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AFRIKA/1894: Äthiopien - Mißbraucht Regierung Nahrungsmittelhilfe? (SB)


Hilfsgelder politisch instrumentalisiert?

USA und Großbritannien überprüfen, ob die äthiopische Regierung Oppositionelle vom "Lebensmittel-für-Arbeit"-Programm ausschließt


In Äthiopien sind 6,2 Millionen Einwohner auf Lebensmittelhilfe angewiesen; weitere sieben Millionen nehmen am "Lebensmittel-für-Arbeit"-Programm teil. Der äthiopischen Regierung wird nun vorgeworfen, sie instrumentalisiere dieses Programm und schließe Oppositionsanhänger davon aus. Dem Vorwurf widerspricht der äthiopische Staatsminister für Katastrophenschutz und Ernährungssicherheit, Mitiku Kasa. Die Auswahl der Teilnehmer läge einzig und allein in der Hand der Kommunen, die Regierung habe mit dem Prozeß nichts zu tun, sagte er. [1] Mit dieser Erklärung hat der Staatsminister allerdings nicht generell ausgeschlossen, daß es zu einer Instrumentalisierung des Nahrungsmangels gekommen sein könnte. Er behauptete nur, daß die Regierung dafür keine Verantwortung trage.

Vor gut zehn Tagen hat die größte Oppositionsgruppe Äthiopiens, das Forum für Demokratischen Dialog, der Regierung vorgeworfen, sie nutze ihren Zugriff auf vom Ausland finanzierte Armutbekämpfungsprogramme, um Anhänger für die Regierungspartei der Revolutionären Demokratischen Front des Äthiopischen Volkes (EPDFR) zu gewinnen. Die USA und Großbritannien haben eigene Untersuchungen der Beschuldigungen angekündigt. Sie wüßten von den Berichten und nähmen sie sehr, sehr ernst, erklärte Karl Wycoff, Staatssekretär im US-Außenministerium, gegenüber der Presse in Addis Abeba. Man werde weitere Überprüfungen der Lebensmittelhilfe an die Äthiopier vornehmen. [2]

Auch Großbritannien, das mit 119 Mio. Dollar in diesem Jahr nach der Weltbank der zweitwichtigste externe Finanzier des "Nahrung-für-Arbeit"-Programms der äthiopischen Regierung ist, wird dem Vorwurf des Mißbrauchs von Mitteln nachgehen. Der britische Staatsminister für Entwicklung, Gareth Thomas, forderte vergangene Woche bei seinem dreitägigen Besuch Äthiopiens die Regierung zu einer gründlichen Klärung der Anschuldigungen auf.

Für Mai 2010 sind in in dem ostafrikanischen Land Wahlen angesetzt. Im Juni 2005 war es im Anschluß an die Parlamentswahlen in Addis Abeba zu schweren Unruhen gekommen, 96 Personen verloren ihr Leben. Die Sicherheitskräfte hatten mit scharfer Munition geschossen. Darüber hinaus wurden laut Menschenrechtsorganisationen zahlreiche oppositionelle Politiker und Journalisten verhaftet. Die meisten von ihnen wurden erst 2007 wieder freigelassen, einige befinden sich noch immer im Gefängnis. Die Vorfälle wurden seitens der internationalen Gemeinschaft zwar kritisch aufgenommen, aber letztlich sitzt die Regierung von Premierminister Meles Zenawi fest im Sattel. Ende 2006 war die äthiopische Armee in Somalia einmarschiert. Das tat sie nicht allein aus Eigeninteresse, sondern auch zum Gefallen der USA und Großbritanniens. Das Forum für Demokratischen Dialog in Äthiopien, dem acht Oppositionsparteien angeschlossen sind, gilt nach Einschätzung von Beobachtern als ernstzunehmender Herausforderer der Regierungspartei. Selbst wenn sich der Vorwurf des Mißbrauchs von Hilfsgeldern bestätigen sollte, dürfte es schwierig sein, eine politische Wende herbeizuführen und Meles Zenawi, der seit 15 Jahren Regierungschef ist und internationale Unterstützung genießt, zu stürzen.


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Anmerkungen:

[1] "Ethiopia: Govt Rejects Politicized Food Aid Claims", UN Integrated Regional Information Networks, 24. November 2009
http://allafrica.com/stories/200911240841.html

[2] "Ethiopia: Britain and U.S. Urge Probe on Aid Abuse", The Nation (Nairobi), 23. November 2009
http://allafrica.com/stories/200911231880.html

26. November 2009