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STANDPUNKT/037: Besetzte Westsahara - "Marokko raus!" - Eine Intifada am Ende der Welt (Tlaxcala)


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Besetzte Westsahara: "Marokko raus!" - Eine Intifada am Ende der Welt

Von Fausto Giudice, 11.11.2011
Übersetzt von Hergen Matussik


Es reicht, die Videos anzusehen, die über die über die von den Besatzungstruppen errichtete Mauer aus Stahl zu uns gelangt sind um überzeugt zu sein, daß in der von Marokko besetzten Westsahara eine Intifada im Gange ist.

Wie im Palästina des Jahres 1987 sind die Protagonisten des Protestes die Chebeb - die Jugendlichen - und die Frauen. Es gibt nur einen Kampfruf, der von den Barrikaden der Aufrührer erklingt: "Marokko raus!" Daß der Ruf auf Spanisch erklingt, liegt daran, daß diese Sprache diejenige ist, in der sie mit der übrigen Welt - also mit uns - kommunizieren.

Vor ein paar Tagen hat die Bande von Schurken, die Makhzen (*) genannt werden, also der Machtapparat von Zaunkönig Mohammed VI. den Beweis für ihren unübertrefflichen Zynismus geliefert, der so sehr an die Chuzpe ihrer Freunde, Verbündeten und Komplizen in Tel Aviv erinnert: Man stimmte der soundsovielten Verhandlungsrunde mit der Polisario Befreiungsfront in New York zu, um auf diese ganz eigene Weise den 35. Jahrestag des fragwürdigen Grünen Marsches zu feiern. Schwarzer Marsch wäre wohl der bessere Name für den Beginn der Besatzung der Westsahara durch Marokko.

Vor dem Morgengrauen (des 8. November) überfielen die Besatzer das Lager von Gdeim Izik, wo sich zehntausende von Sahrauis versammelt hatten, um kundzutun, daß sie die Besatzung satt haben. Die Kräfte der Repression handelten mit jener Barbarei, die entfesselt wird, wenn die Täter wissen, daß sie keine Sanktionen zu fürchten haben: die Gemeinschaft der Regierungen der westlichen Demokratien, geführt von USA, Spanien und Frankreich unterstützen bedingungslos die illegale Besatzung der Westsahara, eine Besatzung die zunehmend der Besatzung Palästinas ähnelt.

Dort nahmen die Zionisten Ben Gurions den Platz des britischen Imperiums ein und besetzten das Land im Namen von angeblich in der Bibel verankerten historischen Rechten. Hier löste Marokko unter Hassan II. die Spanier ab, nach dem Tod des Caudillo und im Namen der "historischen Zugehörigkeit" des Gebietes zu Marokko.

Dort instrumentalisierten die Zionisten das von den Juden in Europa erlittene Unrecht und das schlechte Gewissen der Alliierten. Hie machte sich der Makhzen die Armut der Massen Marokkos zunutze um sie für ein Abenteuer zu gewinnen, von dem sie sich eine bessere Zukunft erhofften, wobei er darauf zählen konnte, daß die Linke im Land von den Machthabern derart terrorisiert war, das sie alle seine Schurkereien unterstützte, um ein paar Krümel von der Macht, Ehrungen und einen schwarzen Mercedes abzubekommen.

Die Intifada der Palästinenser war eine Bewegung der Basis und begann weit weg von Tunis, wo sich damals das Quartier der PLO und ihres Führers Arafat nach der Flucht aus Beirut 1982 befand. Im weiteren Verlauf der Bewegung versuchten die "Vertreter" des palästinensischen Volkes die Kontrolle zurückzugewinnen, den sich selbst tragenden Aufstand zu kanalisieren und vor allem ihn zu nutzen, um mit den Zionisten über die Pfründe zu verhandeln. Das Ergebnis ist bekannt und enthält nichts Rühmliches für die "Vertreter" der Palästinenser.

Die Polisario Befreiungsfront, die noch nicht den Grad von Korruption und Degeneration der PLO von Mahmut Abbas erreicht hat, ist zwischen Tindouf, Algier und New York ebenso weit von der Wirklichkeit der Besatzung und des Befreiungskampfes entfernt wie jene. Ihr fehlen die Mittel um die Bevölkerung, die sich gegenwärtig in den besetzten Gebieten erhebt, wirksam zu unterstützen. Damit bleibt ihr nur, "auf eigene Stärke zu setzen und gleichzeitig internationale Hilfe zu suchen", um es mit den gleichen Worten zu sagen, die die Vietnamesen während des Krieges gegen die Besatzung durch die Yankees benutzten.


Was können wir für die Sahrauis in ihrem Aufstand tun?

Wir können wenigstens uns und unsere Umgebung informieren, da sich die privaten Medien des Planeten anscheinend in ihrer Mehrheit vollständig dem Diktat des Makhzen unterworfen haben, der jede direkte Berichterstattung aus der Westsahara verboten hat.

Darüber hinaus können wir auch noch unsere Führer und "Repräsentanten" für ihre ausdrückliche und stillschweigende Unterstützung eines verabscheuungswürdigen Regimes zur Rede stellen.


(*) Majzen oder Makhzen (wörtlich "Magazin, Lager") war eine Bezeichnung für ehemaligen marokkanischen Beamten, (Amtsträger), welche heute für Oligarchie oder Schattenregierung verwendet wird. Die Bezeichnung ist eine Metonymie bezogen auf die Steuern, die vom Staat erhoben werden. Der Begriff stammt von mujazni, dem Polizisten des Sultans, welcher heute in abwertender Konnotation verwendet werden kann.
Zur Zeit gibt es offiziell die Funktion des Majzen nicht, jedoch wird der Begriff weiter für die herrschende Elite um den Alawiden König und der mit seiner Familie in Beziehung stehenden Unternehmen, Latifundisten, Geschäftsleute, Stammesführer leitende Offiziere und einflussreiche Personen mit faktischer Macht, verwendet.
Der Begriff wird im Zusammenhang mit der archaische Form der hermetischen Staatsführung als Gegensatz zu den formal demokratischen Institutionen Marokkos verwendet. Die Konturen der Majzen sind vage, die Regierung selbst wird nicht als Teil von Majzen, sondern als dessen Instrument betrachtet. Die Majzen kooptieren in der Regel, ihre Mitglieder mit ihren eigenen Netzen. Häufig ist die Eigenschaft des Majzen erblich.
Die Existenz von Majzen wird vielfach als Hemmnis für die Entwicklung von Marokko wahrgenommen, da sie verhindert, dass die demokratischen Institutionen wirksam funktionieren. Andererseit wird dem Majzensystem ein stabilisierender Faktor zugeschrieben, da es tief in der sozialen Geschichte Marokkos verwurzelt ist, die Kontinuität der Monarchie absichert, indem es teilweise ihre Gegner kooptiert. (wikipedia)


Quelle:
http://azls.blogspot.com/2010/11/sahara-occidental-occupe-fuera.html
Erscheinungsdatum des Originalartikels: 11/11/2010
Artikel in Tlaxcala veröffentlicht:
http://www.tlaxcala-int.org/article.asp?reference=2434


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Quelle:
Tlaxcala, das internationale Übersetzernetzwerk für sprachliche
Vielfalt
Internet: www.tlaxcala-int.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2010