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STANDPUNKT/058: Arabische Aufstände und Rolle der westlichen Staaten und Stiftungen (Queck/Falkenhagen)


Arabische Aufstände und Rolle der westlichen Staaten und Stiftungen in diesem Raum

Von Brigitte Queck und Hans-Jürgen Falkenhagen, 24. Februar 2011


Unmittelbarer Auslöser der ägyptischen Proteste, die den tunesischen folgten, war der dramatische Anstieg der Lebenshaltungskosten in diesen Ländern, die in den vergangenen Monaten um nahezu 100 Prozent angestiegen sind. Diese aber sind vor allem ein Resultat der von den USA verursachten Weltfinanzkrise. Durch das völlig ungerechte Wechselkurssystem zugunsten von Dollar und Euro wurde sozusagen die Inflation in die arabischen Staaten exportiert, indem die westlichen Länder die eigene Währung mit ihrer herabgesetzten Kaufkraft gegen Währungen mit starker Kaufkraft getauscht haben.

Volkserhebungen in diesem Raume hatten die westlichen Staaten in diesem Zusammenhang anscheinend erwartet. German Foreign Policy vom 1.2.2011 zufolge, postierten die USA bereits Ende Januar /Anfang Februar ihre im Mittelmeer operierende Flotte direkt vor den Küsten Libyens und den anderen arabischen Staaten.

Gänzlich ungeachtet der von ihnen verursachten wachsenden desolaten gesellschaftlichen Situation in diesen Ländern haben westliche Unternehmen ihre wirtschaftlichen Aktivitäten dort in den vergangenen Jahren verstärkt.
In diesem Rahmen erfolgten auf Druck des Westens überall in den arabischen Staaten (mit Ausnahme Libyens) Kürzungen im sozialen Bereich und Privatisierungen von Staatsfirmen.
Diese als "Konjunkturprogramm" deklarierten "Reformen", bei denen westliche, vor allem US-Firmen, zum Zuge kamen, ließen sich die USA allein in Algerien in ihrem derzeit aktuellen Konjunkturprogramm 286 Milliarden US-Dollar kosten, von denen 156 Milliarden US-Dollar in neue Infrastrukturprojekte Algeriens fliessen sollen. (siehe: German Foreign Policy vom 1.2. 2011 "Nutznießer der Repression")

Als Teilhaber an den Großinvestitionen im arabischem Raum partizipieren auch deutsche Firmen, so die BASF-Tochter Wintershall (Bau einer Gaspipeline von Algerien nach Italien), Siemens (Leistungen in dreistelliger Milliardenhöhe u.a. für den U-Bahn-Bau in Algier) und der deutsche Anlagenbauer Linde.
Noch lukrativer allerdings ist Deutschlands Beitrag zu den erneuerbaren Energien, die man über Solarstrom aus Nordafrika gewinnen und deren Stromüberschüsse man den europäischen Staaten zur Verfügung stellen will. Ziel ist ganz augenscheinlich, sich von den Öl- und Gasexporten aus Russland und einer eventuellen politisch-strategischen Erpressbarkeit von dort, wie sie es nennen, unabhängig zu machen. In Wirklichkeit dient auch das letztendlich amerikanischen Interessen, da ein ökonomisches und politisches Zusammengehen Deutschlands und Europas mit Russland den Weltherrschaftsplänen der USA hinderlich wäre.

Im vergangenen Jahr einigte sich die EU mit den Energieministern von Marokko, Tunesien und Algerien über den zukünftigen Import von Solarstrom aus Nordafrika. In diese Pilotprojekte, die unter dem Namen Desertec laufen, sind die Deutsche Bank, die Münchner Rück, E.ON, RWE und Siemens beteiligt.
Bis 2050 will Desertec über Solar- und Windkraftwerke fünfzehn Prozent des europäischen Strombedarfs decken. Der notwendige Flächenumfang für die Solar- und Windkraftwerke wird auf 2.500 km² geschätzt!
Deshalb sprechen algerische Experten zu Recht hier von einer weiteren Ressourcenausbeutung der arabischen Länder im neokolonialen Stil!

Dass man diese umfänglichen Großprojekte, die zudem künftig die Stromversorgung Europas sicher stellen sollen, nicht der Aufsicht der arabischen Länder allein unterstellen will, liegt auf der Hand.
So ist es denn gar nicht verwunderlich, dass Bundeskanzlerin Merkel auf der Münchener Konferenz mitteilte, man wolle mit deutschen Firmen, die die dafür entsprechende Technologie haben, "an einem Projekt zur Abschottung der algerischen Grenzen teilhaben". Ziel sei es, "Flüchtlingsströme zu unterbinden". Wie verlautet, sind EADS, Carl Zeiss sowie Rohde + Schwarz bereits im Begriff, ein Joint Venture für exakt diese Aufgabe abzuschliessen. EADS hat bereits Erfahrung mit der Abschottung von Wüstengrenzen gesammelt - in einem Projekt in Saudi-Arabien.

Bereits im Januar 2010 hat die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) eine Analyse publiziert, die eine Kooperation mit Algerien "im Sicherheitsbereich" empfiehlt, da die bisherigen westlichen Interventionen in den Wüsten Westafrikas (die Trans Sahara Counterterrorism Initiative der USA in Kooperation mit den Sahara- und Sahel-Staaten) für unzulänglich gehalten wird, künftige soziale Widerstände im arabischen und afrikanischem Raum niederzuhalten!! Als Dank für seine Kooperation soll Algerien stärker in die EU eingebunden und eine künftige Führungsrolle in diesem Raum erhalten!

