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KRIEG/1474: Rüstungsschmiede - Deutsche Wertarbeit für die Front (SB)



Daß Militärmacht und Wirtschaftsstärke unzertrennliche Geschwister sind, lehrt die deutsche Geschichte. Dies zu verstehen, bedarf es keiner Bundespräsidenten, Bundeskanzlerinnen und Verteidigungsminister, die den Auftrag der Bundeswehr, im Dienst deutscher Wirtschaftsinteressen Krieg an fernen Schauplätzen zu führen, unverblümt aussprechen, als sei Wahrheitsliebe aus Politikermund eine außergewöhnliche Leistung, auf die man stolz sein könne. Apropos Stolz: Mit unverhohlener Anerkennung lobt man die Kompetenz und Tugenden deutscher Soldaten im Kriegseinsatz am Hindukusch, bangt mit ihnen um ihr Leib- und Seelenheil, ist gerade am bevorstehenden Weihnachtsfest in Gedanken bei ihnen und ihren Angehörigen in der Heimat, hofft, daß sie die verschlagenen Afghanen vor der Mündung ihrer Waffen lehren, was deutsche Wertarbeit ist.

Jetzt, da es gilt, Schützengraben und Heimatfront unverbrüchlich zusammenzuschweißen, damit das soldatische Opfer nicht vom Dolchstoß uneinsichtiger Kriegsmüdigkeit hinterrücks gemeuchelt wird, sollte es recht und billig sein, auch das Licht der deutschen Rüstungsschmieden nicht länger unter den Scheffel falscher Rücksichtnahme zu stellen. Wer um den Lorbeer des Exportweltmeisters ringt, aber schamhaft verschweigen muß, wie heißbegehrt Kriegswaffen aus deutscher Produktion in aller Welt sind, bindet sich selbst die Hände im ambitionierten Armdrücken mit der Konkurrenz, die bekanntlich niemals schläft.

Zwei entfesselte Weltkriege sollten gut 65 Jahre nach Ende des letzten Schnee von gestern sein, was die von den Siegermächten aufgezwungene Übernahme der Alleinschuld betrifft. Schließlich hat die Bundesrepublik eindrucksvoll Friedensliebe, Freiheit und Fleiß unter Beweis gestellt, vor allem aber die Lehre aus der Geschichte gezogen, daß man im Windschatten des größten Räubers fürs erste besser fährt, als selber den Hauptmannsrang für sich zu reklamieren. Unter Sorgenfalten hat man sich wiederbewaffnet und aus Dankbarkeit der Schutzmacht Vasallentreue gelobt. Spät erst ließ man deutsche Soldaten wieder fremden Boden betreten, um dort für Ordnung zu sorgen, weil die Einheimischen dazu nicht in der Lage sind. Mordanschläge der Unbelehrbaren und Fortschrittsfeinde sind der saure Lohn, auf die Rücksicht zu nehmen nicht länger geboten ist. Wenngleich diesmal keine Uhrzeit mitgeliefert wurde, von der an zurückgeschossen wird, darf man doch mit Genugtuung davon ausgehen, daß dem Taliban deutsche Kugeln nur so um die Ohren fliegen.

Damit der Bundeswehrsoldat im Zweifelsfall Gewehr bei Fuß stehen kann, legen sich hiesige Rüstungsunternehmen ins Zeug, ohne Aufhebens von ihren weltweit geschätzten Produkten zu machen. G36-Sturmgewehre von Heckler & Koch, so hört man, sollen westlicherseits das Feinste sein, was man Soldaten und Polizisten in die Hand geben kann. Das bezeugt unter anderem das Dankesschreiben einer mexikanischen Polizeibehörde für die G36-Vorführung in der Unruheprovinz Jalisco an die Oberndorfer Firma, das dummerweise der Staatsanwaltschaft Stuttgart zugespielt worden ist. Die ließ soeben die Geschäftsräume des größten Gewehrherstellers Europas durchsuchen und diverse Unterlagen beschlagnahmen, da das Rüstungsunternehmen illegal Waffen nach Mexiko geliefert haben soll. Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz? Noch bestreitet Heckler & Koch die Vorwürfe, G36-Sturmgewehre widerrechtlich in die mexikanischen Unruheprovinzen Chiapas, Chihuahua, Jalisco und Guerrero geliefert und dort Polizeien an den Waffen ausgebildet zu haben. Die Sturmgewehre habe man legal an die staatliche Behörde für Rüstungsimporte D.C.A.M. nach Mexiko-Stadt verbracht. [1]

Was kann denn der deutsche Hersteller dafür, daß die mexikanischen Sicherheitskräfte auf ihre hungerleidenden Landsleute schießen und sich im effektiven Gebrauch der Waffe einweisen lassen wollen? Hierzulande hätte kein Hahn danach gekräht, fühlten sich nicht vaterlandslose Gesellen von der Deutschen Friedensgesellschaft befleißigt, als Nestbeschmutzer ehrbaren und anerkannt soliden Gewehrfabrikanten ans Zeug zu flicken. Abgesehen von der Firma Heckler & Koch, die als Produzent von Kleinwaffen schon des öfteren Ermittlungsbedarf für den Staatsanwalt geschaffen hat, verhält sich die deutsche Rüstungsindustrie doch überwiegend gesetzestreu, weshalb illegaler Waffenhandel bezogen auf deutsche Firmen kaum ins Gewicht fällt. [2]

