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KRIEG/1372: Rüstungsexporte nach Israel im strategischen Interesse Deutschlands (SB)



Die Rüstungszusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und Israel hat mit der Lieferung in Deutschland gefertigter, zum Abschießen atomar bewaffneter Lenkwaffen fähiger U-Boote nicht unbedingt zur Entspannung in der Region des Nahen und Mittleren Ostens beigetragen. Da die atomar gerüsteten israelischen Streitkräfte bereits über die ultimative Abschreckungswaffe verfügen, hat die von der Bundesrepublik damit ermöglichte Zweitschlagkapazität die von dem Land auf seine Nachbarn ausgehende Bedrohung deutlich erhöht. Da Israel gegen Angriffe mit Atomwaffen, über die mit ihm verfeindete Staaten wie der Iran bislang nicht verfügen, zusätzlich zur eigenen Abschreckungskapazität durch die Garantie der USA, einen Aggressor ihrerseits mit allen Mitteln anzugreifen, gut geschützt ist, dient die Lieferung einer Offensivwaffe diese Art vor allem dem Ausbau der strategischen Schlagkraft dieses NATO und EU nahestehenden Staates.

Obwohl die naheliegende Möglichkeit einer Entschärfung der angespannten Lage im Nahen und Mittleren Osten in der Etablierung einer atomwaffenfreien Zone für die ganze Region bestände, findet diese Option in den NATO-Staaten keine Unterstützung. Die Bundesrepublik hat, ganz im Gegenteil, durch die Beteiligung an der Bezichtigung des Irans als angeblich primärem Aggressor auf der Seite des Atomstaats Israel Position bezogen und rüstet diesen weiter auf. Die jüngste Entwicklung auf diesem Feld besteht im Anliegen Israels, die landgestützte Raketenabwehr durch eine seegestützte Komponente zu ergänzen. In Tel Aviv plant man, wie im NDR in der Sendung Streitkräfte und Strategien (17.10.2009) berichtet, den Bau zweier Korvetten, in die ein Senkrechtstarter für Flugkörper integriert werden soll, der zum Abfeuern von SM-3-Raketen aus US-amerikanischer Herstellung in der Lage ist. Konzipiert und wahrscheinlich gebaut werden sollen die Schiffe bei der Hamburger Werft Blohm & Voss, finanziert werden sollen sie nach Möglichkeit mit Bundesmitteln.

Die SM-3-Raketen können in einem Radius von 500 Kilometern angreifende Flugkörper bekämpfen und sind in der Lage, auch Satelliten in niedrigen Umlaufbahnen zu zerstören. Unter den US-amerikanischen Raketenabwehrsystemen gilt es als besonders zuverlässig und soll daher auch auf dem Staatsgebiet Israels zur Landesverteidigung aufgestellt werden. Die seegestützte Komponente hätte den Vorteil, den Wirkungsradius um die Strecke, die die Korvetten zurücklegen, zu erweitern, so daß es sich hier durchaus um eine Maßnahme zur Vergrößerung der militärischen Projektionsfähigkeit handelt. Da die israelische Militärdoktrin den Einsatz der Streitkräfte keineswegs nur zur Landesverteidigung vorsieht, würde eine solche Bereitstellung seitens der Bundesrepublik vor allem dem Ausbau offensiver Fähigkeiten Israels dienen.

Rüstungsprojekte dieser Art werden in Deutschland aus gutem Grund nicht öffentlich verhandelt, sondern so unauffällig wie möglich abgewickelt. Beim Export von Kriegswaffen rangiert die deutsche Rüstungsindustrie weltweit auf Platz drei, was unter anderem den laxen, von der rot-grünen Bundesregierung 2000 verabschiedeten Rüstungsexportrichtlinien geschuldet ist. Wesentlicher Hinderungsgrund für eine Genehmigung etwa der Ausfuhr von U-Booten nach Israel ist nicht, daß diese in ein Spannungsgebiet oder in die Hände eines Staates gelangen, der sich schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hat. Entscheidend ist viel mehr die Frage, ob die Lieferung von Kriegswaffen an andere Staaten "an den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Bündnisses und der EU zu orientieren" sind.

