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AFRIKA/1878: Nahrungsmangel im "Agrospritland" Tansania (SB)


Tansania verzeichnet Nahrungsmittelmangel von über 1,3 Mio. Tonnen


Als die tansanische Regierung vor einigen Jahren beschloß, ausländische Investoren ins Land zu holen, damit sie dort angeblich ungenutzte Fläche in Bewirtschaftung nehmen und Pflanzen für Agrosprit anbauen, trat sie Kritikern mit dem Argument entgegen, daß die Nahrungsversorgung gesichert sei, es gebe keine Flächenkonkurrenz zwischen der Produktion von Treibstoff und der von Nahrung.

Das mag für die Vergangenheit gegolten haben, in der Saison 2009/10 hingegen erlebt das Land bereits Anzeichnen eines Nahrungsmangels. Wie die tansanische Zeitung "The Citizen" [1] unter Berufung auf das Regional Agricultural Trade Intelligence Network meldete, verzeichnet das Land ein Defizit von 1.313.199 Tonnen; Mangel herrscht insbesondere an Getreide. Darunter leiden einige Regionen im Norden und Nordosten Tansanias bereits jetzt, nachdem die letzte Ernte schlecht ausgefallen war.

Im vergangenen Jahr wurden in Tansania 641.170 Hektar Ackerland für die Treibstoffproduktion verwendet. Nun kann nicht auf jeder beliebigen landwirtschaftlichen Fläche Getreide angebaut werden, typische Biospritpflanzen wie Jatropha kommen auch mit weniger guten Böden aus. Aber dann bleiben die Erträge gering, so daß Investoren von vornherein geneigt sind, sich die ergiebigsten Böden zu sichern.

In Tansania herrscht noch kein Hunger. Der Mangel in einer Region kann durch Überschüsse in anderen Regionen ausgeglichen werden, wenn der Staat regulierend eingreift. Sollte es darüber hinaus zu Versorgungslücken kommen, besteht die Möglichkeit, daß der Staat Getreide auf dem Weltmarkt erwirbt. Dennoch, eben weil Tansania verglichen mit den ostafrikanischen Staaten Kenia oder Somalia, relativ gut versorgt ist, wird an diesem Beispiel deutlich, daß vor der Investition in Agrosprit sichergestellt werden sollte, daß die Bevölkerung auch in schlechteren Erntejahren ausreichend zu essen hat.

Zumal Ostafrika vom Klimawandel im besonderen Ausmaß betroffen sein wird. Die Niederschlagsmengen in Tansania sind schon seit Jahren unterdurchschnittlich. Wissenschaftler prognostizieren als Folge der Erderwärmung regelmäßige Dürren, aber auch Starkniederschläge, was sich genauso verheerend auf den landwirtschaftlichen Anbau auswirken kann.

Tansania zählt sicherlich zu den Ländern, die über mehr Spielraum als andere verfügen, um schlechte Ernten zu kompensieren. Allerdings dürfte es zu denen gehören, die als erste aufgrund sich verschlechternder klimatischer Verhältnisse von einer relativ gesicherten zu einer prekären Versorgungslage fallen. An der Stelle könnte sich die Verpachtung bester landwirtschaftlicher Flächen an ausländische Investoren, welche die dringend benötigen Agrarerzeugnisse außer Landes bringen, am Ende als Fehlentscheidung herausstellen. Während in Europa und Asien die Autos mit Treibstoff aus Tansania fahren und das gesellschaftliche Getriebe hierzulande weiter wie geschmiert läuft, könnte die tansanische Bevölkerung aufgrund Nahrungsmangels in ernsthafte Bedrängnis geraten.


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Anmerkungen:

[1] "Tanzania: Nation Faces Food Shortfall of 1.3 Million Tonnes", The Citizen (Dar es Salaam), 23. September 2009
http://allafrica.com/stories/200909230569.html

24. September 2009