Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/1959: Ug99 - Weizenpilz bedroht globale Ernährungssicherheit (SB)


Eine 1999 in Uganda entdeckte Pilzkrankheit kann weltweit 90 Prozent aller Weizenarten befallen

Alarmierte Forscher züchten unter Hochdruck an neuen, unempfindlichen Sorten

Expertentreffen in St. Petersburg anberaumt


Zu den schwerwiegenden Gefährdungen der Nahrungsversorgung Afrikas gehört der Weizenpilz Ug99. Das erstmals 1999 von dem ugandischen Forscher William Wagoire in seiner Heimat nachgewiesene Pathogen breitet sich rasch aus und hat den Nahen und Mittleren Osten erreicht. 2008 wurde es aus Iran gemeldet. Sollte der Pilz weiterwandern, womit alle Experten rechnen, könnte er als nächstes Indien und Pakistan erreichen, in denen 20 Prozent der weltweiten Weizenernte eingefahren wird. Ug99 zählt zu den gefährlichsten Weizenkrankheiten überhaupt, da bei einem Befall eine Ernte vollständig vernichtet werden kann und weltweit schätzungsweise 80 Prozent aller Weizensorten hochgradig anfällig, 90 Prozent zumindest empfänglich für diesen Pilz sind. Der hat sich inzwischen weiterentwickelt und noch gefährlichere Varianten hervorgebracht. Weizenexperten warnen deshalb vor einer Bedrohung der Welternährung, da Weizen nach Mais und Reis das drittwichtigste Getreide ist, und züchten unter Hochdruck an Sorten, die unempfindlich gegenüber dem Pilz sind.

Am 30./31. Mai wird in St. Petersburg ein internationales Expertentreffen, der Borlaug Global Rust Initiative Technical Workshop (BGRI), veranstaltet, auf der sich Experten über Erfolge wie Mißerfolge in der Bekämpfung von Ug99 austauschen. [1] Vom 1. bis zum 4. Juni schließt sich ebenfalls in St. Petersburg die 8. Internationale Weizenkonferenz an. Auch aus Kenia, wo das Kenya Agricultural Research Institute (KARI) die Entwicklung der Weizenkrankheit zeitnah verfolgt, reisen Fachleute nach Rußland, um zu berichten und Informationen ihrer Fachkollegen einzuholen, meldete die Zeitung "The East African" kürzlich. [3] Kenia zählt zu den am schwersten von Ug99 heimgesuchten Ländern; über mehrere Ernteperioden hinweg wurde bereits eine beträchtliche Anzahl von Feldern geschädigt.

Wie alle Pflanzenpilze breitet sich Ug99 über Wind, Vögel und menschlichen Reiseverkehr aus. Hatte man früher angenommen, daß ein solcher Pilz kontinuierlich wandert, so gilt heute als gesichert, daß Epidemien in "beschleunigten Wellen" auftreten, wie Nick Houtman von der Staatsuniversität Oregon (OSU) berichtete. [4]

"Ug99 hat nahezu alle wichtigen Resistenzgene überwunden, die auf der ganzen Welt verteilt wurden, und riesige Produktionsräume einem hohen Risiko katastrophaler Ernteverluste ausgesetzt", wird aus einem kürzlich veröffentlichten Bericht des OSU-Weizenzüchters Jim Peterson für das National Wheat Improvement Committee zitiert. Unvergessen bis heute sind die schweren Weizenverluste in den USA Anfang der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Rund 40 Prozent gingen durch einen Pilz verloren, was internationale Anstrengungen zur gemeinsamen Bekämpfung von Pflanzenpathogenen auslöste. Einer der führenden Köpfe war damals Norman Borlaug, der auch "Vater der Grünen Revolution" genannt wird und 1970 den Nobelpreis erhielt. Es folgten Zuchtversuche auf Zuchtversuche, bis es gelang, Weizen herzustellen, der unter anderem dank des Gens Sr31 (Sr - Stem rust) von dem sich mit verheerender Wirkung austobenden Pilz Puccinia graminis nicht befallen wurde. Ug99 ist eine neue Art von P. graminis.

