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AFRIKA/2184: DR Kongo - Preisringen der Räuber ... (SB)



In der Demokratischen Republik Kongo wurde am 30. Dezember ein neuer Präsident gewählt, doch die Nationale Wahlkommission hält die Ergebnisse zurück und will sie erst am 15. Januar bekanntgeben. Es ist zu vermuten, daß es dem Kandidaten der Oppositionskoalition Lamuka (das ist Lingala und bedeutet "Aufstehen"), Martin Fayulu, gelungen ist, den Wunschkandidaten des langjährigen Präsidenten Joseph Kabila, der sich in der Vergangenheit wiederholt mit Tricksereien an der Macht gehalten bzw. die Wahlen verschoben hat, zu übertreffen. Die Spannungen in dem Land nehmen zu. Die USA haben bereits 80 Elitesoldaten ins Nachbarland Gabun entsandt, um im Falle von Unruhen ihre Landsleute aus der DR Kongo herauszuholen. Für die in den sozialen Medien kolportierte Vermutung, daß die US-Soldaten mit dem Putschversuch am 7. Januar in Gabun zu tun haben, gibt es indessen keine konkreten Anhaltspunkte.

Die kongolesische Bevölkerung hat anscheinend immer nur die Wahl zwischen Skylla und Charybdis. Denn so unbeliebt der alte Präsident und damit auch der von ihm ins Rennen geschickte Innenminister Emmanuel Ramazani Shadary sein mögen, von dem Oppositionskandidaten ist ebenfalls nichts Gutes zu erwarten. Der ehemalige Manager des US-Erdölkonzerns Exxon gilt als amerikafreundlich und steht für eine neoliberale Wirtschaftspolitik.

Die katholische Kirche, die 41.000 Beobachter in die Wahllokale entsandt hatte, kennt den Ausgang der Stimmabgabe, will aber die Bekanntgabe des "eindeutigen Siegers" der Nationalen Wahlkommission überlassen. Ungeachtet dessen warnt sie, daß ein Wahlbetrug zu Aufständen führen würde. Bereits im November 2016 sollte in der DR Kongo gewählt werden, doch hatte der Präsident den Termin wiederholt verschoben, was einige Menschenleben gekostet hat. Allein in den letzten Wochen starben mehrere Dutzend Menschen bei politischen Unruhen in verschiedenen Landesteilen.

Die letzten Wahlen fanden 2006 und 2011 statt, beide Male hatte Joseph Kabila gewonnen. Als dieser im Januar 2001 im jungen Alter von 29 Jahren das höchste Amt im Staat von seinem wenige Tage zuvor ermordeten Vater übernommen hatte, glaubte kaum jemand, daß er sich so lange an der Macht würde halten können. Doch der politisch unerfahrene Joseph Kabila kam aus dem Militär und verstand es geschickt, dieses in großen Teilen hinter sich zu bringen, eigene Seilschaften im Beamtenapparat aufzubauen und vor allem sich mit den ausländischen Interventionstruppen und ihren verbündeten Milizen im Osten des Landes zumindest so weit zu arrangieren, daß sie ihn nicht gestürzt haben.

Die DR Kongo ist sechsmal so groß wie Deutschland und verfügt in ihren östlichen Provinzen über riesige Vorkommen an Bodenschätzen wie Kobalt, Kupfer, Coltan, Zink, Diamanten, Gold, Erdöl, um nur einige zu nennen. Sich daran zu bereichern ist Auslöser jahrzehntelanger Kämpfe, nicht zuletzt unter Beteiligung der Nachbarstaaten Ruanda und Uganda.

Einst war Kongo eine Art Privatlehen des belgischen Königs Leopold II., ihm 1887 auf der Kongo-Konferenz in Berlin zugestanden. Des Königs wunderschöne Schlösser in Belgien wurden mit dem Blut von rund 18 Millionen umgekommenen Kongolesen errichtet, von denen viele als Kautschuksammler versklavt und deren Familien als Geiseln gehalten worden waren. Das riesige Land inmitten Afrikas vermochte zu keinem Zeitpunkt seiner Geschichte das Joch von Fremdherrschaft, der mannigfaltigen Einflußnahme fremdnütziger Interessen und des Bereicherungsstrebens eines heimischen Machtapparats abstreifen. Lediglich 1960, als nach der Unabhängigkeit Kongos Patrice Lumumba Premierminister wurde und eine eigenständige Politik jenseits der westlichen Dominanz anstrebte, bestand für einen kurzen Moment der Geschichte die Hoffnung auf eine grundlegende Kurskorrektur. Doch Lumumba und zwei seiner Begleiter wurden 1961 unter Beteiligung Belgiens und des US-Geheimdienstes CIA von Soldaten des kongolesischen Politikers Moise Tschombé verschleppt, gefoltert und umgebracht. Ihre Leichen löste man in Batteriesäure belgischer Bergbauunternehmen auf, die Knochenreste hat man verbrannt. Nichts sollte von den "Kommunisten" übrigbleiben.

