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LAIRE/1331: Forschung - US-Biolaboratorien ... (SB)




Querschnitt eines Insekts, das künstlich veränderte Viren in eine Pflanzenzelle einbringt, wo sie sich verbreiten und Genomediting betreiben - Grafik: Derek Caetano-Anolles

Dual use - Insekten als Virenüberträger eignen sich als
Biowaffen und als "Verbündete" der Landwirtschaft

Grafik: Derek Caetano-Anolles

Wer Verteidigungsmaßnahmen gegen Angriffe mit biologischen Waffen ergreift, muß selber über die entsprechende Angriffsfähigkeit verfügen. Das bedeutet nicht zwangsläufig, daß er große Lagerbestände an solchen Waffen aufgebaut hat, aber ohne die prinzipielle Befähigung, eine Offensive mit biologischen Waffen simulieren, das heißt letztlich auch führen zu können, bestände die Gefahr, aufgrund der eigenen Zurückhaltung im Ernstfall für keinen ausreichenden Schutz gesorgt zu haben. Wenn also ein Staat behauptet, sein Biowaffenprogramm sei rein defensiv orientiert, läuft es auf die Frage hinaus, ob andere Staaten ihm vertrauen oder nicht. Haben sie auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß er etwas vor ihnen verberge oder falsches Spiel treibe, könnten sie aus Selbstschutzgründen zu dem Schluß gelangen, besser auf Nummer Sicher zu gehen und ein eigenes, offensives Biowaffenprogramm aufzulegen.

Diese knifflige politische Situation birgt ein großes Potential, eine Eskalationsdynamik in Gang zu setzen, da keiner dem anderen über den Weg traut. Bestenfalls könnte die Lage dadurch entspannt werden, daß mit Einverständnis aller Staaten eine unabhängige Einrichtung geschaffen wird, die jederzeit an jedem Ort die Einhaltung der 1975 in Kraft getretenen Biowaffenkonvention überprüfen darf, vergleichbar dem Atomwaffensperrvertrag und der Überprüfung durch die Internationale Atomenergieagentur (IAEA). Doch sind alle Bemühungen, solch einen Überwachungsmechanismus auch für die Biowaffenkonvention im Rahmen eines Zusatzprotokolls zu verabschieden, bislang gescheitert.

Zu den Staaten, die eine Überprüfung ihrer biologischen Labore durch eine unabhängige Instanz ablehnen, gehören die Vereinigten Staaten von Amerika. Insofern kommt einer aktuellen Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft und der Universität Freiburg mit dem Titel, "Ein Schritt zur biologischen Kriegsführung mit Insekten? Ein Forschungsprogramm der Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums könnte leicht zur Entwicklung biologischer Waffen missbraucht werden", eine erhebliche Brisanz zu [1].

Während in Deutschland, der Europäischen Union und Teilen der übrigen Welt die Forderung erhoben wird, daß jegliches Ausbringen von genomeditierten Organismen in die Umwelt strenger Regularien bedürfe, die bislang noch nicht erarbeitet wurden, werden in dem Projekt "Insect Allies" (z. Dt.: Verbündete Insekten) der US-Behörde DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) bereits Nägel mit Köpfen gemacht. Die DARPA untersteht dem Verteidigungsministerium und befaßt sich mit innovativen Technologien. Beispielsweise ist das Internet aus dem von der DARPA entwickelten Projekt Arpanet hervorgegangen.

Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön sowie der Universitäten Freiburg und Montpellier vermochten ihre Befürchtung, daß das von der DARPA in Auftrag gegebene System leicht manipuliert und als biologische Waffe verwendet werden könnte, sogar in Form eines Artikels im renommierten Wissenschaftsjournal "Science" zu plazieren [2]. Die Zeitungen "Le Monde", "New York Times", "Washington Post", "Guardian" und eine Vielzahl weiterer Medien, die weltweit beachtet werden, berichteten über die angesprochene Problematik.

Es geht in dem von der DARPA im November 2016 aufgelegten und mit mehr als 27 Millionen Dollar ausgestatteten Projekt - der "Guardian" schreibt sogar von 45 Mio. Dollar [3] - um die Entwicklung von Insekten, die, mit Pflanzenviren ausgerüstet, freigelassen werden, damit sie das tun, was sie normalerweise sowieso ständig tun, nämlich Viren auf landwirtschaftliche Nutzpflanzen übertragen. Als Trägerinsekten (Vektoren) dienen Grashüpfer, Blattläuse und Weiße Fliegen, und als Zielpflanzen Mais und Tomaten. Die DARPA begründet ihr Forschungsvorhaben so:

"Die nationale Sicherheit kann durch natürlich auftretende Bedrohungen des Anbausystems, einschließlich Krankheitserreger, Dürre, Überschwemmungen und Frost, aber vor allem durch Bedrohungen durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure schnell gefährdet werden." [4]

