchgesetzt wird. Seine Akteure bewegen sich im Geviert einer urbanen Ordnung, die als Abbild der gesamten US-Gesellschaft verstanden werden soll und dementsprechend gerettet werden muß. Sie reflektieren keine zeitgeschichtlichen Zusammenhänge, sondern synthetisieren diese zum Drama des Kampfs zwischen dem Maßnahmestaat und den ihn herausfordernden Kräften. Diese bedürfen keinerlei tiefgründiger Motive, um den Menschen das Leben zur Hölle zu machen, sondern kokettieren mit den Abgründen einer Entscheidungsgewalt, die nicht mehr durch demokratische Prozeduren, sondern nur noch durch machaivallistische Konsequenz unter Kontrolle gehalten werden kann.

Dementsprechend sind den Vertretern des Guten keine Grenzen des Einsatzes ihrer Mittel gesetzt. Wer immer diese einfordert, bleibt die Antwort auf die Frage schuldig, wie man sonst der Maßlosigkeit des Bösen begegnen sollte. Die tiefe Verwandtschaft zwischen diesen beiden Exponenten des moralischen Spektrums zu entdecken könnte den Zuschauer befähigen, sich von der ihm anempfohlenen Unterwerfung unter die Praktiken einer zu außerordentlichen Maßnahmen ermächtigten Staatsgewalt zu emanzipieren.

3. Januar 2009