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KRIEG/1358: Keine Rückendeckung für Bundesregierung durch NATO-Verbündete (SB)



Wenn die Verbündeten nicht mitspielen, dürfte die Strategie der Bundesregierung, die Bombardierung zweier Tanklastzüge in der Nähe eines Feldlagers der Bundeswehr bei Kunduz nach der ersten Aufregung dem Vergessen zu überantworten, kaum funktionieren. Dafür, daß weder die USA als führende Kriegspartei in Afghanistan noch die europäischen NATO-Partner viel Rücksicht auf das Problem der Regierungsparteien nehmen, durch die Aufwertung des Afghanistankriegs als Wahlkampfthema Stimmen zu verlieren, gibt es zwei Gründe.

Der eine besteht in dem im Vorfeld der Präsidentschaftswahl begonnenen Versuch, die NATO in ein freundlicheres Licht zu rücken, indem deren Oberbefehlshaber in Afghanistan, US-General Stanley McChrystal, es zur obersten Priorität erhob, Luftangriffe nur zu fliegen, wenn dabei keine Zivilisten gefährdet werden. Durch den Luftangriff vom Freitag hat sich diese Maxime in Schall und Rauch aufgelöst, was bei der US-Regierung und anderen Administrationen der NATO dazu führt, sich schon zur Wahrung des eigenen Gesichts vom Vorgehen der Bundeswehr zu distanzieren. Erschwerend hinzu kam, daß der Angriff kurz vor dem Treffen der EU-Außenminister in Stockholm erfolgte, wo man über eine neue Strategie für Afghanistan beraten wollte. Anstelle dessen war man zur Schadensbegrenzung genötigt, die sich unter anderem in recht deutlicher Kritik an der Bundesregierung artikulierte.

Der andere Grund für die geringe Rückendeckung, die Berlin von den Verbündeten erhält, besteht in der Weigerung der Bundesregierung, trotz eines großen Besatzungskontingents in größerem Ausmaß an Kampfeinsätzen teilzunehmen. Die immer wieder von Washington erhobene Forderung, diesen Vorbehalt aufzugeben, treibt die Bundesregierung dazu, ihre Position in der NATO durch andere militärische Leistungen und die Behauptung, die eigene Strategie als Besatzungsmacht wäre dem aggressiven Vorgehen der US-amerikanischen und britischen Truppen überlegen, zu sichern. Die bereits durchgesickerte Absicht der US-Regierung, nach der Bundestagswahl mit neuen Forderungen nach einer Aufstockung der deutschen Truppen auf die Bundesregierung zuzukommen, macht es dieser noch schwieriger, ohne Blessuren aus der Sache herauszukommen.

Es ist sicherlich keinem ungewollten Leck in der von US-Konteradmiral Gregory Smith geleiteten zehnköpfigen ISAF-Kommission, die die Umstände der Bombardierung untersucht, geschuldet, wenn die US-Hauptstadtzeitung Washington Post unter Verweis auf diese mit neuen Opferzahlen aufwartet. Mindestens zwei Dutzend der 125 Toten sollen Zivilisten sein, zudem gibt die Tageszeitung an, daß der Angriff aufgrund der Einschätzung eines einzigen Informanten befohlen wurde. Dabei wären auf den Aufklärungsbildern rund einhundert Menschen zu erkennen gewesen, die um die Tanklastzüge herumstanden.

Wenn Verteidigungsminister Franz Josef Jung demgegenüber so tut, als wolle er die Bundeswehr vor falschen Beschuldigungen in Schutz nehmen, dann geht es ihm vor allem um das eigene Ansehen. Den deutschen Soldaten ist keinesfalls damit gedient, wenn von ihren Offizieren befohlene mörderische Luftangriffe beschönigt werden und sie um so mehr zum Ziel von Angriffen der Besatzungsgegner werden. Auch für sie wäre es am besten, die Bundeswehr zöge so schnell wie möglich vom Hindukusch ab und beendete damit nicht nur den Versuch, es anderen imperialistischen Mächten bei der Durchsetzung ihrer Interessen in aller Welt gleichzutun, sondern auch eine expansive Kriegsdoktrin so zu verselbständigen, das ein Sachzwang zum nächsten Massaker führt.

Allemal deutlich wird, daß das Leben der Afghanen, anders als von McChrystal behauptet, den Besatzern nichts wert ist. Nur weil das Vermeiden eigener Verluste zur obersten Maxime der Bundeswehr im Kriegseinsatz erklärt wurde, hat man die Bombardierung befohlen und die Rückeroberung der Tanklastzüge durch Bodentruppen verzichtet. Wenn es schon, wie behauptet wird und wie aus guten Gründen zu bezweifeln ist, zum eigenen Schutz unabdinglich war, die von den Tanklastzüge angeblich ausgehende Gefahr präventiv zu bannen, dann hätte dies nicht mit einer Radikallösung wie dem Abwerfen zweier Bomben erfolgen müssen. Nun, da die Bundeswehr gezeigt hat, daß sie der US-amerikanischen Doktrin vom Einsatz maximaler Feuerkraft in nichts nachsteht, ist es um so wichtiger, der Politik dieses Mittel der imperialistischen Einflußnahme aus der Hand zu schlagen.

6. September 2009