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INTERVENTION/016: Zentralafrikanische Republik - Ruf nach Aufstellung einer UN-Friedenstruppe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2013

Zentralafrikanische Republik - Ruf nach Aufstellung einer UN-Friedenstruppe

Von Samuel Oakford


Bild: © hdptcar/cc by 2.0

Rebell im Norden der Zentralafrikanischen Republik
Bild: © hdptcar/cc by 2.0

New York, 26. November (IPS) - Angesichts der Gefahr, dass sich die Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) zu einem Völkermord ausweitet, will sich die ehemalige Kolonialmacht Frankreich um die Zusammenstellung einer UN-Friedenstruppe bemühen.

Wie der französische Außenminister Laurent Fabius am 25. November erklärte, wird Frankreich sein Truppenkontingent um 1.200 Mann aufstocken. In der ZAR sind zudem 2.500 afrikanische Soldaten stationiert, die jedoch mit den zunehmend anarchischen Verhältnissen vor Ort überfordert sind. Fabius hatte bereits im letzten Monat gewarnt, dass sich die ZAR auf einen Völkermord hinbewege.

"Sowohl in der Hauptstadt Bangui als auch im Rest des Landes fehlt es an staatlichen Sicherheitskräften", berichtete Thierry Vircoulon, Leiter des Zentral-Afrika-Projekts des Konfliktforschungsinstituts 'International Crisis Group' (ICG). "Die Menschen sind vollständig auf sich gestellt. Und Hilfe kommt nur von den Kirchen."

Seit dem Ausbruch der Kämpfe vor fast zwei Jahren sind 400.000 Menschen der ZAR im Land auf der Flucht. Im März nahm 'Séléka', eine lose Koalition aus Rebellengruppen aus dem muslimischen Norden, die Hauptstadt ein und vertrieb den Präsidenten François Bozizé ins Ausland. Ihm werfen die Milizen vor, sich nicht an ein Friedensabkommen gehalten zu haben.

Der Rebellenführer Michel Djotodia wurde zum Präsidenten der ZAR ernannt. Er ist das erste muslimische Staatsoberhaupt des Landes. Seine Ankündigung im September, Séléka aufzulösen, hatte seine ehemaligen Mitstreiter erzürnt, die auf die Entscheidung mit einer neuen Serie von Plünderungen und Gewalt reagierten. Laut 'Amnesty International' hat sich die Zahl derjenigen, die sich selbst als Séléka-Kämpfer bezeichnen, seit dem Sturz von Bozizé auf 20.000 vervierfacht.


Gezielte Morde an Zivilisten

Die Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) warf einem Séléka-Kommandanten am 25. November vor, bei einem Angriff auf Camp Bangui am 10. November vorsätzlich Zivilisten ermordet zu haben. "Derartige Anschläge auf dicht besiedelte Gebiete verursachen umfangreiche Zerstörungen und ein Klima der Angst in der Bevölkerung", kritisierte der Afrika-Direktor von HRW, Daniel Bekele.

Die USA haben für die Verstärkung der afrikanischen Truppe, die sich seit Monaten in Bangui verschanzt, 40 Millionen US-Dollar zugesagt. Die Internationale Unterstützungsmission für die Zentralafrikanische Republik (MISCA) ist zwar bereit, die Zahl der Soldaten von derzeit 2.500 auf 3.600 zu erhöhen, doch werden diese nach Ansicht regionaler politischer Führer ohne die Zustimmung zu einer UN-Friedensmission wenig ausrichten können.

Nach dem internen Bericht, in dem sich die Vereinten Nationen kritisch mit ihrer eigenen Tatenlosigkeit während der letzten Monate des srilankischen Bürgerkrieges auseinandersetzen, gilt die Antwort der Weltorganisation auf die Krise in der ZAR als eine Bewährungsprobe der UN, rasch und entschlossen genug zu handeln, um einen Völkermord zu verhindern.

Jüngsten Berichten zufolge mehren sich Angriffe auf Moscheen und Kirchen. Muslime, die Séléka dominieren, sind in der ZAR mit einem Anteil von 15 Prozent in der Minderheit. UN-Vizegeneralsekretär Jan Eliasson zufolge ist der Konflikt das Ergebnis einer jahrelangen Marginalisierung und Diskriminierung der Muslime im Nordwesten des Landes.

Berichten zufolge gibt es innerhalb der Séléka Akteure, die weder Songo noch Französisch sprechen. Dies legt nahe, dass diese Kämpfer aus Nachbarländern wie dem Sudan oder Tschad kommen.

In vielen Teilen des Landes organisieren die Mitglieder der christlichen Gemeinschaft den Aufbau eigener Schutztruppen, die als 'anti-balaka' oder auch 'Anti-Macheten' bekannt sind. "In den letzten Tagen ist es zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen Séléka und der Bevölkerung gekommen", berichtete Vircoulon gegenüber IPS. Die afrikanischen Friedenstruppen seien ohnmächtig gewesen und hätten sich zurückgezogen.

Auch wenn die ZAR auf eine lange Geschichte von Rebellionen und Putschen zurückblicken kann, spielte Religion in dem Land anders als in anderen Sahelstaaten keine Rolle. "Wir haben es hier nicht mit einem religiös motivierten Konflikt zu tun", bestätigte Phillip Bolopion, der bei HRW für die Vereinten Nationen zuständig ist.


6.000 Kindersoldaten

Doch während die Kämpfe zunehmen, werden immer mehr junge Menschen in den Konflikt hineingezogen. Das Weltkinderhilfswerk UNICEF schätzt die Zahl der Kindersoldaten auf beiden Seiten auf insgesamt 6.000. Wie Eliasson vor dem UN-Menschenrechtsrat erklärte, übersteige das Leid "jede Vorstellungskraft". Er forderte die UN dazu auf, zu handeln, um weitere Gräuel zu verhindern.

Details über die Auswirkungen der Kämpfe in der Zentralafrikanischen Republik, wo Hilfsorganisationen dünn gesät sind, gelangen kaum an die internationale Öffentlichkeit. Bekannt ist, dass tausende Menschen aus den größeren Städten in den Busch geflohen sind, wo sie der Malaria ausgesetzt sind und an den Folgen von Durchfall sterben. Erwartet wird, dass bis zur Wiederherstellung der staatlichen Ordnung Menschen in Massen verenden werden. "Ein Teil des Problems ist, dass wir zu wenig wissen", erklärte Bolopion gegenüber IPS.

In der vorletzten Novemberwoche hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon seine Unterstützung für eine 6.000 Mann starke Friedenstruppe für die ZAR zugesagt. Doch der französische UN-Vertreter Gérard Araud erklärte gegenüber Journalisten, dass das UN-Generalsekretariat bis zu drei Monate brauchen werde, um einen Aktionsplan auf die Beine zu stellen, und somit frühestens ab März mit einer Friedenstruppe gerechnet werden könne.

Angesichts einer solch langen Zeitspanne stellt sich für viele die Frage, wie sich Frankreich knapp ein Jahr nach seiner Militärintervention in Mali verhalten wird. Dort hatten die französischen Soldaten Extremisten vertrieben, die im Norden Malis einen De-Facto-Staat errichtet hatten. (Ende/IPS/kb/2013)


Link:
http://www.ipsnews.net/2013/11/calls-mount-u-n-force-central-african- republic/

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IPS-Tagesdienst vom 26. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2013