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AFRIKA/1964: Sarkozy umschmeichelt Staats- und Regierungschefs (SB)


Frankreich-Afrika-Gipfel im Zeichen des fortgesetzten
Ausbeutungsinteresses


Der Einfluß der früheren Kolonialmächte auf Afrika schwindet. Alte Verbindungen werden von neuen, pragmatischen Geschäftskontakten ersetzt. Damit Frankreichs Einfluß nicht noch weiter erodiert und es womöglich noch neue Kontakte aufbauen kann, hat der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy seine Gäste auf dem kürzlich zu Ende gegangenen Frankreich-Afrika-Gipfel in Nizza gehörig umschmeichelt. Es sei "vollkommen unnormal", daß Afrika 25 Prozent der Weltbevölkerung stelle, aber keinen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, sondern nur einen von zehn wechselnden Sitze innehabe, sagte Sarkozy zum Auftakt des Treffens. Die Weltgemeinschaft müsse bereit sein, "Afrika einen Platz in der Weltführung einzuräumen". "Ohne die aktive Teilnahme des afrikanischen Kontinents" könne keines der großes Probleme von heute gelöst werden, erklärte das französische Staatsoberhaupt.

Sarkozy hielt mit seiner früheren Einschätzung, nach der die europäische Kolonialisierung "trotz aller Fehler" ein Aufbauprojekt für Afrika gewesen sei, tunlichst hinter dem Berg. Denn das war damals, vor rund drei Jahren, auf Sarkozys erster Afrikareise als Staatspräsident gar nicht gut angekommen. Außerdem hatte er sich bei seiner Rede vor 1300 geladenen Gästen an der Universität von Dakar zu chauvinistisch klingenden, pseudophilosophischen Belehrungen verstiegen. Die "tageszeitung" [2] zitierte aus der Rede:

"Afrikas Drama ist, dass der Afrikaner nicht genug in die Geschichte eingetreten ist. Der afrikanische Bauer kennt nur den ewigen Wiederbeginn der Zeit im Rhythmus der endlosen Wiederholung derselben Gesten und derselben Worte. In dieser Geisteshaltung, wo alles immer wieder anfängt, gibt es Platz weder für das Abenteuer der Menschheit noch für die Idee des Fortschritts. In diesem Universum, wo die Natur alles regelt, entkommt der Mensch der Qual der Geschichte, die den modernen Menschen gefangen hält, und er bleibt regungslos in einer unveränderlichen Ordnung. Nie geht er auf die Zukunft zu. Nie kommt er auf die Idee, aus der Wiederholung auszutreten, um sich ein Schicksal zu erfinden. Dies ist das Problem Afrikas."

An dieser Scharte hat Sarkozy noch heute zu wetzen. Man muß es sich einmal umgekehrt vorstellen. An der Sorbonne in Paris kämen 1300 Intellektuelle nicht nur Frankreichs, sondern ganz Europas zusammen, und ein ausländischer Staatspräsident bemühte sich im Brustton der Überzeugung, ihnen darzulegen, daß sie noch immer die Neandertaler von einst und unfähig seien, diesen Zustand zu überwinden.

Wie nicht anders zu erwarten, mußte Sarkozy kräftig zurückrudern und seine Afrikapolitik dem neuen Selbstbewußtsein der afrikanischen Regierungen, die immer weniger bereit sind, sich unter Preis zu verkaufen, anpassen. Also versprach er zum Abschluß des jüngsten Frankreich-Afrika-Gipfels, die Ausbildung einer afrikanischen Armee mit 300 Millionen Euro finanzieren zu wollen. Dadurch soll der Kontinent in die Lage versetzt werden, seine Konflikte selbst zu lösen. Zwischen 2010 und 2012 will Frankreich 12.000 Soldaten aus Afrika für Friedenseinsätze trainieren. Laut Sarkozy ist das "sehr viel intelligenter", als wenn sich andere um die Vielzahl an regionalen und örtlichen Krisen in Afrika kümmerten. Das bedeute aber nicht, daß Frankreich die Zusammenarbeit mit den Afrikanern auf den Feldern Friedenserhaltung, Kampf gegen Piraterie, Terrorismus und Drogenhandel aufkündige.

Mit solchen Reden dürfte der französische Präsident, der erstmals den traditionellen Frankreich-Afrika-Gipfel leitete und dazu - ein Novum - nichtstaatliche Vertreter, zu denen auch 230 französische und afrikanische Unternehmer zählten, eingeladen hatte, den richtigen Ton angeschlagen haben. In einer Zeit, da mit China ein potenter und zugleich patenter Konkurrent im Ringen um afrikanische Ressourcen das Spielfeld betreten hat, Indien, Japan, Rußland, Brasilien und andere Staaten nachdrängen und die Golfstaaten ausgezogen sind, großflächig Land zu pachten, sehen sich die Europäer genötigt, ihr paternalistisches Auftreten, zu dem das obligatorische Betonen guter Regierungsführung und Einhaltung der Menschenrechte gehört wie das Amen in der Kirche, gegenüber den afrikanischen Regierungen abzulegen.

Die Spielregeln, nach denen die Rohstoffe des Kontinents geplündert und die Menschen ausgebeutet werden, haben sich allerdings nicht grundsätzlich geändert. Es gibt nur leichte Verschiebungen, beispielsweise in Form der Beteiligung zivilgesellschaftlicher Gruppen an der politischen Entscheidungsfindung oder in Form eines höheren Anteils am Profit für das afrikanische Establishment an der Plünderung unwiederbringlicher Rohstoffe. Nach wie vor wird die Ausrichtung Afrikas auf den Export als Mittel gegen Armut verkauft, obgleich sich das allzu häufig als Irrtum erwiesen hat. Zwei Jahrzehnte Strukturanpassungsprogramme haben mehr Einwohner Afrikas verarmen lassen als je zuvor. Sarkozys Ankündigung, afrikanische Soldaten ausbilden zu lassen, soll dazu beitragen, daß die Afrikaner ihre meist aus Armut geborenen Konflikts gefälligst selbst ausfechten. Damit der Export von lästigen Behinderungen, die eine Umverteilung von oben nach unten mit sich brächte und unverzüglich zu einem nachhaltigen Anstieg der Lebensqualität der Mehrheit der Afrikaner führen würde, freigehalten wird.


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Anmerkungen:

[1] "UN-Sicherheitsrat. Sarkozy fordert ständigen Sitz für Afrika", FOCUS Online, 31. Mai 2010
http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/un-sicherheitsrat-sarkozy-fordert-staendigen-sitz-fuer-afrika-_aid_514328.html

[2] "Umstrittene Rede. Sarkozy befremdet Afrika", die tageszeitung, 1. August 2007
http://www.taz.de/?id=start&art=2529&id=afrika-artikel&cHash= d98355764c

8. Juni 2010