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AFRIKA/2067: Great Green Wall - kontinentbreiter Grüngürtel gegen die Wüstenbildung (SB)


Von Senegal bis Dschibuti - mit internationaler Hilfe sollen in der Sahelzone wieder Wälder entstehen



In Afrika nimmt ein gewaltiges Vorhaben im Kampf gegen die Wüstenbildung ganz allmählich Gestalt an. Im westafrikanischen Senegal wurden schon mehrere tausend Hektar Bäume für die "Great Green Wall" gepflanzt, berichtete "The Ecologist" [1]. Diese "Große Grüne Mauer" soll sich auf einer Breite von rund 15 Kilometern und Länge von über 7600 Kilometern von Senegal an der West- bis zu Dschibuti an der Ostküste des Kontinents erstrecken. Die vordergründige Idee hinter der "Great Green Wall for the Sahara and Sahel Initiative" (GGWSSI) besteht darin, durch das Anpflanzen von Bäumen eine grüne Mauer zu schaffen, durch die die Ausbreitung der Wüste verhindert und mit deren Hilfe nach Möglichkeit noch Ausgangspunkte für weitere grüne Schutzzonen geschaffen wird.

Das Zeitfenster für den Aufbau der grünen Mauer ist in zweifacher Hinsicht knapp. Zum einen sollte während der manchmal nur zwei Monate währenden Regenzeit gepflanzt werden, da die übrige Jahreszeit zu trocken für die Bäume wäre. Zum anderen breitet sich die Wüste immer weiter aus; die Sahara dehnt sich pro Jahr um rund einen Kilometer weiter nach Süden aus [2]. Fast 40 Prozent Afrikas sind bereits von der Desertifikation betroffen; nach Einschätzung der Vereinten Nationen werden zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche bis zum Jahr 2025 verlorengehen, wenn der Trend nicht aufgehalten werden kann.

Auf den ersten Blick klingt es einfach: Man setzt Bäume in die Erde und achtet darauf, daß sie anwachsen. Aber schon dabei hat man hierzulande kaum Vorstellungen davon, was es bedeutet, wenn die Menschen nur zu bestimmten Jahreszeiten Niederschlagswasser haben und in der übrigen Zeit die Wege zu den nächsten Wasserstellen oftmals viele Kilometer weit sind. Da wird normalerweise jeder Tropfen zum Trinken, Kochen und nötigen Waschen verwendet, nicht aber dazu, es wieder auszugießen und versickern zu lassen.

Neben der mindestens zeit- und stellenweise notwendigen Bewässerung der grünen Mauer besteht ein weiteres riesiges Problem in Heuschreckenplagen. Die Sahelzone wird regelmäßig von riesigen Schwärmen dieser gefräßigen Tiere heimgesucht. Die vertilgen alles Grünzeug, nicht nur Pflanzen, sondern auch beispielsweise grüne Kleidung, die zum Trocken an der Wäscheleine hängt. Ein aktuelles Beispiel unterstreicht, daß mit den Aufforstungsaktivitäten auch Programme zur Bekämpfung der Heuschrecken aufgelegt werden müssen, damit das Grün der Bäume nicht abgefressen wird: In Mali und Niger ist in diesem Jahr die schlimmste Heuschreckenplage seit 2005 ausgebrochen [3].

Niemand weiß mit Sicherheit zu sagen, ob sich die Wüste durch einen fünfzehn Kilometer breiten Grünstreifen aufhalten läßt. Denkbar ist, daß die enormen Sandstürme so viel Fracht aus der Sahara befördern, daß der Wald immer wieder mit Sand überschüttet wird. Selbst wenn das nicht passiert, müßte damit gerechnet werden, daß sich die Wüste nördlich und südlich der grünen Mauer ausbreitet.