Damit das so bleibt und möglichst wenig im Trüben deutscher Rüstungsexporte gefischt wird, ziehen es Bundesregierungen traditionell vor, darüber Stillschweigen zu wahren. Daß die Regierung überhaupt einen jährlichen Bericht (Rüstungsstandort Deutschland) vorlegt, geht auf eine Kampagne des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) und kirchlicher Gruppen zurück. Nach ihrem Einzug in den Bundestag hatten die Grünen - man höre und staune - diese Kampagne mit Hunderten Anfragen unterstützt, die dem Bundeswirtschaftsministerium einheizten und die damalige Regierung Kohl veranlaßten, zähneknirschend für etwas mehr Transparenz im Rüstungsexport zu sorgen. Wie zögernd und bremsend das nach wie vor geschieht, zeigt der Umstand, daß der Bericht für 2009 erst im Dezember 2010 veröffentlicht worden ist und zudem Angaben zu gewährten Ausfallbürgschaften für Waffenausfuhren vermissen läßt. Die beliefen sich im letzten Jahr auf 1,9 Milliarden Euro und belegen, in welchem Ausmaß Waffengeschäfte durch staatliche Absicherung gefördert werden.

Nachlesen kann man nun, wer im vergangenen Jahr welche Waffen zu welchen Preisen erhalten hat. Genehmigt wurden Panzer und andere Landfahrzeuge, Flugzeuge und Flugkörper, Raketen, Bordausrüstung und Fallschirme, Bodenüberwachungsradar und Feuerleiteinrichtungen, Kommunikationsausrüstung und Breitbandpeiler, Seeminenräumgeräte und nicht zu vergessen kleine und leichte Waffen in hoher Zahl. Bedeutendste Empfängerländer waren Ägypten, Kolumbien und Pakistan, der Anteil der Entwicklungsländer in der Kundschaft stieg deutlich an. Die deutsche Rüstungsfertigung liefert nicht nur komplette Waffensysteme, sondern führt insbesondere Komponenten an Hersteller in anderen Ländern aus, die ihrerseits Waffen exportieren, und vergibt in beträchtlichem Umfang Exportlizenzen. Auch an der Modernisierung und Steigerung des Kampfwertes bereits vorhandener Waffenarsenale sind hiesige Unternehmen beteiligt. Sammelausfuhrgenehmigungen mit einer mehrjährigen Geltungsdauer verschleiern zudem die tatsächliche Höhe der Jahresbilanz.

Von einer Beschränkung der Rüstungsexporte kann also hierzulande keine Rede sein. Deutschland ist Europameister bei der Ausfuhr von Kriegsgerät und liegt weltweit hinter den USA und Rußland auf dem dritten Platz. Wenngleich die Grünen im Bundestag die Waffenexporte kritisieren, haben sie sich doch schon vor Jahren in die vorderste Front der Kriegsparteien eingereiht. So bleibt es denn der Linkspartei vorbehalten, glaubwürdig gegen die "menschenverachtende Genehmigungspraxis" zu Felde zu ziehen und einen "sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte" und des "Transfers von Rüstungstechnologie" zu fordern.

Als die Kohl-Regierung unter dem Trommelfeuer parlamentarischer Anfragen erklärte, "Angaben zu Rüstungsexporten vertragen aus politischen Gründen - wie auch die Praxis anderer Länder zeigt - nur ein begrenztes Maß an Publizität", schwang im Beharren auf einem Grundbestand an Geheimhaltung noch ein gerütteltes Maß an Rechtfertigungsbedarf mit. Den Bundesbürgern tunlichst vorzuenthalten, wie man den reißenden Absatz deutscher Rüstungsgüter mit administrativen Schmiermitteln flüssig hält, dürfte in naher Zukunft als Deckmantel ausgedient haben. Zurückhaltung ist nicht länger gefragt, wenn allenthalben mit geschwellter Brust erörtert wird, daß "unsere Soldaten" ihren "schweren Job" nur mit dem allerbesten Gerät verantwortungsvoll und effektiv erfüllen können. Das aber stammt nun einmal aus hochwertiger deutscher Produktion, weshalb man das Blitzen stahlglänzenden Kriegsgeräts nicht länger unter dem Tarnnetz rechtsstaatlichen Zauderns verbergen muß. Hat man die deutsche Kriegsbeteiligung erst einmal auf breiter Front legalisiert, sollte der Beitrag hiesiger Waffenschmieden zur Sicherung unserer gefüllten Fleischtöpfe nicht minder offene Anerkennung finden.

Wie man unverbesserlichen Friedensfreunden über den Mund fährt, hat seinerzeit schon Franz Josef Strauß vorexerziert. In einem Interview mit seinen Intimfeinden vom "Spiegel" im Juli 1978 kritisierte der damalige Oppositionspolitiker die Afrika-Politik der Regierung Schmidt. Auf die Frage, ob er nichts von dem Prinzip der Bonner Regierung halte, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern, polterte Strauß:

"Dies ist auch so eine der oberflächlichen Kitschformeln, die nicht dadurch besser wird, daß sie schon von CDU/CSU-Regierungen vorfabriziert worden ist. Ich verstehe überhaupt nicht, was Waffen in Nicht-Spannungsgebieten verloren haben." [3]

Anmerkungen:

[1] Razzia wegen Waffenexporten nach Mexiko. Rüstungskonzern Heckler & Koch durchsucht. Affäre um mutmaßlich illegale Waffenlieferungen in mexikanische Unruhegebiete zieht immer weitere Kreise (22.12.10)
amerika21.de

[2] Waffen als Exportfaktor. Deutschland ist und bleibt auch weiterhin einer der größten Waffenexporteure (21.12.10)
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33878/1.html

[3] CSU-Chef Franz Josef Strauß über Bonns Afrika-Politik und die Zukunft des Schwarzen Kontinents. Das ist doch wahrlich schwarzer Humor (17.07.78)
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40942726.html

23. Dezember 2010