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AFRIKA/2013: Bundestag verlängert Weltinnenkriegseinsatz der Bundeswehr (SB)


Deutschland wird auch am Horn von Afrika "verteidigt"

Asymmetrische Kriegführung hochgerüsteter Militärmächte gegen Hungerleider


Die Bundesrepublik Deutschland wird sich ein weiteres Jahr am Kriegseinsatz am Horn von Afrika beteiligen. Das hat der Bundestag am heutigen Freitag beschlossen. An dieser Großregion, die sich im Spannungsfeld zwischen dem afrikanischen und arabischen Raum befindet, Europas wichtigste Seeverbindung nach Asien darstellt und vor der Zufahrt zum Persischen Golf und damit einem potentiellen Kriegsgegner Iran liegt, statuiert die internationale Gemeinschaft ein Exempel. An dem "failed state" Somalia werden legalistische und logistische Innovationen erprobt. So hat der Sicherheitsrat allen Staaten erlaubt, die Souveränität Somalias zu ignorieren und Piraten auch in dessen Hohheitsgewässern, im Zweifelsfall sogar bis an Land zu verfolgen.

Das Ziel besteht darin, eine Region probehalber dem Diktat der Weltgemeinschaft zu unterwerfen, wobei Bezeichnungen wie "internationale Gemeinschaft" und "Weltgemeinschaft" angesichts der transatlantischen Dominanz im UN-Sicherheitsrat und der mit Abstand größten militärischen Präsenz von Kriegsschiffen der NATO- und EU-Staaten in der Region den irrtümlichen Eindruck einer Parität der Akteure unterstellen. Zwar haben auch China, Indien, Japan, Malaysia, Rußland und Iran, um eine Auswahl an beteiligten Staaten zu nennen, Kriegsschiffe vor die somalische Küste und in den westlichen Indischen Ozean entsandt, aber der Westen behält die Übermacht.

Hatte Horst Köhler vor einigen Monaten seinen Rücktritt als Präsident der Bundesrepublik Deutschland eingereicht, weil ihm die öffentliche Kritik an seiner Aussage an die Nieren ging, daß die Bundeswehr auch dazu da ist, Handelswege zu sichern, so war doch allgemein bekannt, daß der deutsche Soldat schon lange nicht mehr nur dazu abgestellt wird Landesverteidigung zu betreiben. Anders gesagt, Deutschland wird auch am Horn von Afrika "verteidigt", weil Deutschland dort hegemoniale Interessen verfolgt.

Die Bundesmarine nimmt an der EU NAVFOR-Mission Atalanta zur Bekämpfung von Piraten teil, von der Operation Enduring Freedom (OEF) hat sie sich im Juli verabschiedet. Bei den Piraten handelt es sich um Hungerleider, darüber können auch die erpreßten Summen in Millionenhöhe nicht hinwegtäuschen. Einzelne Personen mögen sich von den eingenommenen Geldern Paläste bauen, das Gros der somalischen Bevölkerung bleibt arm. Die Seeräuber stammen aus einer Gesellschaft, die seit langem massiven Einflüssen von außerhalb ausgesetzt ist. In dem Bürgerkriegsland überschneidet sich die lokale Konfliktebene mit rivalisierenden Clans mit der innerafrikanischen und diese wiederum mit der globalen.

In die Auseinandersetzung sind Äthiopien, Eritrea, Uganda, Burundi und Kenia involviert. Zwischen Ende Dezember 2006 und Anfang 2009 hatte das äthiopische Militär Somalia besetzt (ausgenommen die abtrünnigen Provinzen Somaliland und Puntland). Bekämpft wurden die Besatzungssoldaten durch Aufständische, die von Eritrea unterstützt wurden, sowie von teils eingesickerten, teils frisch rekrutierten, generell aber strenggläubigen Muslimen. Uganda und Burundi wiederum haben im Rahmen einer AU-Militärmission Soldaten zur Absicherung der Übergangsregierung nach Somalia entsandt, und Kenia hat seine Grenzen dicht gemacht, um zu verhindern, daß sich die vor den Kämpfen fliehenden Somalier in Sicherheit bringen können.

An der Invasion Äthiopiens waren sowohl die USA beteiligt, welche die Angriffspläne mit ausgearbeitet, eigene Soldaten entsandt und gelegentlich Raketen auf das Land abgefeuert haben, als auch Großbritannien, das Spezialeinsatzkräfte abstellte, die im Schatten der Invasion nach mutmaßlichen Al Qaida-Mitgliedern fahndeten.

Die Bundesrepublik Deutschland engagiert sich an den zahlreichen Kriegsschauplätzen der Welt nicht allein wegen der Ressourcensicherung, sondern weil dort die Weichen für eine Neuordnung der Staatengemeinschaft gestellt werden. Hierzu paßt auch das Streben nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Der Hauptzweck der Bekämpfung des Piratentums vor Somalia besteht nicht in der Beendigung von Hunger und Armut im Land, sondern in der Schärfung der Werkzeuge im Zuge ordnungspolitischer Maßnahmen. Das Abstimmungsergebnis im Bundestag muß als Bekenntnis dazu gewertet werden, daß Deutschland zu den führenden Hegemonialmächten gehören soll, die den bevorstehenden Ressourcenmangel, den verheerenden Folgen der Erderwärmung, der Zerrüttung bestehender politischer Strukturen auch mit militärischen Mitteln begegnen soll.

Nicht zufällig gerät Somalia zu einem der ersten Schlachtfelder der Weltinnenkriegspolitik, zeichnete sich doch die stark von Clanstrukturen und -loyalitäten geprägte Gesellschaft bereits vor der jüngeren antikolonialistischen Reaktion des religiösen Fundamentalismus, wie er heute in den islamistischen Aufstandsbewegungen al-Shabaab und Hizbul Islam in Erscheinung tritt, als widerspenstig gegenüber Fremdeinflüssen aus. Für die relative Eigenständigkeit der somalischen Gesellschaft ist in der kommenden Weltordnung, an der auch Deutschland durch die Entsendung der Kriegsmarine ans Horn von Afrika zimmert, kein Platz vorgesehen.

3. Dezember 2010