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LAIRE/1225: Gefährliche Verzahnung von Entwicklungshilfe und Militär (SB)


Bitterer Vorgeschmack auf Kriegseskalation?

Deutscher Entwicklungshelfer in Afghanistan angeschossen


Für Entwicklungshelfer, die in einem Konfliktgebiet tätig sind, gibt es kaum eine Gefahr, die sie mehr fürchten, als wenn sie mit einer der kämpfenden Parteien assoziiert werden. Nun strengt jedoch ausgerechnet Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) in Afghanistan eine engere Verzahnung von zivilem Aufbau und militärischen Interessen an. Damit "kontaminiert" er die Entwicklungshilfe, denn für die Besatzungsgegner verschwimmt der Unterschied zwischen den beiden Institutionen vollends, sofern sie ihn jemals anerkannt haben.

Als wie fatal sich Niebels Konzept erweisen könnte, zeigt ein Anschlag Ende März auf Mitarbeiter der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in der südafghanischen Stadt Chost. Über den Vorfall hat zwar dpa berichtet, doch traf er in den hiesigen Medien auf wenig Widerhall, obgleich es sich um einen folgenschweren Angriff gehandelt hat. Bei dem Beschuß einer Baustelle für eine Berufsschule wurden ein Bauarbeiter getötet und elf weitere Personen verletzt, darunter ein Bundesbürger.

Über das Motiv der Angreifer ist nichts bekannt, aber es erfordert kein großes Rätselraten, betrachten doch religiöse Gruppen die ausländischen Organisationen und ihre heimischen Mitarbeiter als Teil des Besatzungsregimes. Durch Bildung und Ausbildung, die hier in Deutschland ein hohes Ansehen genießen, werden in Afghanistan Werte befördert, die den Ansichten und Werten einiger Gruppierungen, die gemeinhin unter Al Qaida oder Taliban subsumiert werden, zuwiderlaufen. Aus deren Sicht erscheint der Bau einer Berufsschule wie der Bau eines Götzentempels. Das bedeutet, daß die von Niebel favorisierte engere Verzahnung von Entwicklungshilfe, Polizeiausbildung und Militär als hochaggressives Vordringen einer fremden Glaubensgemeinschaft, nämlich der christlichen, angesehen wird.

Diese Vorstellung mutet aus westlicher Sicht befremdlich an. Aber die Öffentlichkeit, die noch immer nicht zu registrieren scheint, daß Deutschland in Afghanistan schlicht und ergreifend Krieg führt, sollte sich gewahr werden, daß eine weitere Verzahnung des Militärischem mit dem Zivilen ein erhöhtes Risiko für Leib und Leben auch der zivilen Mitarbeiter des Besatzungsregimes bedeutet.

Eine "Grundsicherheit" ist laut Niebel erforderlich, damit Entwicklungspolitik gestaltet werden kann. Nur, was ist "Grundsicherheit"? Der jüngste Angriff auf die Bundeswehr in Afghanistan, bei dem mindestens drei deutsche Soldaten getötet wurden, entlarvt jede Vorstellung, Deutschland agiere in Afghanistan unterhalb des Niveaus eines Kriegs, als Schönrednerei. Entwicklungshelfer und -helferinnen drohen zum verlängerten Arm des Militärs zu verkommen und müssen mehr denn je damit rechnen, bekriegt zu werden. Die Besatzungsgegner würden mit einer "Grundsicherheit" stets den gesamten Militärapparat in Verbindung bringen.

Darüber hinaus erwächst deutschen Entwicklungshelfern eine ganz andere Gefahr, nämlich aus dem Inneren heraus. Niebel will die ausführenden Organe der deutschen Entwicklungshilfe zentralisieren. Das könnte darauf hinauslaufen, daß sie dann, paßgerecht gemacht, an die kurze Leine der militärisch und wirtschaftlich vorgetragenen hegemonialen Außenpolitik der Bundesregierung genommen werden.

4. April 2010