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DILJA/1173: Honduras - Ein neues Kapitel in der nie beendeten US-Putsch-Politik (SB)


Militärdiktatur mit Handschrift der USA - in Mittelamerika nie beendet

Putsch in Honduras bislang ohne nachweisbare Verbindungen zum US-Kriegsminister Robert Gates


Der Wolf hat keine Kreide gefressen, der Wolf wurde ausgetauscht und durch einen US-Präsidenten ersetzt, der in Fragen der schmutzigsten US-Hegemonialpolitik schon aufgrund seines recht jungen Alters eine Weste trägt, wie sie weißer kaum sein könnte. Wer würde Barack Obama, dem einen Vertrauensvorschuß einzuräumen Menschen bereit sind, die gegenüber seinem Amtsvorgänger George W. Bush. angesichts dessen in offen-brutaler Weise durchgeführten Kriegs- und Besatzungspolitik jede Desorientierung verloren haben, schon mit dem jüngsten Putsch in Honduras in Verbindung bringen wollen, zumal der erste dunkelhäutige Präsident der USA zu verstehen gegeben hat, daß Washington einzig und allein den gestürzten Präsidenten Zelaya als rechtmäßigen Präsidenten von Honduras anzuerkennen bereit sei?

Neben der vermeintlichen Lichtgestalt Obama stehen in Spitzenfunktionen der US-amerikanischen Administration jedoch Politiker, die "mit allen Wassern gewaschen" sind und eine Agenda aufweisen, die die Vermutung, sie könnten bei dem aktuellen Militärputsch in einem mittelamerikanischen Land, das noch dazu jahrzehntelang als US-Stützpunkt in der Region fungierte und immer noch fungiert, mitgemischt haben, mehr als nahelegt. Zu nennen wäre hier an erster Stelle US-Kriegsminister Robert Gates, den Obama als einzigen Minister aus dem Kabinett seines Amtsvorgängers übernahm. Allein dies deutet auf Kontinuitätslinien in der US-Außenpolitik hin, die speziell an dem Dreh- und Angelpunkt ihrer militärischen Durchsetzung, im Pentagon, die Frage aufwerfen, ob nicht der gegenwärtige Putsch in Honduras die Fortsetzung bzw. Reaktivierung einer insgeheim von Washington angestoßenen Bekämpfung linker Regierungen in Mittelamerika mit militärischen und geheimdienstlichen Mitteln ist.

Robert Gates, der Donald Rumsfeld inmitten der letzten Amtszeit von Präsident Bush im Amt des Kriegsministers beerbte, war zuvor lange Zeit Direktor der CIA. Mit dieser Tätigkeit scheint er sich für das noch heute von ihm ausgeübte Amt des Kriegsministers qualifiziert zu haben. Vor einem Vierteljahrhundert, damals war Gates noch nicht CIA-Direktor, aber in der Agentur als hochrangiger Mitarbeiter für Mittelamerika zuständig, sprach er sich gegenüber der damaligen Reagan-Administration mit großer Dringlichkeit dafür aus, "alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Regime [in Nicaragua, Anm. d. SB-Redaktion] zu stürzen". Aus offiziellen Dokumenten, die 2006 freigegeben und von der Forschungsgruppe "National Security Archives" veröffentlicht wurden, geht hervor, daß Gates gegen Nicaragua, das seit dem Sieg der Sandinisten 1979 sozialistische Nachbarland von Honduras, harte Sanktionen bis hin zu einem Militärschlag befürwortete.

Der Rest der Geschichte ist inzwischen längst bekannt und Gegenstand umfangreicher Untersuchungen des amerikanischen Kongresses geworden. In absichtlicher Verletzung des vom US-Kongreß eigens zu dem Zweck, der CIA die Finanzierung der antisandistischen Contras in Nicaragua zu verbieten, erlassenen Boland-Amendments, finanzierte die Reagan-Administration auf verschlungenen Wegen die auf den Sturz der sandinistischen Regierung hinarbeitenden Todesschwadrone. In den 1980er Jahren wurde dieser verdeckte Krieg der USA gegen die nach Kuba zweite Linksregierung in der Region von Honduras aus geführt. Robert Gates gehörte damals zu denjenigen CIA-Mitarbeitern, die wie auch die Reagan-Administration gar nicht daran dachten, den erklärten Willen des Parlaments zu respektieren. Er lehnte den Einfluß des Kongresses auf die amerikanische Außenpolitik, sprich die Putschpolitik in Mittelamerika, strikt ab.