Jene Vektoren sollen so beschaffen sein, daß sie das Erbgut der Pflanzen durch einen Eingriff in das Genom verändern. Solche auch als "Gen-Schere" bezeichneten Verfahren wurden vor einigen Jahren entwickelt und werden auch CRISPR bzw. CRISPR-Cas genannt. Die entscheidende Innovation des DARPA-Konzepts besteht darin, daß die Genomeditierung nicht erst in der Nachfolgegeneration Früchte tragen soll, was als vertikaler Gentransfer bezeichnet wird, sondern bereits bei den Pflanzen während der aktuellen Saison, dem horizontalen Gentransfer - in dem "Science"-Artikel wird dafür das Akronym HEGAAs (horizontal environmental genetic alteration agents, z. Dt.: horizontal umweltbedingte genetische Mittel) verwendet. Es läßt sich leicht vorstellen, daß letzteres ein enorm beschleunigtes Verfahren darstellen würde, sollte es den beteiligten Einrichtungen (the Boyce Thompson Institute, Penn State University, Ohio State University und University of Texas in Austin) gelingen, einen genetischen Eingriff innerhalb der laufenden Wachstumsperiode der Pflanze vorzunehmen - aber ohne daß sich die Eigenschaft vererben würde, wie der Leiter der DARPA-Initiative "Insect Allies", Blake Bextine, gegenüber der "Washington Post" versicherte [5].

Zu den zahlreichen ungeklärten Fragen in diesem Zusammenhang gehört sicherlich, daß man solch einen Eingriff eigentlich nicht erst in Reaktion auf Hitzestreß, sondern bereits bei der Pflanzenzüchtung vornehmen könnte. Damit wäre den Landwirten, um deren Wohl die DARPA angeblich so besorgt ist, sehr viel mehr geholfen. Geht es nicht in der sogenannten Grünen Gentechnik genau darum, streßtolerante Pflanzen zu züchten?

Außerdem bestehen erhebliche Bedenken, warum ausgerechnet Insekten das genetische Material verbreiten sollen. "Es wäre vermutlich möglich gewesen, daß das DARPA-Arbeitsprogramm die Entwicklung von HEGAAs vorgeschlagen hätte, die mit landwirtschaftlichen Sprühgeräten ohne Beteiligung von Insekten eingesetzt werden sollten", heißt es in dem "Science"-Bericht. Mehr noch, durch das Versprühen der HEGAAs wären wahrscheinlich sogar all die vermuteten Vorteile für die Landwirtschaft in Friedenszeiten realisierbar. Warum also, so wird gefragt, schreibt die DARPA von vornherein vor, daß die Verbreitung der HEGAAs über Insekten geleistet werden muß?

Auf der anderen Seite macht genau dieser Umstand die Forschungen gefährlich. Denn die Insekten können mit relativ einfachen Mitteln so verändert werden, daß sie biowaffentauglich werden. Denkbar wäre, daß sie Viren tragen, die bestimmte Genabschnitte der Pflanze zerschneiden, sogar ohne anschließend neue Genabschnitte einzufügen, damit die Pflanze keine Samen ausbildet. In dem Science-Artikel wird zwar nicht lang und breit darüber diskutiert, inwiefern eine solche Biowaffe nützlicher sein könnte als andere Biowaffen, beispielsweise Heuschrecken oder Kartoffelkäfer, die ganze Ernten vernichten, oder chemische Mittel wie Glyphosat, die alles Grüne an den Pflanzen verdorren lassen, aber es wird durchaus die Frage aufgeworfen, ob nicht ein mechanisches Sprühverfahren zum Ausbringen der HEGAAs viel zielgenauer und mit potentiell weniger Risiken und Nebenwirkungen verbunden sowie praktischer in der Umsetzung wäre, da nicht erst Insekten mit den Viren ausgestattet werden müßten.


Darstellung des Forschungsvorhabens als ein Kreis, von dem zwei Pfeile in entgegengesetzte Richtungen ausgehen. Ein Pfeil steht für militärische, der andere für landwirtschaftliche Nutzung - Grafik: © MPG/ D. Duneka

Insect Allies - Forschungsprogramm mit dem Potenzial für einen militärischen Einsatz: Wissenschaftler befürchten, daß das US-amerikanische Programm andere Länder dazu verleiten könnte, selbst Biowaffen zu entwickeln.
Grafik: © MPG/ D. Duneka

Der Artikel versteht sich auch als Anregung, damit eine Diskussion über diese Art der Forschung losgetreten wird. Deshalb wurde sogar eigens eine Website zu dem Artikel geschaffen, in dem weiter ins Detail gegangen und auf verschiedene Quellen, die für die Forschung von Belang sind, verwiesen wird [6].

