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AFRIKA/1897: Nigeria - Rund 350 ölverseuchte Flächen im Ogoniland (SB)


UN-Umweltprogramm arbeitet an Gutachten zu Bestand und Beseitigung von ölkontaminierten Flächen

Ogoni-Organisation MOSOP anscheinend nicht am Projekt beteiligt


Anfang der 1990er Jahre wurde die Ölförderung im Ogoniland Nigerias weitgehend aufgegeben, nachdem es dort zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den Einwohnern vom Volk der Ogoni und der Regierung Nigerias, die die Interessen des britisch-niederländischen Erdölkonzerns Shell mit Waffengewalt durchsetzen wollte, kam. Seitdem ruht zwar die Förderung, aber die Umweltverschmutzungen sind nicht aus der Welt. Im Gegenteil. Rostende Ölfördereinrichtungen und -pipelines sowie von den Einwohnern aufgebrochene Anlagen lassen die klebrige schwarze Flüssigkeit aller Orten austreten.

Vergangene Woche Freitag hat der Gouverneur des Bundesstaats River State und der örtliche Vertreter des UN-Umweltprogramm (UNEP) in Bori ein neues Projekt zur Erfassung der Umweltschäden im Ogoniland angekündigt.

Die Ogoni-Interessenorganisation MOSOP (Movement for the Survival of the Ogoni People), der auch der Schriftsteller Ken Saro-Wiwa angehörte, welcher am 10. November 1995 gemeinsam mit acht weiteren Ogoni von der Militärregierung unter Sani Abacha gehängt wurde, lehnt eine Zusammenarbeit mit UNEP und der Regierung ab. Begründet wird das damit, daß die neue Initiative nicht die erste sei, die das UN-Umweltprogramm, Shell und die Regierung von Nigeria im Ogoniland durchgeführt hätten. Früheren Versuchen habe es jedoch an Transparenz gemangelt. Ziel sei es immer nur gewesen, daß Shell wieder zurückkommt und die Ölförderung aufnimmt.

Bereits im Februar hatte MOSOP die UN-Vertreter, die ihre Tätigkeit von einem Büro in Port Hartcourt im Nigerdelta aus organisieren, gewarnt, daß ihre Glaubwürdigkeit "zusammenbreche", weil MOSOP nicht zuvor davon in Kenntnis gesetzt worden sei, daß UNEP-Experten ins Nigerdelta kommen. "Wir stellen mit Bestürzung fest, daß die Bundesregierung, UNEP und ihre Kollaborateure anscheinend nichts dazu gelernt haben, denn ihre fragwürdige Herangehensweise ähnelt der, die für den letzten Fehlschlag von UNEP und Regierung bei der Lösung des Problems geführt hat", schrieb MOSOP-Sprecher Bari-ara Kpalap im Februar dieses Jahres. [1]

Die UNEP teilte unterdessen mit, daß sie für 9,5 Mio. Dollar ein Gutachten über die Ölverseuchungen vornehmen und Empfehlungen geben wird, wie die Verschmutzungen beseitigt werden können, so daß das Land internationalen Umweltstandards genügt. [2] In vor drei Jahren durchgeführten sowie aktuellen Untersuchungen hat die UNEP rund 350 ölverseuchte Stellen in den vier Bezirken Eleme, Gokan,Tai und Khana festgestellt. [3] UNEP-Koordinator Mike Cowing erklärte, daß dem Umweltprogramm die Aufgabe aufgebürdet wurde, sich mit allen relevanten Beteiligten zu beraten, nachdem sich Shell zurückgezogen habe. Man werde die Arbeit nach internationalen Standards durchführen. Die Ergebnisse des Gutachtens würden als Basis für eine umfassende Reinigung und Sanierung der ölverseuchten Stellen im Ogoniland genommen. Dabei werde man mit der Rivers State Universität und Polytechnic zusammenarbeiten.

Vor einiger Zeit hat Gouverneur Rotimi Amaechi die Ogoni aufgefordert, sich auf die Spuren des älteren Ken Saro-Wiwa zu begeben, der sich der Entwicklung der Region verpflichtet gefühlt habe. Sie sollten ihren früheren Gefährten gestatten, die Sanierungsarbeiten zuzulassen, ohne sie zu verderben. Außerdem sollten die Ogoni-Führer ihre Kinder daran hindern, weiterhin ihre Umwelt durch illegales Bunkering (Anstechen und Abzapfen von Pipelines) zu zerstören. [3]

Der Gouverneur spricht hier zwar etwas an, was tatsächlich praktiziert wird - die Bewohner des Nigerdeltas verseuchen ihre eigene Umwelt, wenn sie illegal Öl abzapfen -, dennoch ist an dieser Stelle zu fragen, was zuerst da war, das Bunkering oder der Bau von Ölpipelines und Pumpstationen? Mit dieser an sich banalen Frage - selbstverständlich kann erst dann Öl illegal abgezapft werden, wenn eine Pipeline verlegt wurde - soll im wesentlichen auf zwei Dinge abgehoben werden: Erstens wird die Umwelt auch beim ungestörten Betrieb mit Öl verschmutzt und zwar kräftig, zweitens greifen die Bewohner des Nigerdeltas zu Brecheisen, Hammer oder was auch immer, um an das begehrte Öl in den Pipelines zu kommen, weil sie verarmt sind. Das macht aus einer illegalen Handlung keine legale, aber dies zu erwähnen stellt die Verhältnisse wieder auf die Füße.

Seit Jahrzehnten haben die Ölkonzerne in Kooperation mit der jeweiligen nigerianischen Regierung schwerwiegende Verseuchungen des Nigerdeltas zugelassen und Proteste der Bewohner entweder gewaltsam unterdrückt oder aber versucht, mit Versprechungen oder Almosen die fortgesetzte Ausbeutung des Landes zu Lasten seiner Bewohner abzusichern. Die Verletzungen und Gesundheitsschäden, welche die Bewohner erlitten haben, sind unbezahlbar. Die durch Erdöl kontaminierten Flächen zu reinigen sollte eine Selbstverständlichkeit sein.


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Anmerkungen:

[1] "UN to Assess Contaminated Oil Production Sites in Niger Delta", Environment News Service, 30. November 2009
http://www.ens-newswire.com/ens/nov2009/2009-11-30-03.asp

[2] "Nigeria: UN Agency Launches Assessment of Oil-Contaminated Region", UN News Service (New York), 20. November 2009
http://allafrica.com/stories/200912010011.html

[3] "Nigeria: Ogoniland - 350 Environmental Sites Contaminated - UNEP", Leadership (Abuja), 28. November 2009
http://allafrica.com/stories/200911301088.html

3. Dezember 2009