In der späteren Iran-Contra-Affäre, in der etliche der für den Krieg der Contras verantwortlichen US-Politiker zur Verantwortung gezogen und sogar strafrechtlich belangt (wenn auch noch später von Bush-Senior begnadigt) wurden, geriet auch Robert Gates unter Verdacht, kam jedoch ungeschoren davon. Dennoch haftete der Putsch-Geruch so streng an ihm, daß Gates sich noch 1987 gezwungen sah, von seiner Nominierung für den Posten des CIA-Direktors zurückzutreten. 1991 war dann genug Gras über die Iran-Contra-Affäre gewachsen, daß Gates an die Spitze der CIA aufsteigen konnte. Seiner Auffassung nach haben die USA den Vietnamkrieg nur "halbherzig" geführt. 1984 hätte es, wäre es nach ihm gegangen, zum Sturz der Sandinisten "Luftangriffe, um einen erheblichen Teil des militärischen Potentials Nicaraguas zu zerstören", gegeben.

Da er in dieser Zeit in der CIA intensiv mit der Mittelamerika-Politik der USA befaßt war, besteht eine enge, noch dazu auf Geistesverwandtschaft beruhende Verbindung zwischen ihm und John Negroponte, der 1984 als US-Botschafter in Honduras den Krieg der Contras gegen Nicaragua vor Ort koordinierte. Negroponte stieg 2006 in das Amt des nationalen Geheimdienstdirektors auf, das Gates zuvor angeboten, von ihm jedoch abgelehnt worden war. Negroponte wie auch Gates haben sich offensichtlich durch ihre damalige Beteiligung für weitere und höhere Aufgaben in der US-Administration empfohlen. Im Zuge der Ereignisse vom September 2001 war er zum US-Botschafter bei den Vereinten Nationen ernannt worden, von 2007 bis zum Ende der Amtszeit von US-Präsident Bush Jun. im Januar dieses Jahres bekleidete er das Amt des US-Vizeaußenministers. Als US-Botschafter in Honduras hatte er das dortige Militär in einer Zeit in den höchsten Tönen gelobt, in der von diesem schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen worden waren. Jegliche Berichterstattung darüber fand in seinen Händen ein abruptes Ende, und so avancierte Negroponte zu einem der versiertesten Verfechter einer unterhalb der Schwelle öffentlicher Wahrnehmung angesiedelten verdeckten Kriegführung.

In diesem Zusammenhang darf der Exilkubaner Otto Reich nicht unerwähnt bleiben, auch er tiefverstrickt in die Iran-Contra-Affäre. Auch er wurde reaktiviert. Im Jahre 2002 erhielt er in der Regierung von Präsident George W. Bush das Amt des stellvertretenden Außenministers für die westliche Hemisphäre. Otto Reich ist Wortführer der exil-kubanischen Gemeinde in Florida und arbeitet bereits seit Jahrzehnten auf den Sturz der sozialistischen Regierung in Kuba hin. Doch auch an dem Putschversuch gegen den venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez war er nicht unbeteiligt, soll er sich doch wenige Wochen zuvor mit Führern der umsturzbereiten Rechten Venezuelas getroffen haben. Chavez ist es denn auch, der angesichts der unübersehbaren Parallelen zu den jüngsten Ereignissen in Honduras die Riege der Iran-Contra-Veteranen ins Gespräch brachte und namentlich Otto Reich der Komplizenschaft mit den Putschisten bezichtigte.

Dies zu vermuten liegt ohnehin nahe, da Reich derzeit im Vorstand des "Western Hemisphere Institute for Security Cooperation" in Fort Benning, Georgia, sitzt, besser bekannt oder vielmehr berüchtigt unter seinem früheren Namen "School of the Americas", mithin der US-Folterschule, aus der Zehntausende Folteroffiziere und Diktatoren für Lateinamerika hervorgegangen sind. Durch diese Schule gegangen ist auch der militärische Führer der heutigen Putschisten in Honduras, General Romero Vázquez Velázquez. Sollte die Obama-Administration, die sich dem Vernehmen nach in die weltweit scheinbar einhellige Front der Putsch-Gegner eingereiht hat, den keineswegs unbegründeten Verdacht der insgeheimen Komplizenschaft mit den gegenwärtigen Machthabern in Tegucigalpa ausräumen wollen, ist es ihr unbenommen, über die personellen und institutionellen Verflechtungen und Traditionslinien umfangreich Aufschluß zu geben, um von dem naheliegendsten Schritt, der verbalen Verurteilung des Putsches empfindliche Sanktionen folgen zu lassen, gar nicht erst zu reden.

7. Juli 2009