Für eine völkerrechtliche Bewertung sei es entscheidend, ob ein biologisches Forschungsprogramm nur friedlichen Zwecken dient, heißt es in der Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft und der Universität Freiburg. Darin erklärt Silja Vöneky, Expertin für Internationales Recht an der Universität Freiburg: "Aufgrund dieses weitreichenden Verbotes bedarf es für besorgniserregende biologische Forschung grundsätzlich einer plausiblen Rechtfertigung durch friedliche Zwecke. Das Insect Allies-Programm könnte das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen verletzen, wenn die von DARPA geltend gemachten Ziele nicht plausibel sind. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass es hier um eine Technologie geht, die leicht zur biologischen Kriegsführung genutzt werden kann." [7]

In dem "Science"-Artikel wird außerdem moniert, daß in keiner der Pressemitteilungen, die bisher von den beteiligten Einrichtungen zu dem Projekt "Insect Allies" herausgegeben worden sind, die Regulierung des Einsatzes von HEGAAs angesprochen wurde. "Diese Unterlassung ist umso bemerkenswerter, als daß wahrscheinlich bei allen derzeitigen Regulierungssystemen auf der ganzen Welt tiefgreifende Änderungen erforderlich wären, um auch nur den gelegentlichen Einsatz der HEGAA-Technologie zu gestatten."

Ebenfalls müsse doch zumindest diskutiert werden, wie sich die DARPA bzw. die beteiligten Forschungseinrichtungen vorstellen, daß landwirtschaftliche Felder gegen jene virustragenden Insekten geschützt werden könnten oder wie sich die Anwender eine Koexistenz zwischen behandelten und unbehandelten Feldern vorstellen. Aber nichts davon sei bisher besprochen worden. "Um es klar zu sagen, wir behaupten nicht, daß das Programm der Insect Allies schlecht durchdacht ist, nur weil es sich um ein militärisch finanziertes Programm handelt", schreiben die Autorinnen und Autoren. "Aber wir können ebenfalls nicht die Behauptung akzeptieren, daß das Programm allein deshalb weniger problematisch sein soll, weil es in gewisser Weise transparent mit akademischen Einrichtungen seinen Anfang genommen hat. Unserer Meinung nach ist das Programm in erster Linie deshalb eine schlechte Idee, weil naheliegende Vereinfachungen des Arbeitsplans mit bereits vorhandener Technologie absehbar sind und schnell wirkende Waffen und deren Trägersysteme hervorbringen können, die in der Lage sind, praktisch jede Kulturpflanzenart zu bedrohen."

Die DARPA habe nicht erklärt, warum sie es ablehnt, daß das Verfahren an den in der Pflanzenzüchtung weit verbreiteten Modellpflanzen Tabak und Arabidopsis erforscht wird und statt dessen bereits im ersten Schritt die Maispflanze ausgewählt hat, die weltweit Hunderten Millionen Menschen als wichtigste Nahrungsgrundlage dient. Abschließend resümieren die Forscherinnen und Forscher:

"Folglich sind wir der Meinung, daß, bis die DARPA entsprechend belastbare Erklärungen für die Notwendigkeit der Verpflichtung zur Insektenausbreitung in landwirtschaftlichen Routine- oder Notfallanwendungen liefert, Insect Allies Gefahr läuft, weithin als Versuch wahrgenommen zu werden, ein Mittel zur Erzeugung von HEGAAs für offensive Zwecke zu sein."

Angesichts dessen, daß die USA nicht nur im eigenen Land zahlreiche Bioforschungslabore aufgebaut haben, sondern auch in vielen Ländern rund um den Globus, unter anderem in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion wie Kasachstan, Georgien und Ukraine, wundert es nicht, daß Rußland dies kritisiert und Aufklärung darüber verlangt, was die Amerikaner in den angrenzenden Ländern betreiben. Am 5. Oktober 2018 fragte der Leiter der russischen atomaren, biologischen und chemischen Schutztruppen, Generalmajor Igor Kirilow, die Regierungen der USA und Georgiens, warum am Richard Lugar Public Health Research Center bei Tiflis biologische Waffen gelagert werden [8].

Bestätigt das nicht exakt die in dem "Science"-Bericht geäußerte Befürchtung, daß andere Staaten den Eindruck gewinnen könnten, sich gegenüber den möglichen Ergebnissen der DARPA-Forschungen wappnen zu müssen? Wurde die Eskalationsdynamik womöglich schon längst in Gang gesetzt?


Fußnoten:


[1] https://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2018/ein-schritt-zur-biologischen-kriegsfuehrung-mit-insekten?set_language=de

[2] http://science.sciencemag.org/content/362/6410/35.full

[3] https://www.theguardian.com/environment/2018/oct/04/us-plan-to-genetically-alter-crops-via-insects-feared-to-be-biological-war-plan

[4] https://www.darpa.mil/program/insect-allies

[5] https://www.washingtonpost.com/science/2018/10/04/pentagon-is-studying-an-insect-army-defend-crops-critics-fear-bioweapon

[6] http://web.evolbio.mpg.de/HEGAAs/

[7] https://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2018/ein-schritt-zur-biologischen-kriegsfuehrung-mit-insekten?

[8] http://schattenblick.de/infopool/politik/redakt/milt-928.html


9. Oktober 2018


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