Israel mit Aggressionspotentialen aufzurüsten entspricht sicherlich nicht den Sicherheitsinteressen der Bundesbürger, die damit Partei in einem der ältesten, immer wieder kriegerisch ausgetragenen Konflikte der Welt werden. Es entspricht allerdings dem geostrategischen Interesse der NATO und EU, den Nahen und Mittleren Osten mit Hilfe der militärischen Macht Israels zu dominieren. Daß dies zur Folge hat, daß große Teile der Region sich dauerhaft in einem latenten Kriegszustand befinden und terroristische Gruppierungen entstehen, die in Europa Anschläge begehen, ist kein Hinderungsgrund. Letzteres kommt, so pervers diese Logik auch erscheinen mag, durchaus einer sicherheitsstaatlichen Entwicklung entgegen, die ganz anderen Zwecken dient als dem vorgeblichen einer Bedrohung, die von Terroristen ausgehen soll, die die westliche Staatenwelt angeblich aus ideologischen und kulturellen und nicht etwa militärische Gründen bekämpfen sollen.

Zu allem Überfluß drängt das mit der Bundesrepublik verbündete Israel auf eine Änderung des internationalen Kriegsvölkerrechts (Spiegel Online, 20.10.2009). Da die Regierung in Tel Aviv sich der im Goldstone-Bericht an ihrer Kriegführung in Gaza geübten Kritik nicht anders zu erwehren weiß als durch die Offensivstrategie, die Palästinenser als terroristische Aggressoren darzustellen und sich selbst als Opfer, hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Initiative zur Änderung des internationalen Rechts eingeleitet. Sie soll den "Krieg gegen den Terrorismus erleichtern", indem die israelische Armee mehr Handlungsfreiheit erhält.

Über diese hat sie beim Überfall auf Gaza zweifellos verfügt, daran ändert auch der Schritt des israelischen Präsidenten Shimon Peres nichts, auf das Recht seines Landes auf Selbstverteidigung zu pochen, während die Vereinten Nationen mit Annahme des Goldstone-Berichts seiner Ansicht nach Terroristen unterstützten. Da jedes Land im Fall eines akuten Angriffs auf sein Territorium über nämliches Recht verfügt, ist die Debatte über eine Änderung des internationalen Rechts müßig. Die Palästinenser im allgemeinen und die Hamas im besonderen als Aggressor darzustellen, läßt sich mit der genauen Untersuchung der Ereignisse im Vorfeld des israelischen Überfalls auf Gaza unschwer widerlegen. Doch darum geht es nicht, wie die Mißachtung der offen zutage liegenden Fakten auch im Goldstone-Bericht, der den Überfall nicht als Akt der Aggression verurteilt, zeigt.

Den Überfall auf Gaza auf der Ebene internationaler Politik zu legitimieren entspricht auch dem Interesse der Bundesregierung. Es gilt, der eigenen Bevölkerung gegenüber nicht als Sachwalter brutaler Gewalt zu erscheinen und die strategische Partnerschaft mit Israel zu rechtfertigen. Die Lieferung von Kriegswaffen an Israel und die Beschwichtigung der Kritiker seiner Besatzungs- und Kriegspolitik gehen Hand in Hand. Die deutsche Großmacht im Wartestand hat als führendes Mitglied der NATO so viel in das Bündnis mit Israel investiert, daß die Bundesregierung einer Änderung des internationalen Rechts zugunsten erweiterter Vollmachten gegenüber nichtstaatlichen Akteuren allemal zustimmte. Auf jeden Fall ist Israels Verhalten kein Grund für die die Außenpolitik Deutschlands bestimmenden Kräfte, grundsätzliche Veränderungen an der strategischen Ausrichtung der Bundesrepublik vorzunehmen. Die weitere Aufrüstung Israels mit in Deutschland gefertigten Kriegswaffen wird auch in Zukunft kein Problem sein, an dem sich eine Bundesregierung abzuarbeiten hätte.

23. Oktober 2009