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DILJA/1163: UN-Sanktionen und verkappte Kriegsdrohung Obamas gegen Nordkorea (SB)


Vetomächte Rußland und China beugen sich dem Diktat Washingtons

Im Fahrwasser der verhängten UN-Sanktionen droht US-Präsident Obama der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik indirekt mit Krieg


Am 7. Juni hatte US-Präsident Barack Obama bei einer gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy in Caen abgehaltenen Pressekonferenz in Hinsicht auf die Koreanische Demokratische Volksrepublik, kurz Nordkorea, eine härtere "Reaktion" seines Landes angekündigt und erklärt, niemand dürfe glauben, daß die USA ihren gegenwärtigen Kurs gegenüber Nordkorea beibehielten. Da der bis dato vorgehaltene Kurs als ein durchaus feindseliger, wenngleich offiziell noch unterhalb der Schwelle militärischer Maßnahmen, sprich Krieg, anzusiedelnder zu bewerten wäre, kommen dieser Worte einer kaum noch verhohlenen Kriegsandrohung gleich. Bei seinem Besuch in Frankreich hatte Obama in derselben Diktion wie sein Amtsvorgänger Bush die in der westlichen Medien- und Politikwelt gegen Nordkorea seit einigen Wochen und Monaten laufende Feindbildprojektion abermals befeuert, indem er das Land beschuldigte, "die Region andauernd zu destabilisieren". Daß die neue US-Administration die Option "Krieg" meint, wenngleich auch nicht direkt benennt, läßt sich zudem rückschließen aus Obamas weiterer Erklärung, derzufolge die USA die Möglichkeit, durch Anreize Nordkorea dazu zu ermutigen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, ausgeschlossen hätten.

Dabei hat sich der sogenannte "Verhandlungstisch" für die Regierung in Nordkorea in den zurückliegenden Jahren als gelinde gesagt verhängnisvoll erwiesen. 1994 war schon einmal eine politisch-militärische Krise zwischen den USA und Nordkorea mit der Gefahr eines womöglich drohenden Krieges entbrannt, weil Washington im Falle dieser kleinen ostasiatischen Republik nicht hinnehmen wollte, was sie im Falle ihr wohlgesonnener, sprich politisch von ihr kontrollierter Staaten nicht der Erwähnung für wert befindet. Die keineswegs irrational begründeten Bemühungen Nordkoreas, der militärischen Bedrohung des Landes durch die Entwicklung atomarer Waffen begegnen zu können, führte zu einer Krise, die am 21. Oktober 1994 in Genf durch eine von den USA und Nordkorea unterzeichnete Rahmenvereinbarung beigelegt werden konnte. Diese enthielt für Nordkorea die Verpflichtung, sein Atomprogramm einzustellen, während Washington zusagte, dem Land bei der Bewältigung seiner Energieprobleme zu helfen. Vereinbart, jedoch nie eingehalten wurde das Versprechen der USA, an Nordkorea bis 2003 zwei 1000-Megawatt-Leichtwasserreaktoren und bis dahin pro Jahr 500.000 Tonnen Kohle und Schweröl zu liefern.

Mit dem Amtsantritt von Obamas Amtsvorgänger George Bush Jun. wurden diese Vereinbarungen endgültig hinfällig. Die leichte Deeskalation, die in den Jahren zuvor, unterstützt durch die "Sonnenschein"-Politik der damaligen südkoreanischen Regierung Kim Dae-Jungs, fraglos ausgemacht werden konnte, wurde mit einem Schlag zunichte gemacht. Washington erklärte die "Sonnenschein"-Politik für "zu gefährlich", die zuvor vertraglich vereinbarten Öllieferungen an Nordkorea wurden eingestellt. Und, mehr noch, die Marschroute "Regimesturz" wurde seitens der USA ausgegeben durch die Bezeichnung Nordkoreas als "Schurkenstaat" bzw. Bestandteil der "Achse des Bösen", wie in jenen Jahren all jene Staaten tituliert wurden, gegen die Washington Kriegsabsichten hegte. Am Beispiel Jugoslawiens wie auch des Irak führten die USA der übrigen Welt, so auch Nordkorea, vor, wie sie mit einem zum "Schurkenstaat" erklärten oder sonstwie diskreditierten Staat umzugehen gedenken. In diesem Zusammenhang ist es eine unbestreitbare Tatsache, daß die USA noch niemals einen seinerseits atomar bewaffneten Staat angegriffen haben.

