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KRIEG/1425: Besatzungstruppen töten erneut vier unbewaffnete Afghanen (SB)



Während man an der deutschen Heimatfront die letzten getöteten Soldaten der Bundeswehr beklagt, Oberst Klein juristisch eine weiße Weste verpaßt, die Untersuchung des Massakers von Kundus für obsolet erklärt und sich von General Stanley McCrystal bereitwillig noch tiefer ins Kampfgeschehen ziehen läßt, nimmt der Krieg der Besatzungsmächte gegen die Afghanen seinen Lauf. Wieder hat ein Militärkonvoi der NATO das Feuer auf Zivilisten eröffnet und dabei im Osten des Landes vier unbewaffnete Menschen erschossen. In der Provinz Khost an der Grenze zu Pakistan wurden nach Angaben des Distriktgouverneurs Mohammad Akbar Zadran ein Polizist, ein zwölf Jahre alter Junge und zwei Ladenbesitzer getötet.

Konvois der Okkupationsstreitkräfte und Straßensperren haben sich schon in der Vergangenheit als lebensbedrohlich für die einheimische Bevölkerung erwiesen, was auch für den jüngsten Zwischenfall zu gelten scheint. Mindestens 35 Zivilisten sind seit letztem Sommer in solchen Situationen getötet worden, wobei die Militärs einräumen mußten, daß die Opfer in keinem einzigen Fall eine echte Gefahr für die Soldaten dargestellt haben. Erst vor einer Woche hatten US-Soldaten nahe Kandahar einen großen Bus beschossen und dabei fünf Zivilisten getötet sowie achtzehn weitere verletzt, worauf es zu erbitterten antiamerikanischen Protestkundgebungen gekommen war.

Nach dem sattsam bekannten Muster widersprechen die Versionen der NATO-Truppen und der örtlichen afghanischen Behörden einander auch im aktuellen Fall diametral. Während der Gouverneur unterstrich, daß im beschossenen Fahrzeug keine Waffen gefunden wurden und es sich bei den Insassen um die genannten Zivilisten gehandelt habe, behauptete das NATO-Kommando in Kabul, zwei der getöteten Männer seien anhand "biometrischer Daten" als "bekannte Aufständische" identifiziert worden. Auf welche Weise die beiden Opfer mit dem militanten Widerstand in Verbindung standen, vermochte der NATO-Sprecher jedoch nicht zu sagen. Bei den anderen beiden getöteten Personen habe es sich um "Helfer" gehandelt, wobei auch dafür kein Beweis erbracht wurde. (New York Times 21.04.10)

Soweit bekannt, befanden sich die vier Afghanen in einem Toyota auf dem Heimweg, als sie gegen 18.00 Uhr auf einen entgegenkommenden Militärkonvoi trafen, der zu seinem Stützpunkt zurückkehrte. Was weiter geschah, liest sich nach Version der NATO wie die Standardanweisung aus dem Handbuch, wobei sie bislang anders als beim letzten derartigen Zwischenfall nahe Kandahar mangels überlebender Zeugen vorerst nicht zweifelsfrei widerlegt werden kann. Man habe versucht, das nicht identifizierte Fahrzeug durch Signale zum Anhalten zu bringen und es mit den Scheinwerfern angeblinkt. Daraufhin habe dessen Fahrer jedoch die Frontscheinwerfer seines Autos ausgeschaltet und die Geschwindigkeit erhöht. Die Soldaten hätten Warnschüsse abgefeuert, worauf das fremde Fahrzeug weiter beschleunigt habe. Nachdem es nicht gelungen sei, dieses durch weitere Schüsse wirksam zu beschädigen, habe man schließlich den Innenraum beschossen.

Nachdem die US-Soldaten den Bus bei Kandahar mit ihren Salven durchsiebt hatten, war ebenfalls von einer sorgsam gestaffelten Abfolge der Warnsignale die Rede, mit der man das rasch näherkommende Fahrzeug unbekannter Identität jedoch nicht aufhalten konnte. Erst dann seien Warnschüsse abgegeben worden, bis man zuletzt gezielt geschossen habe. Der überlebende Fahrer und ein Passagier berichteten hingegen, man habe sich etwa 60 Meter hinter dem Konvoi befunden und dazu angesetzt, einem zweiten, nachfolgenden Platz zu machen, als man ohne Vorwarnung von vorn beschossen worden sei.

Wer wollte angesichts mutmaßlicher Vertuschungsversuche der Besatzungstruppen dieses Ausmaßes ihrer jüngsten Version Glauben schenken! Grundsätzlich bleibt anzumerken, daß diese und andere Zwischenfälle mit tödlichen Folgen für die afghanische Bevölkerung eine zwangsläufige Folge des Okkupationsregimes sind, das im Kampf gegen den wachsenden Widerstand den Finger am Abzug hat. Von Bombardements, Schüssen von Konvois und Straßenposten, nächtlichen Überfällen durch Spezialkommandos, Offensiven zur "Säuberung" größerer Gebiete, Verhaftung und Folter bedroht, schwinden denkbare Gründe der Bevölkerung, nicht den Rückzug der ausländischen Invasoren zu ersehnen.

21. April 2010