Mit anderen Worten, was jetzt in Ägypten, Libyen und anderswo passiert, ist durchaus im Interesse des Westens. Es fragt sich nur, wie lange das Militär in diesen Ländern die ihnen vom Westen zugedachte Rolle mitspielt und wann es endlich, ähnlich wie damals in lateinamerikanischen Staaten wie Kuba und Venezuela und Nikaragua, aufhört, eine Lakaienrolle im Sinne westlicher Monopole einzunehmen.
Volksrevolutionen in der Geschichte konnten sich nämlich noch nie ohne Rückhalt der Militärs dieser Länder behaupten. Nur - sollten sie sich nicht übertölpeln lassen und für ihre jetzigen Herrscher eine Militärdiktatur la carte NATO eintauschen!
Das, nämlich, wäre fatal nicht nur für die Stabilität im afrikanischem Raum, sondern für den Frieden auf der ganzen Welt!

Natürlich sehen auch die westlichen Regierungsvertreter die Gefahr, dass die Volksaufstände dort durchaus auch nicht in ihrem Sinne verlaufen könnten!

In Bezug auf die gegenwärtigen Erhebungen in den arabischen Ländern empfahl der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Ischinger, eine "Doppelstrategie" im Umgang mit den Protesten in Nordafrika. Man dürfe einerseits die Kontakte zu den Regimen nicht vernachlässigen ("das realpolitisch Notwendige" tun), müsse sich andererseits aber auch um die Demonstranten bemühen ("die Demokratie fördern").
Grund dafür sei das Bemühen, unabhängig vom Ausgang der Aufstände in Nordafrika nach deren Ende auf Seiten der siegreichen Kräfte zu stehen.

Als Mittel zur Herstellung von Beziehungen zu den Demonstranten empfahl Ischinger, ein erfahrener deutscher Diplomat, die parteinahen Stiftungen. Sie könnten an der Seite der Opposition operieren, während die Bundesregierung weiterhin mit den Machthabern paktieren könne.
Die "Doppelstrategie", übrigens, sei erprobt und habe der Bundesrepublik in Umbruchsituationen oft geholfen, Beziehungen zu neu an die Macht kommenden Kreisen aufzubauen. Dies hätte schon "für Übergänge von Diktaturen zur Demokratie" (westlicher, versteht sich) - etwa in Spanien und Portugal während der 1970er Jahre gegolten - ebenso wie für Übergänge von Demokratien zu Putschistenregimen wie in Honduras 2009.

So habe in den 70iger Jahren die Bonner Regierung mit den Diktatoren in Madrid und in Lissabon kooperiert, während die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung mit der jeweils die sozialistischen Opposition zusammengearbeitet habe. Dies hätte sich ausgezahlt!!

Gleich nach dem Sturz des Regimes der Partido Socialista Obrero Español (PSOE) in Spanien habe die Bonner Regierung bereits über beste Kontakte in die neuen Machtzentralen der Führung von Felipe Gonzalez unterhalten. Ähnlich wäre die Entwicklung in Portugal verlaufen, wo Mario Soares mit dem Partido Socialista (PS) 1975 die Wahlen gewonnen hatte. Dessen Partei war (hört, hört!!) 1973 in einer Bildungseinrichtung der Friedrich-Ebert-Stiftung im westdeutschen Bad Münstereifel gegründet worden.
Wir wissen, dass parteinahe Stiftungen heute auch in vielen Ländern Nordafrikas, sowie des Nahen und Mittleren Ostens aktiv sind!
Auch die Sozialistische Internationale (SI), in der die deutsche SPD eine starke Stellung innehat, arbeitete noch bis zum Sturz des tunesischen Staatspräsidenten Zine el-Abidine Ben Ali mit dessen Partei zusammen. Aber auch die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) und die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) sind in Nordafrika und dem Nahen Osten präsent. Die Naumann-Stiftung unterhält ebenfalls gute Kontakte zu einem der prominentesten ägyptischen Oppositionellen und hat über das Network of Arab Liberals (NAL) enge Beziehungen zu Oppositionskreisen in Marokko, in Tunesien und in Jordanien aufgebaut.

Die Aktivitäten der Friedrich-Naumann-Stiftung in den letzten Jahren lassen dabei recht deutlich erkennen, dass es bei der von Wolfgang Ischinger angepriesenen "Doppelstrategie" keineswegs um Demokratieförderung, sondern schlicht um Einfluss auf die Machtzentralen nicht nur im Nahen Osten geht. Dabei spielen die von ihnen immer wieder gepriesenen Menschenrechte, um derenthalber man auch militärisch intervenierte (siehe Afghanistan) keine Rolle. Die Naumann-Stiftung unterstützt z. B. in Thailand bis heute die Partei des Ministerpräsidenten, die im vergangenen Jahr Massenproteste blutig niederschießen ließ. In Honduras stellte sie sich bereits im Jahr 2009 auf die Seite von Putschisten, in deren Auftrag ebenfalls Demonstranten niedergeknüppelt wurden.


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Quelle:
Copyright 2011 by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2011