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KRIEG/1667: Trump sei Dank - Schmierseife deutscher Aufrüstung (SB)



Unverhohlener hätten die hegemonialen Ambitionen deutscher Eliten kaum plaziert werden können. Bezeichnenderweise war es Ursula von der Leyen, die sich als erstes Mitglied der Bundesregierung zu Donald Trumps Wahlerfolg geäußert hat. Die Verteidigungsministerin zeigte sich "schwer schockiert", erwartet große Herausforderungen und kündigt den Europäern an, sie müßten sich "jetzt mit den Realitäten auseinandersetzen". [1] "Auch wir Europäer wissen natürlich als Bündnispartner in der Nato, dass Donald Trump als Präsident fragen wird, was leistet Ihr im Bündnis", sagte die CDU-Politikerin in der ARD. "Aber auch wir fragen, wie steht Ihr zum Bündnis?" [2] Dabei ist die Rhetorik des republikanischen Präsidentschaftskandidaten im Wahlkampf, die Europäer müßten künftig mehr für ihre Sicherheit tun, Wasser auf die Mühlen langgehegter strategischer Entwürfe, Deutschlands ökonomische, politische und zunehmend auch militärische Führerschaft weit über die europäische Sphäre hinaus geltend zu machen. So räumt die Ministerin denn auch unverblümt ein, es habe sich unabhängig vom Wahlausgang in den USA bereits eine größere Eigenverantwortung in der Sicherheitspolitik abgezeichnet. "Europa muss sich darauf einstellen, dass es besser selber vorsorgt", sagte von der Leyen. Dazu gehöre auch ein höheres Verteidigungsbudget.

Nachdem die Verteidigungsministerin das Signal gesetzt hatte, man werde die ohnehin geplante Aufrüstung nun um so energischer vorantreiben, hob die Kanzlerin zu einem bemerkenswert fordernden Rundumschlag an. Sie brauchte nicht mehr als 120 Sekunden, um dem nächsten US-Präsidenten einen Schulterschluß anzubieten, der unübersehbar von selbstbewußt formulierten deutschen Interessen geprägt ist. "Wer dieses große Land regiert, mit seiner gewaltigen wirtschaftlichen Stärke, seinem militärischen Potenzial, seiner kulturellen Prägekraft, der trägt Verantwortung, die beinahe überall auf der Welt zu spüren ist", nahm Merkel den künftigen Herrn im Weißen Haus in die Pflicht. Dann erinnerte sie Trump an die Grundwerte "Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung", womit sie dem Amtsnachfolger Obamas klarmachte, daß er das ideologische Arsenal interventionistischer Vorherrschaft nicht leichtfertig entlarven dürfe. "Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an", [3] unterstrich die Kanzlerin, welch prägende Rolle deutsche Regierungspolitik im westlichen Bündnis für sich reklamiert.

Der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck ist natürlich mit im Boot, wenn zur Offensive auf großer Bühne geblasen wird. Er beschwört die enge Verbindung zu den USA, stellt den Bundesbürgern aber zugleich heftige Turbulenzen in Aussicht, die erfolgreich abzuwettern nur auf eine Weise möglich sei: "Ich gehe davon aus, dass Europa zur Bewahrung und zur Verteidigung seiner universellen Werte doch mehr Verantwortung übernehmen wird." Außenminister Frank-Walter Steinmeier, dem (noch) nicht der pastorale Segen, wohl aber die diplomatische Grob- und Feinabstimmung des deutschen Kurshaltens in schwerer See obliegt, spart nicht mit Schelte an die Adresse des vermeintlichen Laiendarstellers in Sachen kühl-technokratischen Strippenziehens: "Ich will nichts schön reden. Nichts wird einfacher, vieles wird schwieriger", so Steinmeier. Die US-Außenpolitik werde "für uns in der nächsten Zeit weniger vorhersehbar sein".

Schon auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 hatte der deutsche Außenminister imperialistischen Klartext geredet: "Deutschland muss bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und substanzieller einzubringen." Es sei schlicht "zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren". [4] Wie im Strategiepapier "Neue Macht. Neue Verantwortung" (2013) und im "Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr" (2016) nachzulesen ist, sollen deutsche Interessen Zug um Zug die Lücken in Afrika wie auch im Nahen und Mittleren Osten schließen, die der tendenzielle Rückzug der USA hinterläßt, die sich im pazifischen Raum auf die Einkesselung Chinas konzentrieren. Der angestrebte Aufstieg zum neuen Hegemon im europäischen Umfeld, der unvermeidlich auf eine Konfrontation mit Rußland hinausläuft, ist für hiesige Herrschaftsinteressen ein höchst komplexer und schwer auszusteuernder Vorgang. Zum einen soll die Wachablösung möglichst nahtlos vorangetrieben werden, zum anderen sorgen partielle, aber an Schärfe zunehmende Interessenkonflikte mit Washington für Unwuchten, die das ambitionierte Berliner Vorhaben des öfteren schlingern lassen und aus der Bahn zu werfen drohen. Derzeit gleicht die Bundesrepublik einem Juniorpartner der USA, der jedoch eigenständige Absichten verfolgt und aus dem Windschatten heraustritt. Weder darf die US-Politik in dieser kritischen Phase des Übergangs unvermittelt umsteuern, noch die deutsche Expansion mit Widerständen konfrontiert werden, die ihre aktuellen Potentiale überfordern.

Im Vorfeld des Urnengangs in den USA hatte die regierungsnahe deutsche Denkfabrik "Stiftung Wissenschaft und Politik" (SWP) unter dem Titel "Auch ohne Trump wird vieles anders" eine aggressivere deutsche und europäische Außenpolitik gefordert, die bereit ist, ihre ökonomischen und geopolitischen Ziele unabhängig von den USA und notfalls auch gegen sie durchzusetzen, und dies unabhängig vom Ausgang der Wahl. Auch das unterstreicht, daß der Ruf nach militärischer Eigenständigkeit keineswegs erst in Reaktion auf den Erfolg Donald Trumps laut geworden ist, sondern sich des extremen Spektakels bedient, um der ideologischen und materiellen Aufrüstung die Sporen zu geben. Die Fokussierung auf den beispiellosen Wahlkampf und die weitverbreitete Weltuntergangsstimmung nach dem zuletzt unerwarteten Sieg des Republikaners machen die Forderung leichtgängiger denn je, die deutsche Militarisierung müsse forsch vorangetrieben werden, da man sich auf niemanden mehr verlassen könne.

Angesichts der Historie deutschen Großmachstrebens und einer sozial drangsalierten Bevölkerung war die seit langem angestrebte Aufstockung militärischer Potentiale bislang ein heißes Eisen, das eines sukzessiven Schmiedevorgangs bedurfte. Mit 1,19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt der Rüstungsetat der Bundesrepublik deutlich unter dem NATO-Limit von zwei Prozent, das 2002 festgelegt worden war. Noch gibt London in Relation zum BIP doppelt und Washington dreimal soviel für seine in Stellung gebrachte und exekutierte Kriegsführung aus. Das soll nun anders werden, was sich Trump sei Dank beflügeln lassen dürfte.


Fußnoten:

[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/us-wahl-2016-ursula-von-der-leyen-ist-schwer-schockiert-ueber-trumps-erfolg-a-1120421.html

[2] http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/9400390/fuer-von-der-leyen-ein--schwerer-schock-.html

[3] ww.stern.de/news/merkel-bietet-trump-zusammenarbeit-anund-mahnt-zur-achtung-von-grundwerten-7142322.html

[4] https://www.wsws.org/de/articles/2016/11/09/mili-n09.html

10. November 2016


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