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DILJA/1354: Wer hat vermittelt? Kolumbianische Paramilitärs als NATO-Hilfstruppen in Libyen (SB)


Eine Internationale gedungener Söldner?

Kolumbianische Paramilitärs auf Seiten der "Aufständischen" in Libyen


Allem Anschein nach haben die NATO-Verantwortlichen beschlossen, in "ihrem" Krieg in Libyen die Entscheidung zu suchen bzw. baldmöglichst herbeizuführen. Am vergangenen Mittwoch haben die bewaffneten libyschen Umstürzler in enger Abstimmung mit der NATO, wie es in Medienberichten hieß, mit dem Marsch nach Tripolis begonnen. Die NATO habe in den frühen Morgenstunden ihr Okay gegeben, nachdem die Ghaddafi-feindlichen Milizen bereits am Tag zuvor erklärt hatten, in die noch 50 bis 80 Kilometer entfernte Hauptstadt einzurücken. Aus der geplanten und offensichtlich auch von der NATO gewollten Machtübernahme der von ihr protegierten Kampfverbände ist bislang allerdings nichts geworden, obwohl die NATO ihren Verbündeten durch gezielte Luftangriffe den Weg nach Tripolis freibomben wollte.

So zumindest lautete der Vorwurf der libyschen Regierung an das westliche Verteidigungsbündnis, das sich in dem nordafrikanischen Land seit Mitte März in den dortigen Bürgerkrieg eingemischt bzw. diesem überhaupt erst vollends zum Ausbruch verholfen hat. Ob die sogenannten Aufständischen im Osten des Landes als Fuß- und Hilfstruppen einer invasionswilligen NATO zu begreifen sind, die aus naheliegenden Gründen diesen Krieg nur aus der Ferne, sprich durch die Luftwaffen ihrer Mitgliedsländer führen möchte, oder ob die NATO ihrerseits als uneigennütziger Akteur und Unterstützer einer um seine Befreiung vom Joch einer Diktatur kämpfenden Befreiungsbewegung interpretiert werden kann, hängt selbstverständlich vom Standpunkt des Betrachters ab.

Auffällig ist unterdessen, daß es innerhalb der NATO massive Unstimmigkeiten, um nicht zu sagen Bruchlinien gibt, die diesen Kriegseinsatz betreffen. So haben Italien sowie Frankreich, das diesen Krieg noch im März von der ersten Stunde an mitgeführt hatte, inzwischen deutlich gemacht, aus dem Kriegsbündnis ausscheren und keineswegs länger auf einem Sturz Ghaddafis bestehen zu wollen. Aus britischer wie US-amerikanischer Sicht stellt dieses Einknicken einen Affront da; und so macht bereits das Wort von einer möglichen Spaltung der NATO die Runde. Die deutsche Bundesregierung pokert unterdessen auf eine ganz eigene Weise. Hatte sie zunächst deutliche Kritik ihrer Verbündeten einstecken müssen, weil sie sich weigerte, diesen Krieg aktiv mitzuführen, obwohl sie ihm mitnichten ablehnend gegenüberstand, steht sie nun im Begriff, sich in vorderster Position als Mittler zwischen den Welten zu inszenieren.

Möglicherweise zieht sie hinter den Kulissen in einem weitaus größeren Ausmaß, als es offiziell den Anschein hat, in diesem Krieg die Fäden. Da wäre zum Beispiel der Konfliktpunkt Afrikanische Union (AU), die ihre Mitgliedstaaten Anfang Juli aufgerufen hat, den vom Internationalen Strafgerichtshof gegen den libyschen Revolutionsführer Muammar al Ghaddafi ausgestellten Haftbefehl zu ignorieren. Der Kommissionsvorsitzende der AU, Jean Ping, hatte damit einen deutlichen Kontrapunkt zur Kriegführung und Vorgehensweise der NATO-Staaten in Libyen gesetzt, der sich zu einem zunehmenden Problem auswachsen könnte, sollte innerhalb der afrikanischen Staaten die Bereitschaft, diesen Krieg, der ohne die Luftangriffe der NATO-Staaten vermutlich längst beendet worden wäre und der ohnehin ein Krieg der NATO ist, zu tolerieren, schwinden.

In der darauffolgenden Woche wurde Ping zu Gesprächen mit der deutschen Kanzlerin nach Berlin eingeladen bzw. zu Gesprächen beordert, in denen es um Libyen ging. Da die Bundesregierung, wie es den Anschein hat, nicht direkt in die Kampfhandlungen involviert ist, scheint sie darum bemüht zu sein, auf diplomatischem Parkett die Interessen der NATO-Staaten und selbstverständlich ihre eigenen voranzutreiben. Gegenüber dem AU-Kommissionsvorsitzenden Ping nahm die Berliner Regierung eine Haltung ein, als sei auch sie für eine "politische Lösung" im Libyen-Krieg. Tatsächlich finanziert Deutschland als NATO-Staat diesen Krieg mit und habe sich diesen Verpflichtungen keineswegs entzogen, wie jüngste Presseverlautbarungen unter Berufung auf Angaben aus dem Verteidigungsministerium bestätigen, denen zufolge 3,7 Millionen Euro für diesen Krieg gezahlt worden seien, was rund 15 Prozent der Einsatzkosten entsprochen hätte.

