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KULTUR/0822: Turmbau zu Dubai ... atemberaubende Aussicht für Hochstapler (SB)



Für "irrational", aber "extrem ästhetisch" (Deutschlandradio, 04.01.2010) hält SZ-Architekturkritiker Gerhard Matzig das heute in Dubai eingeweihte, mit über 800 Meter höchste Gebäude der Welt. Irrational am Burj Dubai sei die Überschreitung einer Grenze von 300 Metern, unterhalb derer Hochhäuser aufgrund ihres kleinen Grundrisses bei großem Raumangebot durchaus Sinn machten. Der statische und logistische Aufwand, ein so hohes Haus wie dieses zu errichten, seine oberen Stockwerke mit Lifts erreichbar zu machen und mit Energie zu versorgen, sei überproportional hoch, so die durchaus einsichtige Kritik des Journalisten.

Wie die im Interview mit dem Deutschlandradio durchscheinende Begeisterung Matzigs mit der Konstruktion des Burj Dubai, das er für "eines der schönsten Häuser der Welt" hält, zeigt, ist über die Frage, wie vernünftig das Errichten solcher Monumente menschlichen Himmelsstrebens ist, nicht allein anhand ökonomischer oder ökologischer Kriterien zu entscheiden. So belegt der Tenor der internationalen Berichterstattung über die Eröffnung des Burj Dubai, daß seine Größe und Potenz symbolisierende Gestalt ihren Zweck erfüllt. Nur wenige große Medien versteigen sich zu dem Urteil, daß mit dieser Gigantomanie ein Zeichen bloßer Hybris gesetzt wurde, hat die Regierung Dubais doch im November 2009 einen halbjährigen Zahlungsaufschub für die fälligen Kredite des Staatsfonds Dubai World verkündet.

Noch weniger Aufmerksamkeit wird der Ausbeutung der in Dubai arbeitenden Migranten zuteil. Sie kommen meist aus asiatischen Staaten an den Persischen Golf, um unter entrechteten Bedingungen und zu Niedrigstlöhnen als Hausdiener für das leibliche Wohl der einheimischen Bevölkerung und ausländischen Touristen zu sorgen oder die architektonische Pracht zu errichten, mit der das Land mit der höchsten Millionärsdichte der Welt protzt. Vier Fünftel der in Dubai lebenden Menschen gehören der Klasse der Lohnsklaven an, mit denen fast nach Belieben verfahren werden kann. Für Monatslöhne um 110 Dollar schuften sie in den Haushalten der Reichen, in den Küchen der Luxushotels und auf den Baustellen der Immobilienspekulanten, wo die Menschen aus Indien, Pakistan, Bangla Desh und Sri Lanka in Zwölfstundenschichten regelrecht verheizt werden. So wurden laut Human Rights Watch im Jahr 2004 über 800 Leichen von Bauarbeitern aus Dubai in ihre Heimatländer überführt.

Die mit absolutistischer Macht regierende Herrscherclique um das Staatsoberhaupt Scheich Mohammed Bin Rashid Al Maktoum hat die Berichterstattung über die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Migranten untersagt und sie damit noch mehr zu einer Schattenexistenz in den Barackenlagern am Rande der Golfmetropole oder den kleinen fensterlosen Kammern, in denen das Hauspersonal nächtigt, verurteilt. Gewerkschaften sind selbstredend verboten. Wer seinen Job verliert, kann von einem auf den anderen Tag abgeschoben werden, was nicht selten dazu führt, daß die Migranten, um die Geldüberweisungen für ihre notleidenden Familien zu sichern, noch schlechter bezahlte Jobs in Dubai oder einem der benachbarten Emirate annehmen. Einige Firmen nutzen den Druck, unter dem ihre Lohnsklaven stehen, auch aus, indem sie sie entlassen, um sie zu schlechteren Bedingungen wieder einzustellen.

Der Turmbau zu Dubai ist mithin Symbol eines menschenfeindlichen Verwertungssystems und als solches in seiner Ressourcen verschlingenden Verbrauchsintensität durchaus ein Produkt rationaler Strategien. Als Finanzplatz, der Investoren durch weitgehende Steuerfreiheit und kaum vorhandene Arbeits- und Umweltauflagen anlockt, beeindruckt Dubai mit architektonischen Extravaganzen aller Art. Sie verwandeln das Emirat, das im frühen 19. Jahrhundert noch eine kleine Siedlung von Fischern und Perlentauchern war, in einen Spielplatz selbstverliebter Superreicher, die besondere Lust daraus schöpfen, vor den Augen einer hungernden, von Kriegen und Umweltkatastrophen gepeinigten Weltbevölkerung zu prassen, was ihre Sinne und Verdauungsorgane halten. Skipisten und Eisbahnen inmitten der Wüste oder die 20 Schwimmbäder mit je 50 Meter Beckenlänge des Burj Dubai sind Ausdruck eines Süßwasserverbrauchs, von dem Millionen Menschen in dieser wasserarmen Region nicht einmal träumen können. Edelste Produkte aus aller Welt für Luxustouristen, die wie die von ihnen verbrauchten Güter Tausende von Kilometern überwinden, um am Persischen Golf inmitten einer von Armut und Krieg durchzogenen Region in einer Orgie des Konsums aufeinanderzutreffen, haben Dubai zu einem der Länder gemacht, in denen der Kapitalismus noch mit dem Geist eines ökonomischen Liberalismus zelebriert wird, dem die Freiheit nichts wert wäre, wenn sie nicht zu Lasten anderer ginge.

Das schon aus einer Entfernung von hundert Kilometern zu erblickende Wahrzeichen der Stadt ist mithin bildhafter Ausdruck eines Akkumulationsregimes, das Zerstörung maximiert, um einen Gewinn zu suggerieren, der sich für die Menschheit als Ganzes als verheerender Verlust an Lebenschancen darstellt. Als Produkt britischer Kolonialpolitik steht das Emirat in einer Tradition, die zum Raub verpflichtet und diesen nicht zuletzt zum Vorteil der ehemaligen Herren betreibt. Die Ausbeutung asiatischer Arbeitsmigranten für Projekte eines finanzmarktgenerierten Immobilienbooms verleiht Dubai im Unterschied zu anderen arabischen Staaten, deren Oligarchien vor allem die einheimische Bevölkerung auspressen, den Charakter eines Vorzeigeexemplars der im Sinne ihrer Profiteure gelungenen Globalisierung. Dem Finanzkapitalismus wird mit dem Turm von Dubai ein weiteres Symbol einer Hochstapelei geschenkt, die eben nicht nur in der Aufhäufung fiktiver Werte manifest wird.

Daß die Kapitaleigner und ihre Manager derzeit ein Tal der Tränen durchschreiten, macht die Dubaische Megalomanie zu einer nur noch hoffnungsträchtigeren und wirkungsmächtigeren Beschwörung ihrer Dominanz. So hat Scheich Al Maktoum im Dezember Gesetze zum Gläubigerschutz erlassen, die den Glauben an das Wunder des wie von selbst arbeitenden Geldes wieder festigen sollen. Wer wie die im Rahmen der Wirtschaftskrise in ihre Heimatländer abgeschobenen Migranten nichts als den eigenen Körper zu verkaufen hat, soll froh und dankbar sein, daß er nicht zu jenen Arbeitern gehört, deren Leben auf dem Altar der geliehenen Größe Dubais geopfert wurde, ganz wie jene Sklaven der Pharaonen, die beim Bau der Pyramiden als Zeichen der Macht ihrer Gottkönige eingemauert wurden.

4. Januar 2010