Sollte es nicht gelingen, den Pilz einzudämmen, auszurotten oder zumindest weltweit Weizen zu verbreiten, der nicht befallen werden kann, dann könnte es zu einer globalen Hungersnot kommen, befürchten Experten. Hat der Pilz erst einmal Pakistan, Indien und China erreicht, sind auch Rußland und die USA nicht mehr fern. Berechnungen des US-Landwirtschaftsministeriums zufolge wären dann 16 Mio. Hektar Weizen gefährdet. [5]

Ug99 wird als so gefährlich eingeschätzt, daß seine plötzliche Ausbreitung Gerüchte nach sich gezogen hat, er sei einem Forschungslabor entsprungen - vergleichbar mit der Mutmaßung, das Virus, das die Immunschwächekrankheit Aids auslöst, sei absichtlich in die Welt gesetzt worden, um die Homosexuellen, unter denen es sich anfangs ausgetobt hat, zu eliminieren. Weder für die eine noch die andere These liegen Beweise vor. Historisch verbürgt ist zumindest, daß die USA und die Sowjetunion viele Jahre an Pflanzenpilzen geforscht haben, um sie als biologische Waffen einzusetzen. Unter Präsident Richard Nixon wurde dieses offensive B-Waffenprogramm eingestellt. Angeblich wurden die Proben an Weizenpilzen vernichtet.

Eines muß man klar sehen: Die Militärs haben an Pilzen geforscht, die, einmal ausgebracht, womöglich Millionen Menschen zum Hungertod verdammt hätten. Selbst wenn man annimmt, daß die entsprechenden B-Waffen vernichtet wurden, ließ die Verbreitung von Anthrax-Viren im Gefolge der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA aufhorchen. Es gilt offiziell als gesichert, daß diese Viren aus einem militärischen Forschungslabor der USA stammen! Daher muß es nicht wundern, daß das Narrativ, Ug99 sei ein Forschungsprodukt, entstanden ist. (In Uganda hatten die Medien sogar den Entdecker der gefährlichen Pilzvariante, William Wagoire, für ihre Ausbreitung verantwortlich gemacht). Aber wie gesagt, unabhängig vom prinzipiellen Interesse des Militärs an Waffen, die Bevölkerungen schwerste Verluste bereiten können, gibt es für entsprechende Mutmaßungen im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Ug99 nicht einmal einen begründeten Anfangsverdacht.

Regelmäßig verfallen Forscher, die sich mit Ug99 befassen, in apokalyptisch klingende Prognosen zu den Folgen für die Welternährung, falls der Pilz die nördliche Hemisphäre erreicht. Abgesehen davon, daß Kenia immer häufiger von Dürren heimgesucht wird, was regelmäßig zu Ernteverlusten und Hunger führt, muß das ostafrikanische Land seit Jahren zusätzlich zu klimatischen Problemen auch noch die Ausbreitung des Weizenpilzes bekämpfen. Durch eine Abkehr vom ganzjährigen Weizenanbau in Kenia würden sich zwar die Chancen auf Eindämmung des gefährlichen Pilzbefalls verbessern. Allerdings hätte man durch diese Methode die Ernteverluste gewissermaßen vorweggenommen.


*


Anmerkungen:

[1] "BGRI 2010 Technical Workshop program" (draft Mar. 5, 2010)
http://globalrust.org/traction/permalink/about43

[2] http://www.8iwc.org/

[3] "Kenya: Forum to Seek Ways to Combat Deadly Wheat Rust", The East African (Nairobi), 17. Mai 2010
http://allafrica.com/stories/201005171338.html

[4] "Race to Resistance", Nick Houtman, Oregon State University, zuletzt abgerufen am 20. Mai 2010
http://oregonstate.edu/terra/race-resistance

[5] "Red Menace: Stop the Ug99 Fungus Before Its Spores Bring Starvation", Brendan I. Koerner für "Wired", 22. Februar 2010
http://www.wired.com/magazine/2010/02/ff_ug99_fungus/all/1

20. Mai 2010