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AFRIKA/1968: Erdölförderung in Ghana - Furcht vor "Rohstoff-Fluch" (SB)


Ghana auf dem Weg zum mittelgroßen Erdölexporteur

... werden auch die Umweltschäden mittelgroße Ausmaße annehmen?


Die USA wollen ihre Abhängigkeit von Erdölimporten reduzieren und zugleich den Anteil an westafrikanischem Erdöl an ihren Einfuhren erhöhen. Dabei kommt den Anrainerstaaten des Golfs von Guinea eine besondere Bedeutung zu. Kaum einer von ihnen, vor dessen Küste kein Erdöl gefunden wurde. So auch Ghana. 2007 entdeckt, soll dort von Dezember an aus dem Jubilee-Förderfeld, dessen Volumen auf 800 Mio. Barrel hochwertigen Rohöls und mindestens eine weitere Milliarde weniger hochwertigen Rohöls sowie 800 Mrd. Kubikfuß Erdgas geschätzt wird, das erste Öl hinaufgepumpt werden.

Die Bevölkerung fragt sich, ob sich der "Fluch des schwarzen Goldes" auch auf ihr Land erstrecken wird. Denn bislang hat noch keines der führenden Erdölländer Westafrikas bewiesen, daß mit den Einnahmen aus dem Ölgeschäft die Armut erfolgreich bekämpft wird. Im Gegenteil, oftmals nimmt die Armut sogar noch zu, wenn das Erdöl sprudelt, so daß die Einnahmen die Taschen einer kleinen Oberschicht füllen. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, in welchem politischen System sich das abspielt.

Vor kurzem haben ghanaische zivilgesellschaftliche Organisationen die Befürchtung geäußert, daß es bei der Ölförderung zu Umweltverseuchungen kommen wird. [1] Tatsächlich ist die Furcht berechtigt, denn wie das Niger-Delta zeigt, in dem seit mehr als einem halben Jahrhundert Erdöl gefördert wird, verschlechtern sich die Lebensverhältnisse der in der Förderregion lebenden Menschen beträchtlich. Der ungebremste Ausfluß aus dem Bohrloch der untergegangenen Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko wiederum zeigt die besonderen Umweltgefahren der Offshore-Förderung, die zu den permanenten Umweltverschmutzungen hinzukommen.

In einer Stellungnahme der Dachorganisation Oilwatch-Ghana, die zahlreiche Nichtregierungsorganisationen vertritt, forderte ihr Vertreter Noble Wadzah die Regierung auf, die Gefahren für die ökologischen und existenzsichernden Systeme des Landes durch die Ölförderung zu beseitigen. Andernfalls seien die Gefahren für eben diese Systeme riesig. In der Vorbereitungsphase zur Ölförderung hätten die Unternehmen Kosmos Energy und Tullow Oil zugesagt, daß ihre Aktivitäten zu keinen nennenswerten Umweltzerstörungen, insbesondere nicht der marinen Umwelt, führen werden. Doch die Erklärung von Kosmos Oil nach der Ölleckage im Offshore-Fördergebiet Jubilee, daß der Austritt "technisch" bedingt sei, bedeute nicht, daß es zu keinen Auswirkungen auf die Umwelt kam, so Wadzah.

Oilwatch-Ghana macht darauf aufmerksam, daß der rechtliche Rahmen zur Aufsicht über die Ölförderung, zu möglichen Sanktionen und Kompensationsleistungen noch nicht vollständig steht, so daß die Gemeinden, in denen Öl gefördert wird, mit Blick auf die bereits eingetretene Ölleckage in besonderer Sorge sind. Die Organisation fordert die Regierung auf, Umweltgutachten über die Auswirkungen von Ölleckagen auf die empfindlichen ökologischen und existenzsichernden Systeme zu erstellen und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Zudem solle Ghana seine Abhängigkeit von fossilen Energieträgern überdenken und verstärkt in alternative Energien investieren.

Auch der in Ghanas Hauptstadt Accra ansässige Think Tank IMANI macht sich Sorgen über die Ölförderung, wobei bei ihm weniger Umweltaspekte im Vordergrund stehen als Transparenz, Finanzierung und Management. [2] Tullow Oil erwartet von seiner Jubilee-Förderanlage eine Tagesproduktion von zunächst 120.000 Barrel. Später soll der Wert verdoppelt werden. Nach Nigeria, Angola, Sudan und Gabun könnte Ghana zum fünftgrößten Erdölförderer unter den Subsaharastaaten aufsteigen. Die Regierung rechnet mit einem Wachstum des Bruttosozialprodukts in den nächsten Jahren um zehn Prozent allein aufgrund der Einnahmen aus dem Erdölexport.

Die Regierung hat unter anderem zugesagt, daß sie sich an die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) halte, wonach die Einnahmen über ein Konto bei der Zentralbank laufen und überwacht werden. Außerdem soll ein Fonds für künftige Generationen eingerichtet werden, in den überschüssige Gelder fließen, die dann von Investmentberatern verwaltet werden. Diese Entwicklungen gehen nach Ansicht von Ben Amunwa von der in London ansässigen Organisation Platform, die ein wachsames Auge auf die internationale Ölindustrie wirft, zu langsam. Bis Dezember, wenn das erste Öl flösse, gäbe es noch eine Menge zu tun, erklärte er. Das Gesetz über das Management der Einnahmen sei noch nicht veröffentlicht. Darauf könne nicht verzichtet werden. Über jede Politik, die eine demokratische Grundlage anstrebe, müsse angemessen diskutiert werden. Die (mißlungene) Verwaltung der Pensionsfonds für Hirten wecke Zweifel an der finanziellen Klugheit staatlich gelenkter Bemühungen, meinte der Platform-Vertreter. [2]

