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LAIRE/1276: Ende der Space Shuttle-Ära - neues Elitenprojekt in den Startlöchern (SB)


Letzter Flug eines U.S. Space Shuttles anberaumt

Militärischer Nutzen des Raumfährenprogramms überwiegt den zivilen


Vielleicht verzögert sich der für Freitag anberaumte letzte Flug eines U.S. Space Shuttles aufgrund eines Gewitters auf dem Raketenstartgelände Cape Canaveral in Florida um Stunden oder Tage. Das Ende des Shuttle-Programms ist auf jeden Fall besiegelt. Zwei von fünf Raumfähren sind im Laufe der dreißigjährigen Geschichte explodiert - die Challenger 1986 kurz nach dem Start, die Columbia 2003 beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Das kostete unmittelbar vierzehn Raumfahrern das Leben. Das gesamte Programm hingegen hat viele Opfer mehr gefordert, nämlich unter all den Menschen, deren Lebens- und Überlebenschancen aufgrund der Vernachlässigung durch das US-Establishment, das sich die bemannte Raumfahrt leistet und bereit ist, enorme Aufwände für ihren Erhalt zu betreiben.

Umgekehrt werden die Forschungsergebnisse, die durch das Shuttleprogramm produziert wurden und angeblich nützlich für "die Menschheit" gewesen sein sollen - gemeint ist damit nur ein kleiner Teil -, bei weitem von den entgangenen Forschungsergebnissen aufgrund des Shuttleprogramms, für das Gelder aus verschiedenen Disziplinen abgezogen wurden, übertroffen.

Somit besteht der größte Nutzen des Programms darin, daß es endet. Das klingt in den Ohren von Raumfahrtenthusiasten wie ein Sakrileg, allerdings kennt das Shuttleprogramm selbst in den USA keineswegs nur Befürworter. Es war die amerikanische Luftwaffe, die entgegen aller Widerstände trotz der gewaltigen Kostenexplosionen in der Planungs-, Bau- und Betriebsphase immer wieder darauf drängte, das weltweit erste Programm für wiederverwendbare Raumfahrzeuge fortzuführen.

Das Shuttleprogramm war ein Prestigeprojekt, das seine Funktion nach innen wie nach außen erfüllte. Es sollte die vermeintlich technologische Überlegenheit der US-amerikanischen Gesellschaft demonstrieren. Ob Kennedy, Bush oder Obama, viele US-Präsidenten pflegten im Laufe ihrer Amtszeit ein altes Herrschaftsmittel einzusetzen, das der Visionen. So entwarf George W. Bush vor einigen Jahren in seiner Rede zur Lage der Nation das visionäre Ziel, eine bemannte Station auf dem Mond zu errichten und diese als Startrampe für einen interplanetaren Raumflug zu benutzen. Angesichts der zunehmenden Verarmung in der US-Bevölkerung als Folge der Clintonschen Sozialstreichungspolitik, wird eine solche Propaganda dringend gebraucht. Ohne sie könnte die Heimatfront, an der über 40 Millionen Einwohner auf behördliche Lebensmittelmarken angewiesen sind, bröckeln.

Weniger einen ideologischen, denn einen geheimdienstlich-militärischen Nutzen hat ein Shuttleprogramm der Luftwaffe, das zwar kein unmittelbarer Abkömmling von "Atlantis" und Co. ist, aber in das vergleichbare Ideen und Konzepte eingeflossen sind, das neun Meter lange, unbemannte Experimentalraumschiff X-37B, dessen Erstflug im April 2010 absolviert wurde. Über den eigentlichen Nutzen dieses Minishuttles schweigt sich die US-Luftwaffe aus. Womöglich ist der Raumgleiter Teil eines Rüstungsvorhabens zur Ausschaltung feindlicher Satelliten und damit wichtiger militärischer und ziviler Kommunikationsverbindungen des Gegners. Das US-Militär forscht intensiv an der Möglichkeit, beispielsweise mit relativ autonom arbeitenden Mini-Satelliten feindliche Satelliten zerstören zu können. Solchen taktischen Zielen hinterlegt ist die Strategie der "full spectrum dominance", worin sich der Vorherrschaftsanspruch der Vereinigten Staaten zu Wasser, auf dem Land, in der Luft und im Weltraum ausdrückt.

Die bemannte Raumfahrt wird gegenwärtig weniger gebraucht, der Heldenmythos der Astronauten hat sich zunächst verbraucht. Die Fortentwicklung in der Mikroelektronik ermöglicht es, vergleichsweise "eigenständige", das heißt weitreichend vorprogrammierbare robotische Systeme zu entwickeln, die Mars, Mond, Merkur und andere Himmelsobjekte erforschen können. Im Vergleich zu anderen militärischen Forschungsbereichen verursacht die Raumfahrt, wie ihre Befürworter unermüdlich behaupten, relativ geringe Kosten. Verglichen mit der finanziellen Not vieler US-Bürgerinnen und -Bürger dagegen war jeder Shuttle, der gebaut wurde, einer zuviel. Dem dieser Tage eingeleiteten Ende der Space Shuttle-Ära wäre zu applaudieren, doch mit dem ab Mitte dieses Jahrzehnts zu rechnenden Constellation-Programm wollen die USA an die bemannte Raumfahrt anknüpfen. Dann könnte es zum Mond "and beyond" gehen.

7. Juli 2011