Von 1965 bis 1997 regierte der Diktator Mobutu Sese Seko das Land. Als Gegenleistung für Einnahmen aus der fortgesetzten Rohstoffplünderung durch westliche Firmen sorgte er für den inneren Frieden und eine zuverlässige Ausbeutung von Land und Leuten. 1997 wurde Mobutu von Laurent-Désiré Kabila gestürzt. Dieser war mit kongolesischen Milizen sowie Soldaten aus Ruanda, Uganda und Burundi von Osten her einmarschiert und hatte nach wenigen Monaten die im Westen gelegene Hauptstadt Kinshasa eingenommen. Mobutu mußte fliehen. Nachdem sich Kabila mit seinen Förderern überworfen hatte, wurde er 2001 von einem seiner Leibwächter getötet. Wenige Tage darauf übernahm der damalige Armeechef, Kabilas Sohn Joseph, die politische Führung der DR Kongo.

Würde das Land allein an der Menge seiner Rohstoffe gemessen, wäre es eines der reichsten Länder der Erde. Aber daß es diese herausragende Position vermutlich niemals genießen wird, hat mit innerkongolesischen Verteilungskämpfen und fortwährenden Intrigen des nahen und fernen Auslands zu tun.

Abgesehen vom Präsidenten wurden am 30. Dezember 2018 auch die Sitze für die Nationalversammlung und die Regionalparlamente neu gewählt. Als nun am 31. Dezember 2018 durchsickerte, das Martin Fayulu siegreich aus den Wahlen hervorgehen würde, schaltete die Regierung das Internet, die SMS-Telefonverbindungen und das Signal des Radiosenders Radio France Internationale FM ab. Das nährt den Verdacht, daß Kabila Mauscheleien plant.

Wofür steht Fayulu? Auf Wahlplakaten gibt er sich als Macher. Beispielsweise hat er sich abbilden lassen, wie er sich die Ärmel hochkrempelt. Der in Frankreich und den USA ausgebildete Fayulu hat angekündigt, Arbeitsplätze in Landwirtschaft und Tourismus zu schaffen und dafür zu sorgen, daß die DR Kongo einen höheren Anteil an der Wertschöpfungskette der Rohstoffe erhält. Er weiß, wovon er redet, hat er doch lange Zeit für die andere Seite gearbeitet. Fayulu war fast zwei Jahrzehnte, von 1984 bis 2003, für den US-Ölkonzern Exxon Mobil tätig. Zuletzt leitete er dessen Ableger in Äthiopien. 2006 wurde er erstmals ins kongolesische Parlament gewählt, 2009 hat er die Partei ECiDé (Engagement für Bürgerlichkeit und Entwicklung), gegründet, für die er 2011 erneut ins Parlament einzog. Seine aktuelle Kandidatur wird vom früheren Vizepräsidenten Jean-Pierre Bemba und dem ehemaligen Gouverneur der rohstoffreichen Provinz Katanga, Moise Katumbi, unterstützt. Beide durften nicht selber zur Wahl antreten.

Zwar soll der neue Präsident, wer auch immer das sein wird, bereits am 18. Januar vereidigt werden, doch sind bis dahin noch gar nicht alle Stimmen ausgezählt. In vier Wahlkreisen - ausgerechnet Hochburgen der Opposition - soll überhaupt erst im März 2019 abgestimmt werden, weil dort entweder die Ebolaseuche ausgebrochen ist oder es in letzter Zeit zu massiven Gewaltausbrüchen gekommen war.

Ob Fayulu, sollte er trotz solcher Hindernisse gewinnen und die Kabila-Fraktion ihre Niederlage eingestehen, wie so oft in der Politik nur ein Hoffnungsträger oppositioneller und zivilgesellschaftlicher Kräfte ist, der nach seiner "Inthronisation" seine Maske fallen läßt, kann naturgemäß nur die Zukunft zeigen. Allzu oft diente das Versprechen oppositioneller Politiker, die Korruption bekämpfen zu wollen, lediglich dazu, die etablierten Seilschaften durch eigene Leute auszutauschen - was bei weitem kein Alleinstellungsmerkmal afrikanischer Länder ist. Käme Fayulu an die Macht, wäre es das erste Mal in der Geschichte des Landes, daß ein Machtwechsel durch Wahlen erfolgt wäre.

8. Januar 2019


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