Ein weiterer Faktor, von dem Erfolg oder Scheitern der Initiative abhängig ist, ist der Mensch. Das grüne Band erstreckt sich durch einige Konfliktgebiete, in denen es nicht gefahrlos möglich wäre, Bäume anzupflanzen und zu pflegen. So hat erst vor kurzem in Mali das Militär geputscht; im Norden des Landes hat sich die MNLA (Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad) der Tuareg erhoben, gleichzeitig werden sie von Islamisten der Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (Mujao) bedrängt.

Darüber hinaus droht Wildfraß die Pflanzen zu beschädigen, und die Menschen sind teilweise so arm, daß das Feuerholz, das sie aus dem Wald gewinnen könnten, für sie von hohem Wert ist. In der gesamten Sahelzone herrscht eine latente bis akute Hungersnot.

All diese Probleme und Bedenken sind natürlich kein Grund, das Projekt nicht voranzubringen, im Gegenteil. In dem senegalesischen Dorf Widou beginnt bereits der Bau der grünen Mauer, berichtete Bobby Bascombe für den "Ecologist". Hier werden verschiedene Akazienarten für die Pflanzung vorbereitet. Senegal betreibt sowieso schon ein umfangreiches Aufforstungsprogramm und hat seit 2008 jährlich rund 5000 Hektar Wald angelegt und pflanzt jährlich rund zwei Millionen Bäume. Die Große Grüne Mauer kommt noch hinzu.

Die Weltbank unterstützt das Gesamtvorhaben mit insgesamt 1,8 Milliarden Dollar, die Global Environment Facility legt noch 108 Mio. Dollar oben drauf. Das sind riesige Summen für ein "Öko-Projekt", aber eine geringe Investition angesichts der Chance, vor allem den viele Jahre vernachlässigten ländlichen Raum zu stärken."The Ecologist" zitiert Jean-Marc Sinnassamy, Programmleiter bei der Global Environment Facility, mit den Worten: "Wir finanzieren keine Baumpflanzungs-Initiative. Es hat mehr mit Landwirtschaft, ländlicher Entwicklung, Ernährungssicherheit und nachhaltigem Landmanagement als mit dem Pflanzen von Bäumen zu tun." [1]

Stärkung des ländlichen Raums - genau das aber ist etwas, das Entwicklungsorganisationen seit langem fordern und von IWF und Weltbank lange Zeit vernachlässigt wurde. Erst seitdem die globale Landfläche in den Fokus des internationalen Finanzkapitals gerückt ist und es zeitgleich zu einer weltweiten Preisexplosion bei Nahrungsmitteln kam, werden vermehrt Stimmen laut, die die Vernachlässigung des ländlichen Raums in Afrika beklagen. Ob sie damit ausschließlich das Wohl der verarmten Kleinbauern im Sinn haben? Wohl kaum, das Phänomen des "Land-Grabbings" hat inzwischen den Weg in den allgemeinen Wortschatz gefunden: Die landwirtschaftliche Fläche ist es, die Begehrlichkeiten weckt. Die Menschen, die darauf traditionell leben und wirtschaften, werden eher als Störfaktor angesehen.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Große Grüne Mauer wie ein überdimensioniertes Feigenblatt für eine Entwicklungspolitik, welche die existentiellen Sorgen der für Ökonomen uninteressanten Kleinbauern stets ignoriert hat. Was nicht bedeuten soll, daß das Projekt der Great Green Wall nicht alle erforderliche Unterstützung erhalten sollte, damit es zum Erfolg geführt wird.


Fußnoten:

[1] "The Great Green Wall", The Ecologist, 12. Juli 2012
http://www.theecologist.org/trial_investigations/1480772/the_great_green_wall.html

[2] "Fighting the sands of time", 11. Juli 2012
http://www.africa-eu-partnership.org/successstories/fighting-sands-time

[3] "Niger: Executive Brief: Desert Locust threat in the Sahel 2012", Food and Agriculture Organization (FAO), 13. Juli 2012
http://humanitariannews.org/20120713/niger-executive-brief-desert-locust-threat-sahel-2012-10-july-2012

13. Juli 2012