Unterdessen versucht Tullow Oil die von der Fischerei lebenden Gemeinden an der Küste Ghanas für sich zu gewinnen. Es erinnerte schon ein wenig an das Verschenken prachtvoller Tücher und bunter Perlen an die Eingeborenen, mit der einst die Kolonialzeit eingeleitet wurde, als vor kurzem Tullow Ghana Ltd. im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft allen Fischereigemeinschaften entlang der Küste der Western Region riesige Fernsehapparate, 200 Plastikstühle und eine Jahresgutschrift für das DSTV-Bezahlfernsehen übergab. [3] Nicht, daß sich die Fischer nicht darüber gefreut haben dürften, und wenn die Ölgesellschaft es nicht dabei beläßt, sondern tatsächlich keine Umweltschäden verursacht, durch welche die Einwohner ökologische und ökonomische Schäden erleiden, die womöglich gar nicht kompensierbar sind, könnte aus der Zusammenarbeit eine wunderbare, lebenslange Freundschaft werden. Die Chance besteht immer, auch wenn es dafür in der gesamten Region kein Beispiel gibt.

Ghanas Präsident John Atta Mills hat während seiner bislang 16monatigen Amtszeit die Inflation von über 20 auf unter 12 Prozent und die Staatsschulden von 24 auf zehn Prozent der Ausgaben gedrückt. [4] Der Preis für die Verbesserung der ökonomischen Daten: Fortgesetzte Armut. Eine rigorose Haushaltspolitik, Liberalisierung des Binnenmarktes und eine "Verbesserung des Investitionsklimas" haben nach Ansicht des junge-welt-Autors Raoul Rigault [5] die Probleme des Landes nicht behoben. Jedes fünfte Kind sei unterernährt, die durchschnittliche Lebenserwartung betrage 60,5 Jahre. Damit läge Ghana "hinter Haiti Haiti, Kambodscha oder Bangladesh auf dem 186. Platz in der Welt".

Somit besteht die Gefahr, daß die Öleinnahmen in den Schuldendienst fließen oder zur Verschönerung der makroökonomischen Daten eingesetzt werden. Große Sprünge lassen sich mit den bislang absehbaren Öleinnahmen anscheinend nicht machen. Im März dieses Jahres rechnete der Finanzminister vor, daß bei durchschnittlichen Jahreseinnahmen des Staates in Höhe von 800 Mio. Dollar durch die Erdölförderung während des Zeitraums 2011 bis 2029 auf jeden der 25 Mio. Einwohner maximal 75 Dollar pro Jahr entfallen. [4]

Manche Experten sehen in den relativ geringen Einnahmen einen Vorteil, der helfen könnte, die Wirtschaft allmählich umzubauen und den Lebensstandard der Menschen ebenfalls allmählich zu verbessern. Solche Vorstellungen scheinen allerdings hoffnungsgetragen. Zumal vor Ghanas Küste weitere aussichtsreiche Erdölfelder gefunden wurden, die das Versprechen auf eine langsames Wirtschaftswachstum aushebeln. In fünf bis sechs Jahren wird Ghana eine Million Barrel Rohöl täglich fördern, schwärmte Kwaku Boateng, Direktor von Petroleum Upstream, das dem Energieministerium zugeordnet ist. [6] Hintergrund ist die Entdeckung weiterer Erdölfelder rund 65 Kilometer vor der Küste, wo in mehr als 1100 Meter Meerestiefe nach Öl gebohrt wird.

Tullow Oil verfügt offensichtlich über eine kluge Public Relation-Abteilung, denn dessen Manager Tony Aubynn hat sich mit einem örtlichen Fischer und einem Mitglieder der Regierung zusammengetan und dem Jugendzentrum von Sekondi den ersten von 17 Fernsehgeräten übergeben. Auch die Zusage, daß in allen Gemeinden Bürgerbüros eingerichtet werden, in denen die Gemeindemitglieder ihre Sorgen und Bedenken vortragen können, entspringt einer Firmenpolitik, die sich anscheinend von der anderer Ölgesellschaften abhebt. Das gleiche gilt für die Ernennung von Gemeindemitgliedern als CSR-Repräsentanten (Corporate Social Responsibility). Aber erst die Praxis wird zeigen, ob solche Büros und kommunalen Funktionsträger nicht als bloße Fangnetze für den Ärger der Anwohner installiert wurden, damit die Unternehmen ungestört ihren Geschäften weit vor der Küste nachgehen können.


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Anmerkungen:

[1] "Ghana: CSOs Express Concern On Spate of Oil Spillage", Accra Mail (Accra), 17. Juni 2010
http://allafrica.com/stories/201006170980.html

[2] "Ghana: Concerns Expressed over Country's Oil", Accra Mail (Accra), 16. Juni 2010
http://allafrica.com/stories/201006161139.html

[3] "Ghana: Tullow Unveils World Cup Package for Fishing Communities in W/R", Ghanaian Chronicle (Accra), 17. Juni 2010
http://allafrica.com/stories/201006171006.html

[4] "Ghana bids to break Africa's oil curse", Reuters, 26. Mai 2010
http://www.reuters.com/article/idUSTRE64P1HU20100526

[5] "Fragwürdiges Vorbild", junge welt, 21. Juni 2010

[6] "Ghana racing against the oil curse", 17. April 2010
http://www.ghanabusinessnews.com/2010/04/17/ghana-racing-against-the-oil-curse/

22. Juni 2010