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AFRIKA/1849: Nigeria - Kein Ende des Gas-Abfackelns in Sicht (SB)


Nigerdelta - Größte Umweltkatastrophe Afrikas

Nigerias Regierung legt neuen Termin für Ende des Gas-Abfackelns fest


Die nigerianische Regierung hat zwar jetzt einen neuen Termin für das Ende des gesundheitsgefährdenden Gas-Abfackelns festgelegt, aber man kann nicht sagen, daß ein Ende in Sicht ist. Denn der Termin wurde nicht zum ersten Mal festgelegt und wurde mit der jüngsten Entscheidung der Regierung wieder einmal weiter nach hinten verschoben. Vergangene Woche berichtete IPS [1], daß 2011 als Datum, ab dem kein Gas mehr abgefackelt werden dürfe, festgelegt wurde.

Es wäre naiv anzunehmen, daß der Termin eingehalten wird. Zuletzt hatte es geheißen, daß ab 2010 kein Gas, das bei der Förderung des Erdöls an die Oberfläche dringt, mehr ungenutzt verbrannt werden darf. [2] Zuvor hatten die Erdölkonzernen den Stichtag 31. Dezember 2008 verstreichen lassen, ohne bis dahin nennenswerte Maßnahmen zum Abfangen des Erdgases zu ergreifen. Angesichts der Jahrzehnte, in denen im Nigerdelta ein Ende des Gas-Abfackelns verlangt wird [3], ohne daß dieser nachvollziehbaren Forderung der inzwischen auf 30 Millionen Menschen angewachsenen Zahl der Bewohner dieser Region von der Regierung oder den Unternehmen ernsthaft nachgekommen worden wäre, kann niemand erwarten, daß dem neuerlichen Termin mehr Glaubwürdigkeit zugesprochen wird als den vielen früheren Gelegenheiten, die gezielt verpaßt wurden. Noch immer wird aus etwa 100 Gebieten rund 40 bis 60 Prozent des Gases nicht abgefangen, was jährlich 23 Milliarden Kubikfuß (650 Mrd. Kubikmeter) entspricht. Das Gas hat einen Wert von 2,5 Milliarden US-Dollar.

In Deutschland hat man so recht keine Vorstellung davon, welche zerstörerischen Folgen das Gas-Abfackeln hat. Man denkt vielleicht an ein paar Industrieschornsteine am Horizont, aus denen es qualmt oder die eine Feuerzunge in den Himmel strecken. Diese Vorstellung trifft nicht zu. Nigeria ist der größte Erdölexporteur der Subsaharastaaten (es wurde nur vor kurzem von Angola überholt, weil die Produktion in Nigeria aufgrund des bewaffneten Konflikts im Nigerdelta zurückgegangen ist), und fast das gesamte nigerianische Öl wird im Nigerdelta gefördert. Das Gas, das mehr als 250 verschiedene Gifte enthält, wird teilweise inmitten der Siedlungen oder in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihnen vertikal oder horizontal abgefackelt.

Tag und Nacht schießen meterhohe Flammen laut lärmend in den Himmel. Der Ruß legt sich auf Gemüsebeete, Brunnen, Wege, Häuser und einfach allem nieder; das Trinkwasser schmeckt ölig. Saurer Regen verätzt die Umwelt. Die Einwohner leiden vermehrt unter Atemwegserkrankungen wie chronische Bronchitis, Asthma, Krebs, Blindheit, Impotenz und Fehlgeburten, so Nnimmo Bassey [1] von der Nichtregierungsorganisation Environmental Rights Action (ERA), die mit der internationalen Umweltorganisation Friends of the Earth assoziiert ist.

Das Nigerdelta ist innerhalb Afrikas, wenn nicht sogar weltweit das Gebiet mit der größten Umweltverschmutzung. Und nun behauptet die Regierung, daß der letzte Termin für das Ende des Gas-Abfackelns zwar verstrichen ist, aber daß nun ein neues Datum festgelegt wurde, das eingehalten werden muß. Die Konzerne haben bereits angekündigt, daß sie 2013 als einen geeigneteren Termin betrachten.

Es besteht eine stille Kumpanei zwischen Nigerias Regierung und den internationalen Erdölkonzernen, Leidtragende sind die Bewohner des Nigerdeltas. 25 Prozent des Erdöls wird nach Europa verschifft, somit landet ein Teil auch in deutschen Verbrennungsmotoren. Die hohe Mobilität in Deutschland geht auch zu Lasten der Lebensverhältnisse der Menschen im Nigerdelta. Deutschland bezeichnet sich gern als weltweit führendes Land auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Dabei werden die Umweltbelastungen in der Produktionskette von Gütern, die eingeführt werden, gern vernachlässigt. Allein durch das Gas-Abfackeln pumpt Nigeria pro Jahr mehr als 400 Millionen Tonnen Kohlenstoff in die Atmosphäre. Anteilsmäßig trägt Deutschland dafür eine Mitverantwortung. Die stille Kumpanei muß also noch weiter gefaßt werden als allein zwischen Nigerias Regierung und den Erdölkonzernen.

20. Juli 2009

Anmerkungen:

[1] "Nigeria: Playing With Fire", IPS, 17. Juli 2009
http://allafrica.com/stories/200907170833.html

[2] Siehe dazu hier im Schattenblick: AFRIKA/1829: Nigerias Senat beschließt Ende des Gas-Abfackelns (SB), 15. Mai 2009

[3] Das routinemäßige Abfackeln von Gas sollte bereits 1984 auslaufen. Grundlage dafür war das Nigeria's Associated Gas Reinjection Act (1979). Nur für bestimmte Konstellationen waren in dem Gesetz Ausnahmeregelungen vorgesehen.

20. Juli 2009