Gleichwohl beteiligte sich die Regierung Nordkoreas seit Ende 2003 an den sogenannten Sechser-Gesprächen mit dem Bruderstaat Südkorea, Japan, den USA, China und Rußland. Im Februar 2007 erklärte Nordkorea seine Bereitschaft, sein Atomprogramm vollständig einzustellen unter der Bedingung umfangreicher Energiehilfen sowie der atomaren Abrüstung der gesamten koreanischen Halbinsel und direkter diplomatischer Beziehungen zu den USA und auch Japan. Die politische Isolation liegt nicht im Interesse und ist nicht die "Schuld" Nordkoreas, vielmehr wurde und wird das kleine kommunistische Land von den westlichen Staaten politisch wie auch wirtschaftlich massiv unter Druck gesetzt. Bezeichnenderweise waren es stets die USA, die direkte Verhandlungen mit Nordkorea, wie von Pjöngjang stets gewünscht, abgelehnt haben.

Allem Anschein nach hat die führende westliche Staatenwelt schon seit langem einen "Regime-" und "System"-Wechsel in Nordkorea beschlossen und setzt vermehrt auf die "militärische" Karte, weil mit einer Dämonisierung des kleines Landes als einer Bedrohung für alle seine Nachbarn sowie die gesamte Region noch am ehestens eine internationale "Stimmungslage" erzeugt werden kann, die den für einen gewaltsamen Sturz der gesellschaftlichen Ordnung Nordkoreas erforderlichen Krieg vermeintlich akzeptabel erscheinen lassen würde. Die nordkoreanische Führung mag nun ihre Hoffnungen auf eine "Regime"-Wechsel im Weißen Haus gesetzt haben. Da Präsident Bush den Entspannungskurs gegenüber Nordkorea abrupt beendet und Barack Obama mit dem "Change"-Versprechen die Wahlen für sich entschieden hatte, hätte - theoretisch - auch die Rückkehr zu einer Politik der Deeskalation im Bereich des Möglichen gelegen.

Die neue US-Regierung machte jedoch sehr schnell klar, daß dies keineswegs in ihrer Absicht liegt. Sie intensivierte keineswegs die Sechsergespräche mit Nordkorea und stellte sich taub gegenüber der Forderungen Pjöngjangs nach Aufhebung seiner internationalen Isolation und insbesondere der gegen das Land von den USA verhängten Wirtschaftsblockaden. Das in den zurückliegenden Jahren wiederholt von Hungersnöten heimgesuchte Land steckt in großer wirtschaftlicher Not, zumal es im Zuge der sogenannten Finanzkrise noch weniger als die allermeisten von ihr betroffenen Staaten der Peripherie auf Unterstützung oder auch nur einen Abbau der Handelshemmnisse hoffen kann.

70 Prozent seines Handels wickelt Nordkorea mit dem großen Nachbarn China ab. China ist an einem politischen oder auch wirtschaftlichen Totalzusammenbruch Nordkoreas nicht interessiert, weil dieser die eigene Region destabilisieren könnte, und so waren es in der Vergangenheit China, aber auch Rußland, die im Weltsicherheitsrat die Verhängung schärfster Sanktionen gegen Nordkorea verhinderten. Dies mag dem Kalkül entsprungen sein, den ansonsten drohenden Zuwachs an Einfluß der USA in dieser Region zu verhindern. Am vergangenen Freitag allerdings haben die Bemühungen Washingtons, durch mehr oder minder offene Drohungen auch China und Rußland ins Boot der Nordkorea verurteilenden Vetomächte zu holen, Früchte getragen. Einhellig wurde von allen 15 Sicherheitsratsmitgliedern eine Resolution verhängt, die so scharfe Sanktionen gegen Nordkorea enthält, daß eine extreme Zuspitzung der wirtschaftlich ohnehin höchst angespannten Situation vorauszusagen ist.

In dem von den USA vorgelegten und nun einstimmig angenommenen Entwurf werden alle UN-Mitgliedsstaaten verpflichtet, auf Flug- und Seehäfen bei Verdacht nordkoreanische Frachtlieferungen auf unerlaubte Militärgüter zu durchsuchen. Besonders brisant ist die Bestimmung, die es UN-Mitgliedsstaaten erlaubt, auf hoher See unter Zustimmung des Flaggenstaates Schiffe zu inspizieren und verbotene militärische Güter zu konfiszieren und zu vernichten. Laut Resolutionsentwurf sollen alle UN-Mitglieder Kredite, Finanz- und sonstige Hilfen an Nordkorea wie auch an Staaten, die an Pjöngjang militärische Güter liefern, einstellen.

