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AFRIKA/1867: Konfliktreiche Gemengelage in Somalia (SB)


Islamisten erobern Städte

Dutzende Tote unter den Kampfparteien und der Zivilbevölkerung


Erneut droht Somalia zu einem besetzten Land zu werden. Zumindest gilt dies heute bereits für eine bestimmte Region. Äthiopische Soldaten haben die Grenze überschritten und sind am Donnerstag in die strategisch wichtige, zentralsomalische Stadt Beledweyne einmarschiert, wie AfricaNews meldete. [1] Augenzeugen berichteten, daß die schwer bewaffneten Soldaten Stützpunkte in der Stadt eingerichtet haben. Ein Sprecher der äthiopischen Regierung hat zwar wiederholt bestritten, daß Soldaten Äthiopiens in Somalia einmarschiert sind. [2] Das ist jedoch nicht glaubwürdig, da Äthiopien das auch in der Vergangenheit stets geleugnet hat, obwohl sie genau das getan hatten.

Erst im Januar dieses Jahres waren die Äthiopier nach einer zweijährigen Besatzungszeit aus Somalia abgerückt. In dieser Zeit starben 18.000 Somalier eines gewaltsamen Todes, mindestens eine Million wurden vertrieben. Ob die Äthiopier bei ihrem aktuellen Vorstoß wie bei der damaligen Invasion ab 26. Dezember 2006 mit örtlichen Kräften der Übergangsregierung, in diesem Fall von Präsident Sheikh Sharif Achmed, der damals noch auf der anderen Seite stand, zusammenarbeiten, ist unklar. Seit Mittwoch herrscht in Somalia Ausnahmezustand. Zur Zeit finden in zentralen Landesteilen schwere Kämpfe zwischen Soldaten der Übergangsregierung und der Islamistenorganisation Al-Shabaab statt. [3] Bei den anschließenden Kämpfen an verschiedenen Orten starben mindestens 45 Personen, 30 wurden verletzt.

Regierungssoldaten hatten die Islamisten in der zentralsomalischen Stadt Bula Burde angegriffen, sich aber anscheinend wieder zurückgezogen. Wohingegen die südliche Stadt Bulahawa von Al-Shabaab-Kämpfern zurückerobert wurde, nachdem sie Anfang der Woche vertrieben worden waren. Die Rebellengruppe Hizbul Islam hat unterdessen die Kontrolle über die Stadt Luuq in der Region Gedo erobert, nachdem sie am Mittwoch vor regierungstreuen Milizen fliehen mußten.

In Somalia herrscht eine Gemengelage unterschiedlicher Interessen. Neben den traditionellen Rivalitäten in der nach wie vor stark von Klanen geprägten Gesellschaft versuchen auch Gruppen von außerhalb Einfluß zu gewinnen, und es bilden sich klanübergreifende Fraktionen, die sich entweder materiell bereichern oder ihren religiösen Einfluß ausdehnen wollen. Außerdem wird in Somalia ein Stellvertreterkrieg zwischen den Erzrivalen Äthiopien und Eritrea ausgetragen. Dem noch nicht genug, versucht die US-Regierung seit langem ihre globalhegemonialen Interessen am Horn von Afrika durchzusetzen, schon zur Zeit des 1991 gestürzten Diktators Siad Barre. Heute ist Sheikh Sharif Achmed, der eine gemäßigtere Form des Islam befürwortet, ihr Favorit und damit Adressat für Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung.

Die Vielschichtigkeit des Konflikts macht ihn fast unauflösbar. Haben sich an einem Tag zwei Streitparteien geeinigt, befürchtet eine dritte, ausgebootet zu werden, und geht zum Angriff über. Ein Beispiel dafür ist jene Phase zwischen Juni und Dezember 2006, als die Union der islamischen Gerichte eine Bande von den USA unterstützten Warlords vetrieben und Kontrolle über weite Teile des Landes, einschließlich die Hauptstadt, erlangt hat. Obgleich die Einführung des islamischen Rechts der Scharia auf keine Begeisterung in der ansonsten einen gemäßigten Islam pflegenden Bevölkerung stieß, äußerten sich doch viele Einwohner zufrieden mit jener Phase, weil sie von einem drastischen Rückgang an Gewalt, Abbau der Straßensperren und Öffnung des Überseehafens Mogadischus für Hilfslieferungen gekennzeichnet war. Diese Zeit wurde von Äthiopien beendet, das bei seiner Invasion mindestens von den USA, Großbritannien und Kenia unterstützt wurde. Letzterer hatte versucht, seine Grenze dicht zu machen, und Flüchtlinge zurück ins Kriegsgebiet geschickt.


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Anmerkungen:

[1] "Ethiopian troops back in central Somalia", AfricaNews, 20. August 2009
http://www.africanews.com/site/Ethiopian_troops_back_in_central_Somalia/list_messages/26530

[2] "Somalia fighting kills at least 45 residents", Reuters, 20. August 2009
http://www.reuters.com/article/homepageCrisis/idUSLK004914._CH_.2400?rpc=401&

[3] "Somali fighters retake two towns. Somalia has been under a state of emergency since Wednesday", 20. August 2009
http://english.aljazeera.net//news/africa/2009/08/2009820154933876871.html

21. August 2009