Möglicherweise zieht Berlin darüberhinaus jedoch noch weitere Fäden in diesem Kriegsgeschehen. Am vergangenen Donnerstag erklärte der stellvertretende libysche Außenminister Chaled Kaim gegenüber der Nachrichtenagentur AP, daß seine Regierung Beweise dafür habe, daß kolumbianische Paramilitärs, die von den westlichen bzw. den Golfstaaten unterstützt werden, auf der Seite der Aufständischen kämpfen würden. Kaim zufolge seien bei Gefechten nahe der Hauptstadt am 6. Juli bereits kolumbianische Söldner gefallen. Die Kolumbianer hätten sich den Milizen in Misurata angeschlossen und würden gemeinsam mit diesen versuchen, die Hauptstadt einzunehmen. Die Aufständischen ließen durch ihre Führung, den sogenannten "Nationalen Übergangsrat" und dessen "Medienminister" Mahmoud Shamman, gegenüber einer kolumbianischen Tageszeitung verlauten, daß tatsächlich kolumbianische Söldner in Libyen aktiv wären, behaupteten jedoch zugleich, daß diese für die Regierung kämpfen würden.

Da die Regierungsseite im Gegensatz zu den Aufständischen angibt, ihre Angaben beweisen zu können, wäre es seitens der internationalen Gemeinschaft oder entsprechender UN-Gremien ein Leichtes, diese Beweise einzufordern und durch eigene Experten überprüfen zu lassen. Solange dies nicht geschieht, muß sich die NATO den Vorwurf gefallen lassen, daß sie - möglicherweise - ihre Hilfstruppen, sprich die sogenannten libyschen Aufständischen, durch kolumbianische Söldner verstärkt hat, um diesen bislang nicht zum beabsichtigten Erfolg, sprich dem Sturz des Ghaddafi-Regimes, geführten Krieg nun endlich in der von ihr gewünschten Weise zu beenden. Sollten die Angaben der libyschen Regierung zutreffen und tatsächlich kolumbianische Söldner, die in dem südamerikanischen Land als Todesschwadrone eine äußerst blutige und berüchtigte Vergangenheit aufweisen, in diesem Krieg mitkämpfen, wäre die Frage zu klären, auf wessen Veranlassung hin dies geschehen sein mag.

Für deutsche Diplomaten wäre dies zumindest machbar gewesen. Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) hat sich auf Betreiben von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel bereits im vergangenen Herbst an einem Aufstandsbekämpfungsprogramm des kolumbianischen Militärs beteiligt. Bei diesen Projekt handelte es sich um die Erstellung eines Raum/Umweltordnungsplans für den im Südosten Bogotás gelegenen Macarena-Nationalpark, einen Kriegsschauplatz, an dem noch im Herbst vergangenen Jahres Kämpfe zwischen der Rebellenarmee FARC, dem Militär und eben auch den Paramilitärs stattfanden. Die Beziehungen zwischen Berlin und Bogotá wurden durch verschiedene, als "Entwicklungshilfe" ausgewiesene Projekte intensiviert. Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos war schon vor seinem Amtsantritt im August 2010 nach Berlin gereist, um sich der Unterstützung der deutschen Regierung zu versichern. Diese Kooperation trug der Bundesregierung scharfe Kritik ein wegen der umfangreichen Menschenrechtsverletzungen des kolumbianischen Militärs wie auch der paramilitärischen Verbände.

Vor wenigen Tagen hat Präsident Santos ein Gesetz in Kraft gesetzt, durch das rund 32.000 ehemaligen Mitgliedern der paramilitärischen "Vereinigten Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens" (AUC) eine faktische Straffreiheit gewährt wird. Durch diesen Erlaß können Strafen gegen ehemalige AUC-Kämpfer, die sich zwischen 2003 und 2006 demobilisieren ließen, aufgehoben werden. Angeblich sollen schwere Menschenrechtsverletzungen davon ausgenommen bleiben, was für Außenstehende jedoch nicht überprüfbar sein wird, da die betroffenen Paramilitärs ausschließlich einer Sonderkommission, der Hohen Kommission für Wiedereingliederung (ACR) verpflichtet sind und ihre Aussagen nicht weitergegeben werden dürfen. Liegt da die Vermutung nahe, hier würden die juristischen Voraussetzungen geschaffen werden, um diese mit allen Einzelheiten einer schmutzigen Kriegführung bestens erprobten Söldner weiteren Aufgaben, etwa im Libyen-Krieg, zuzuführen? Aufklärung täte hier dringend not.

Doch solange die Bundesregierung zu diesen Fragen schweigt, muß zumindest die Frage gestellt sein, welchen Inhalt wohl die Gespräche und Verhandlungen haben werden, die Bundesaußenminister Guido Westerwelle während seines Kolumbien-Aufenthaltes am kommenden Donnerstag zu führen gedenkt. Wenn nun schon erste Berichte über einen solchen "Export" kolumbianischer Todesschwadrone in eine Kriegszone Nordafrikas bekannt geworden sind, steht zu befürchten, daß die NATO-Staaten in aller Stille an einer "Internationalen" der ganz besonderen Art feilen, einer aus gedungenen Söldnern bestehenden, inoffiziellen Fußtruppe, die überall dort in Erscheinung tritt, wo die NATO-Staaten ihrerseits triftige Gründe haben, die Entsendung eigener Bodentruppen tunlichst zu vermeiden. Und da die deutsche Bundesregierung über einen "heißen" Draht sowohl zu den sogenannten Aufständischen in Libyen als auch der kolumbianischen Führung um Präsident Santos verfügt, darf vermutet werden, daß Berlin in einem solchen Szenario eine nicht unerhebliche Rolle spielen würde.


12. Juli 2011