Schon Anfang April, also lange bevor Nordkorea seine militärischen Verteidigungsanstrengungen, die ihren vorläufigen Höhepunkt in dem am 25. Mai erfolgreich abgeschlossenen Atomwaffentest fanden, intensivierte, hatte die neue US-Regierung klargestellt, daß sie ihre Politik gegenüber Nordkorea nicht nur nicht entschärfen, sondern sogar eine noch härtere Gangart einlegen wird. So sprach Präsident Obama im Zuge des NATO-Gipfels Anfang April zwar allgemein von seinen Abrüstungsplänen, erklärte jedoch in Hinsicht auf Nordkorea, daß dieses Land Vereinbarungen gebrochen habe. "Vereinbarungen sind verbindlich und einzuhalten, Verletzungen müssen bestraft werden", so Obama wörtlich. In umgekehrter Richtung gibt es allerdings niemanden, der in der Lage oder auch nur willens wäre, die Vertragsverletzungen der USA gegenüber Nordkorea "zu bestrafen". So erweisen sich die bilateralen Vereinbarungen von 1994 wie auch die im Zuge der Sechser-Gespräche getroffenen Vereinbarungen als eine diplomatische Manövriermasse, die es den USA nun ermöglicht, eine völkerrechtlich vermeintlich unangreifbare Kriegsrechtfertigung zu konstruieren.

Der ehemalige UN-Waffeninspekteur im Irak Scott Ritter, der sich als höchst kompetenter Kritiker der US-Kriegführung im Zweistromland einen Namen gemacht hat, wies im April dieses Jahres auf die völlige Einseitigkeit der gegen Nordkorea erhobenen und inzwischen mit schwersten Sanktionen angeblich beantworteten Vorwürfe wegen der Raketenstarts und Waffentests hin. Ein am 23. Januar 2009 in Tanegashima durchgeführter japanischer Raketentest blieb ebenso unerwähnt und folgenlos wie die kürzlich durchgeführten Atomwaffentests der "inoffiziellen" Atommächte Indien, Pakistan und Israel. Wie soll Nordkorea unter diesen Voraussetzungen und angesichts der eigenen vorherigen Erfahrungen noch dazu gebracht werden können, das zur Einstellung seines Atomprogramms erforderliche Vertrauen, von den westlichen Staaten und namentlich den USA nicht angegriffen zu werden, zu entwickeln?

Es steht zu befürchten, daß dies von den westlichen Führungsstaaten auch gar nicht beabsichtigt ist und daß ihnen jede Äußerung Pjöngjangs, die dazu verwendet werden kann, die Regierung Nordkoreas als "provokativ" und "aggressiv" zu verunglimpfen, nur gelegen kommt. Die "aggressive" Haltung Nordkoreas, so hatte US-Außenministerin Hillary Clinton nach dem Atomwaffentest vom 25. Mai erklärt, werde Konsequenzen nach sich ziehen. Wie schon 2006 wurde auch jetzt für die südkoreanischen und US-amerikanischen Streitkräfte die Alarmstufe von 3 auf 2 angehoben. Auf die am vergangenen Freitag verhängte UN-Resolution reagierte Pjöngjang seinerseits mit der Ankündigung, nun alles verfügbare Plutonium "zu Waffenzwecken" einzusetzen. Sollten die USA oder andere Länder versuchen, gegen Nordkorea eine Blockade durchzusetzen oder das Land zu isolieren, werde die Antwort eine militärische sein.

Schon Ende Mai hatte es in einer von der amtlichen Nachrichtenagentur Nordkoreas, KCNA, verbreiteten Meldung der Zeitung Rodung Sinmun geheißen, das "ein kleiner versehentlicher Zwischenfall zu einem Atomkrieg führen [kann]". Daß, wie von nordkoreanischer Seite behauptet, die USA bereits eine Militärinvasion vorbereiteten, wird von Washington stets bestritten. Doch die Zeichen stehen auf Sturm, um nicht zu sagen Krieg. Die UN-Resolution bietet nun umso mehr eine Vorwandslage, um einen solchen "kleinen Zwischenfall" herbeizuführen, zumal Pjöngjang deutlich gemacht hat, auch die Aufbringung eigener Schiffe auf See als kriegerischen Akt zu bewerten und dementsprechend zu reagieren. US-Vizepräsident Joe Biden stellte die Bereitschaft seines Landes, den "harten" Sanktion auch Geltung zu verschaffen, sprich das in ihnen gezielt angelegte Eskalationspotentiel zu nutzen, bereits klar.

"Wir werden der UN-Resolution Geltung verschaffen", so Biden gegenüber dem Fernsehsender NBC. Da Nordkorea ein "sehr destabilisierendes Element in Südostasien" sei, erklärte der US-Vizepräsident, sei es "wichtig, daß wir die Sanktionen aufrechterhalten". Somit steht zu befürchten, daß die von den USA dominierte Staatengemeinschaft, deren Druckmitteln sich allem Anschein nach nun auch China und Rußland gebeugt haben, mittels einer durch die jüngste UN-Resolution scheinmandatierten Eskalationsstrategie auf ihr langgehegtes Ziel eines Regime- bzw. Systemsturzes in Nordkorea zuarbeitet, wodurch die Gefahr eines neuen Koreakrieges in dem Ausmaße zunimmt, in dem die kleine, in größter Armut lebende Republik international ohne den geringsten Schutz dasteht.

15. Juni 2009