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AFRIKA/2172: Schwarzer Kontinent - die ewige Beute ... (SB)



Die deutsche Kolonialpolitik nimmt neuen Anlauf, um in eine intensivere Phase der Rohstoffsicherung in Afrika einzutreten. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat in einem Interview mit der "Rheinischen Post" (Montag) die Ernennung eines EU-Kommissars für Afrika und die Einrichtung eines ständigen EU-Afrika-Rats vorgeschlagen. Die Europäische Union müsse sich mehr um Afrika "kümmern", forderte er. Im Unterschied zur EU investierten China und Rußland dort "massiv" und sicherten sich knappe Rohstoffe wie Coltan und Lithium für die Digital- und Elektroindustrie. Europa sei gerade dabei, Afrika als "Jahrhundertchance" zu verpassen.

China und Rußland im europäischen Hinterhof, da sei Müller vor! Nachdem "Kolonialwaren" und andere Bezeichnungen, die das Plündern des schwarzen Kontinents durch die europäischen Kolonialmächte wenig verschleiert haben, aus dem Sprachgebrauch verbannt wurden, hat man im Windschatten einer neuen Terminologie die ewig gleichen Absichten ungestört weiterverfolgt. Schon vor geraumer Zeit wurde die "Entwicklungshilfe" in "Entwicklungszusammenarbeit" umetikettiert.

Um den Anschein der Partnerschaft auf Augenhöhe zu wahren, wurde im vergangenen Jahr unter deutschem G20-Vorsitz das paternalistische "für" Afrika aus dem Duktus der Entwicklungszusammenarbeit gestrichen und eine Partnerschaft "mit" Afrika (Compact with Africa) ins Leben gerufen. Jetzt endlich begegnet man den Ländern des afrikanischen Kontinents auf Augenhöhe, nachdem man offenbar jahrzehntelang nur so getan hat, als sei es darum gegangen, den Menschen dort ein selbstbestimmtes Leben in Versorgungssicherheit und relativer Notlosigkeit zu verschaffen.

Die jüngsten Mahnungen und Vorschläge von Entwicklungsminister Müller zeigen, daß Deutschland mit der Initiative "Partnerschaft mit Afrika" die gleichen Raubinteressen verfolgt wie alle anderen auch. Zur Rohstoffsicherung kommt noch die Flüchtlingsabwehr und die Sicherung von Absatzmärkten für hierzulande weiterverarbeitete Produkte vom oberen Ende der Wertschöpfungskette hinzu. Diese Kette nimmt in afrikanischen Ländern ihren Anfang. Ausgerechnet da, wo die körperlich beschwerlichste und am stärksten verschleißträchtige physische Anstrengung geleistet wird, fällt die Entlohnung am geringsten aus. Sklaverei gilt als abgeschafft, und doch fesselt jene Wertschöpfungskette die Menschen in afrikanischen Bergwerken und auf Plantagen auf subtile Weise mehr, als gemeinhin zugestanden wird.

Rohstoffsicherung rückt mehr und mehr in den Fokus der vorherrschenden politischen Absichten in der heutigen Welt schwindender oder für den geplanten Ausbau der Industrie 4.0 zu knapper Rohstoffsourcen. Müllers Vorschlag kommt in einer Zeit wachsender Spannungen zwischen den Global Playern USA, China, Rußland und EU sowie Ländern wie Japan, Indien, Saudi-Arabien und Iran, die hegemoniale Interessen verfolgen. Auch im Vereinigten Königreich träumen manche Zeitgenossen noch von einem Wiedererstarken des British Empires, sobald der Brexit vollzogen ist.

Während die USA bekannt dafür sind, ihre Absichten unverhohlen mit militärischen Mitteln zu verfolgen, eine Einstellung, der im Oktober 2007 mit der Gründung des Regionalkommandos Africom (United States Africa Command) Rechnung getragen wurde, zeichnet sich Chinas Einflußnahme durch gewaltige Investitionen in den Ausbau der Infrastrukturen in zahlreichen afrikanischen Ländern aus. Die Europäische Union wiederum versucht in Fortsetzung ihrer "historischen Verbindungen" - sprich: der kolonialzeitlichen Unterdrückung und Ausbeutung - die eigenen Interessen über die Gewaltmittel Handel und Recht durchzusetzen.

Mit einem permanenten EU-Afrika-Rat und einem EU-Kommissar für Afrika würde Deutschland versuchen, erstens die innereuropäische Konkurrenz auszuschalten, zweitens durch die Einbindung anderer EU-Länder der eigenen Rohstoffsicherung mehr Schlagkraft zu verleihen, um sich gegenüber der Globalkonkurrenz zu behaupten, drittens Stimmungen und Tendenzen in der afrikanischen Rohstoffbranche zu wittern, um viertens möglichst frühzeitig Einfluß darauf zu nehmen, wer welche Geschäfte tätigt.

16. Juli 2018


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