Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/1845: Die selbsternannten Weltführer halten sich für generös (SB)


Neuauflage 2009: Perlen und bunte Tücher für Afrika

Großspuriges, Aufgeblasenes Ende des G8-Treffens im italienischen L'Aquila


Die führende Wirtschaftsmächte kommen bei der Aufteilung der Welt und Sicherstellung von lebenswichtigen Sourcen Schritt für Schritt voran. Seit vielen Jahren lamentieren die Staats- und Regierungschefs der G8 über die wachsende Not auf dem afrikanischen Kontinent. Ob Köln, Gleneagles, Heiligendamm oder jetzt in L'Aquila - mit den Krokodilstränen, die von den selbsternannten Weltführern vergossen werden, können Ozeane gefüllt werden. Jahr für Jahr nicken afrikanische Präsidenten, die bei den G8-Treffen am Katzentisch teilnehmen dürfen, die verheißungsvollen Ankündigungen, wie man den armen Menschen auf ihrem Kontinent helfen könne, lächelnd ab. In diesem Jahr steht über dem prunkvollen Tor des Jahr für Jahr von der G8 neu aufgebauten Potemkinschen Dorf: 20 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe.

Mit diesem Sümmchen soll die afrikanische Landwirtschaft in den nächsten drei Jahren auf Vordermann gebracht werden. Das ist, wie jeder der Beteiligten weiß, ein Schlag ins Gesicht der notleidenden Menschen. Man kann es natürlich auch positiv ausdrücken - nach der deutschen Entwicklungshilfeministerin Heide Wieczoreck-Zeul haben die G8 "ein deutliches Zeichen" gesetzt.

Ja, das haben sie in der Tat, allerdings in einem anderen Sinn, als es die Ministerin gemeint haben dürfte. In welche Sektoren der Landwirtschaft investiert werden wird, steht noch nicht fest. Angesichts der rasanten Aneignung afrikanischen Ackerlands durch transnationale Konzerne steht zu befürchten, daß ein nicht geringer Teil der Investitionen lediglich der Quersubventionierung eben dieser Unternehmen dienen wird.

Nun befinden sich die Vertreter Afrikas beim G8-Treffen in keiner Position, in der sie Forderungen nach mehr stellen könnten. Ihnen wird die Rolle des Bittstellers zugewiesen. Ihre Ressourcen-Karte zieht nicht, denn längst wurde eine Weltordnung geschaffen, in der jene, die sich am unteren Ende der Produktionskette befinden, den geringsten Nutzen davon haben. Afrika verfügt über enorme Bodenschätze, doch an der Ausbeutung profitieren an vorderster Stelle ausländische Konzerne und nachrangig die jeweilige lokal bzw. national herrschende Elite, die den Raubzug militärisch oder durch Beruhigungspillen in Form von winzigen Abgaben an die Bevölkerung, organisiert.

Wie bei solchen Verallgemeinerungen üblich, lassen sich auch Gegenbeispiele finden. Afrika soll hier keineswegs mit dem üblichen und üblen Vorurteil, es sei ein korrupter Kontinent, beschrieben werden. Zur Korruption gehören immer zwei, und angesichts der wirtschaftlichen Stärke der transnationalen Konzerne und wirtschaftlichen Überlegenheit des Westens allgemein kann man als gesichert annehmen, daß sie mit der Kumpanei verhältnismäßig besser fahren als ihre afrikanischen "Partner".

Insofern trifft beispielsweise die Bewegung für die Befreiung des Nigerdeltas, MEND, in Nigeria durchaus einen empfindlichen Punkt, wenn sie den Abzug der ausländischen Konzerne aus dem Ölfördergebiet fordert. Vielleicht haben die MEND-Mitglieder letztlich keinen anderen Wunsch, als auch mal auf dem Thron sitzen zu dürfen. Wie dem auch sei, am Beispiel Nigeria zeigt sich die gut geschmierte Zusammenarbeit zwischen dem lokalen Establishment und den transnationalen Ölgesellschaften, während der Großteil der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt.

Die Kritik an der lächerlich geringen Summe von 20 Mrd. Dollar für die landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas impliziert, daß mit einer höheren Summe mehr "für Afrika" getan werden würde. Diese Annahme könnte sich jedoch als Täuschung erweisen; vielleicht bedeutete eine höhere Summe lediglich, den eigenen Zugriff auf die Ressourcen zu vergrößern. Solange die Europäische Union in Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten und die Industriestaaten allgemein im Rahmen der eigentlich gescheiterten Doha-Runde der Welthandelsorganisation Subventionsabbau und Handelsliberalisierungen von Seiten der afrikanischen Länder verlangen, wird die eingangs erwähnte Weltordnung mit all ihren disparaten Entwicklungen, die bereits über eine Milliarde Hungernde und doppelt so viele verarmte Menschen hervorgebracht hat, immer weiter ausgebaut.

10. Juli 2009