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AFRIKA/1783: Kenia verpachtet fruchtbares Land an Qatar (SB)


Hunger und Armut in Kenia - aber Regierung vereinbart windige Großprojekte


Weltweit hat ein Run auf landwirtschaftliche Flächen eingesetzt. Angetrieben von der Aussicht, daß Bevölkerungswachstum, Klimawandel und eine generelle Verschlechterung der Bodenqualität die Nahrungsproduktion in der Zukunft stärker denn je unter Druck setzen werden, haben sich Investoren auf eine Beständigkeit versprechende Ware zur Anlage ihrer Finanzmittel verlegt: Nahrung. Ohne sie kann ein Mensch nicht überleben, deshalb verheißt ein knappes Nahrungsangebot bzw. eine große Nachfrage lukrative Geschäfte.

Zudem vermag eine Vielzahl von Staaten nicht genügend Nahrung selber herzustellen. Das gilt insbesondere für aride und semiaride Gebiete. So besuchte kürzlich der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi die Ukraine, um über die Pacht von ausgedehnten Ländereien zum Anbau von Getreide zu verhandeln; Saudi-Arabien hat unter anderem in Sudan Ländereien erworben; und der südkoreanische Konzern Daewoo hat dieser Tage einen Vertrag mit Madagaskar über den Anbau von Zuckerrohr auf 1,4 Mio. Hektar landwirtschaftlicher Fläche endgültig unter Dach und Fach gebracht.

Auch die kenianische Regierung beteiligt sich an diesen Geschäften. Abgesehen von dem höchst umstrittenen Plan, Tausende Hektar einer ökologisch einzigartigen Region im Tana-Delta an das Zuckerrohr-Unternehmen Mumias Sugar Company abzutreten, hat sie der Regierung Qatars in einer benachbarten Region des Deltas weitere 40.000 Hektar fruchtbaren Bodens zum Anbau von Nahrungsmitteln wie Obst und Gemüse versprochen, wie die die kenianische Zeitung "The Nation" am Sonntag berichtete. [1]

Im Gegenzug hat der Golfstaat den Bau einer Hafenanlage auf der Touristeninsel Lamu im Wert von rund 3,5 Milliarden US-Dollar zugesagt. [2] Fünf Jahre werden veranschlagt, bis das Projekt seine volle Kapazität ausschöpfen kann. Zudem verhandeln die beiden Staaten über den Bau einer Straßenverbindung zwischen Garsen und Lamu; die Eröffnung einer kenianischen Botschaft im Emirat am Golf ist bereits beschlossen.

Der Pachtvertrag, der im vergangenen November im Rahmen des Besuchs des kenianischen Präsidenten Mwai Kibaki beim Emir von Qatar, Sheikh Hamad bin Khalif Al Thani, beschlossen wurde, wird vor dem Hintergrund vereinbart, daß in Kenia ein eklatanter Nahrungsmangel herrscht. Ein Drittel der Bevölkerung hungert. Schlechte Witterungsverhältnisse, eine mangelhafte Verwaltung und auch die Folgen der schweren Unruhen vor einem Jahr nach den Wahlmauscheleien Kibaki, der seinen Wahlkampfgegner Raila Odinga schließlich mit ins Boot geholt hat, ließen die Nahrungsreserven schwinden und die Preise nach oben schießen. Deshalb sah sich die Regierung bereits gezwungen, Grundnahrungsmittel zu subventionieren und Festpreise für Maismehl zu bestimmen.

Die Regierung besitzt in der Region des Tana-Deltas rund 500.000 Hektar Land. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum sie nicht Programme zur Förderung der heimischen Landwirtschaft auflegt. Dadurch könnte den verarmten Bauern zu einem regelmäßigen Einkommen verholfen und der Nahrungsmangel im Land abgemildert werden.

Abgesehen von Mombasa noch einen zweiten modernen Hafen am Indischen Ozean zu besitzen, klingt zunächst attraktiv. Über Lamu könnten Äthiopien und Südsudan ihren Handel abwickeln, wovon Kenia zusätzlich profitierte. Aber es stellt sich die Frage, ob nicht die Beseitigung der unmittelbaren Not und die Förderung der lokalen Landwirtschaft viel mehr im Interesse der allgemeinen Bevölkerung lägen als die Verpachtung von Land für Exporterzeugnisse. Dieser Widerspruch ist so auffällig, daß sich die kenianische Regierung dem Verdacht aussetzt, sie beabsichtige, die Tradition des Nepotismus zur neuen Blüte treiben zu wollen.

Jedenfalls klingt das Argument der Regierung, daß mit Qatar vereinbart wurde, es werde Kenia helfen, eine vergleichbare Fläche für die eigenen Nahrungssicherheit zu erschließen, ziemlich windig. Bezeichnungen wie "vergleichbar", "helfen" und "entwickeln" sind interpretierbar und müssen keineswegs bedeuten, daß Kenia mit Hilfe Qatars Nahrungsautarkie erlangt.


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Anmerkungen:

[1] http://www.nation.co.ke/News/-/1056/513528/-/u190px/-/

[2] http://www.nation.co.ke/News/-/1056/496966/-/tm5rcj/-/index.html

13. Januar 2009