Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

KRIEG/1554: Westliche Kriegsherrn vertagen Angriff auf den Iran (SB)



Der Angriffskrieg gegen den Iran ist für die westlichen Mächte beschlossene Sache. Die Ära prinzipieller moralischer Skrupel und humanitären Zögerns gehört endgültig einer Vergangenheit an, in der die Hunde des Krieges niemals eingesperrt, doch dann und wann gezügelt werden mußten. Ein forscher Waffengang ist längst positiv konnotiert, wird er doch wahlweise wegen frei erfundenen respektive maßlos übertriebenen Massenvernichtungswaffen, Genoziden oder Menschenrechtsverletzungen vom Zaun gebrochen. Daß der Stärkere stets recht hat, liegt in der Natur der Sache, weshalb allenfalls die Kaltschnäuzigkeit überraschen kann, mit der die Vor- und Nachteile eines sofortigen oder späteren Losschlagens in aller Öffentlichkeit diskutiert werden.

Empört beschwerten sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak beim nationalen Sicherheitsberater im Weißen Haus, Tom Donilon, über Äußerungen von US-Generalstabschef Martin Dempsey und anderen Militärexperten, die laut über ihre Zweifel an der militärischen Fähigkeit Israels zu einem Angriff auf iranische Atomanlagen nachgedacht hatten. Dempsey hatte in einem CNN-Interview zu bedenken gegeben, daß ein israelischer Angriff "destabilisierend" wäre, weshalb es "zu diesem Zeitpunkt nicht weise" sei, den Iran anzugreifen. Dem hielten namentlich nicht genannte Vertreter Israels entgegen, wer Israels Angriffsfähigkeit infrage stelle, verringere den Druck auf den Iran und erhöhe damit letztlich die Gefahr, daß es tatsächlich zu einem Krieg kommen könne. [1]

Den Verbündeten vor aller Augen an die Kandare zu nehmen und von einem Alleingang abzuhalten, dient verschiedenen Zwecken, von denen eine berechtigte Sorge um ein unabgesprochenes Vorpreschen Israels die geringste sein dürfte. Einschüchterung des Irans steht an erster Stelle, gefolgt von unablässigem Trommelfeuer an der Heimatfront, die dem nächsten Krieg noch skeptisch gegenübersteht, sind doch die vorangegangenen noch nicht einmal beendet. Ein Artikel der New York Times, in dem die Erfolgschancen eines israelischen Angriffs für gering erachtet wurden, hausierte mit Zahlen benötigter Flugzeuge und Einschätzungen erforderlicher Waffen, die den Laienstrategen in der Leserschaft neues Futter gaben. Wer am Stammtisch beim Kriegshandwerk mitreden zu können glaubt, wird gegen den Krieg als solchen um so weniger einzuwenden haben.

Sind die bunkerbrechenden Bomben der Israelis aus US-amerikanischer Produktion gewaltig genug, um in die tiefsten unterirdischen Schutzanlagen des Irans vorzudringen oder sollen noch wirksamere geliefert werden, damit nichts schiefgehen kann? Unverhohlener hat man Angriffspläne wohl nie zuvor diskutiert, wobei die umgehende Entwarnung, noch sei es nicht soweit, der Selbstherrlichkeit hiesiger Kriegsherrn die Krone aufsetzt. So ließen Vertreter westlicher Geheimdienste wissen, daß es ihrer Einschätzung nach während des US-Wahlkampfs "auf keinen Fall" einen Angriff Israels geben wird. Man habe Präsident Barack Obama mit Brief und Siegel versichert, daß man bis zum Wahltermin am 6. November den stärksten Verbündeten nicht in ein Dilemma hineinziehen werde, ließ in Tel Aviv ein Angehöriger des israelischen Geheimdienstes Mossad wissen: "Was danach kommt, wird sich zeigen." Führende Politiker arabischer Länder hätten versichert, daß sie Israel dankbar wären, wenn die iranische Gefahr gebannt werden könnte.

Daß sich die Iraner glücklich schätzen dürfen, weil die Wahlchancen des amtierenden US-Präsidenten vorerst für wichtiger als ihr Leben und ihre Zukunft erachtet werden, ist ein Signal hemmungsloser Allmachtsphantasien, die selbst den Bundesnachrichtendienst die Stirn runzeln lassen. Die Mitteilungen gäben Anlaß zu größter Sorge, hieß es wortkarg nach dem Besuch Verteidigungsminister Thomas de Maizières in Washington, der dort ausdrücklich an Israel appelliert haben soll, auf einen Militärschlag gegen den Iran zu verzichten.

Da kommt die Meldung gerade recht, daß im Kieler Hafen soeben das größte U-Boot zu Wasser gelassen wurde, das in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden ist. Bei dem 68 Meter langen Riesen handelt es sich offenbar um das erste Exemplar der zweiten Generation der Dolphin-Klasse für Israel. Es gehört zu den weltweit modernsten Systemen und soll in der Lage sein, auch Atomwaffen einzusetzen. Um die Jahrtausendwende hatte Israel bereits drei Boote der Dolphin-Klasse erhalten, zwei Exemplare der zweiten Generation sollen bis 2013 geliefert werden. Die Lieferung eines dritten U-Bootes ist zwischen Deutschland und Israel vereinbart worden, wobei ein Drittel des Preises vom deutschen Steuerzahler bezahlt wird. [2]

Der Bundesbürger wird gar nicht erst gefragt, was er von dieser Form potentieller Kriegsbeteiligung hält. Aus deutscher Sicht sind gute Geschäfte mit Ländern wie Israel, Saudi-Arabien und selbst dem Iran unter dem Strich verlockender als die Beteiligung an einem Angriffskrieg von unabsehbaren und überaus kostspieligen Konsequenzen. Ohnehin sind die Deutschen besser darin, Waffen zu bauen und zu verkaufen, als selber in vorderster Front Krieg zu führen, solange ihnen die Restbewältigung historischer Weltherrschaftsambitionen noch wie ein Klotz am Bein hängt. Dabeisein ist alles, heißt es so oder so bei der Durchsetzung einer neuen Weltordnung, in deren Verlauf Milliarden Menschen auf der Strecke bleiben werden und der Kreis der Sieger drastisch reduziert werden soll.

Fußnoten:

[1] http://www.welt.de/politik/ausland/article13878901/Nicht-stark-genug-Zweifel-der-USA-veraergern-Israel.html

[2] http://www.n-tv.de/politik/Israel-hofft-auf-Super-U-Boot-article5550456.html

21. Februar 2012