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ASIEN/752: Sanktionen bahnen Angriffskrieg gegen den Iran (SB)


Westliche Mächte perfektionieren Arsenal der Einschnürung


Das Sanktionsregime der westlichen Führungsmächte gegen den Iran ist das Schlüsselelement der Vorbereitung eines Angriffskriegs wie es auch für sich genommen bereits als integraler Teil einer Kriegsführung mittels ökonomischer Einschnürung aufgefaßt werden muß. Der Iran als intaktes und den westlichen geostrategischen Zugriffsinteressen widerstrebendes Staatswesen ist eines der letzten verbliebenen Hindernisse für den Vorstoß in dieser Region, der einen Keil bis an die Grenzen Rußlands und Chinas treibt. Um Teheran mit Sanktionsdruck in die Knie zu zwingen, bedarf es einer politischen und wirtschaftlichen Isolation, die die verhängten willkürlichen Strafmaßnahmen einerseits legitimiert und sie andererseits erst wirksam macht. Auf dem Feld ideologischer Angriffsführung verdichtet man den Eindruck, eine internationale Staatengemeinschaft stehe geschlossen gegen die iranische Führung, um deren angebliche atomare Bewaffnung zu verhindern. In ökonomischer Hinsicht perfektioniert man das Instrumentarium der Wirtschaftssanktionen über den Stand bislang praktizierter Maßnahmen hinaus zu innovativer Schärfe und Wirkmächtigkeit.

Die Vereinigten Staaten, Britannien und Kanada haben weitere Sanktionen gegen den Iran verhängt, die sich vor allem gegen den Energiesektor und das Bankensystem richten. Die Europäische Union arbeitet daran, die Sanktionen deutlich zu verschärfen. So erklärten die USA formell ihre Besorgnis, daß alle iranischen Banken in Geldwäsche verstrickt seien. Diese Maßnahme soll Unternehmen weltweit entmutigen, mit iranischen Banken Geschäfte zu machen. Die Absurdität dieser Bezichtigung unterstreicht das Ausmaß unverhohlener Willkür bei der Konstruktion von Vorwänden, die wiederum die Sanktionen legitimieren sollen. "Der Iran hat den Weg der internationalen Isolation gewählt", stellte US-Präsident Barack Obama die Verhältnisse auf den Kopf. "So lange der Iran sich auf diesem gefährlichen Weg befindet, werden die USA weiterhin, sowohl durch eigene Aktionen, als auch gemeinsam mit ihren Partnern, das iranische Regime isolieren und den Druck erhöhen." [1]

Washington verhängte zusätzliche Strafmaßnahmen gegen Personen und Unternehmen, die mit iranischen Firmen in den Industriebereichen Öl und Petrochemie Geschäfte machen. Weitere Firmen und Personen wurden in die bestehende "Schwarze Liste" aufgenommen. Sollte die US-Regierung Sanktionen gegen die iranische Zentralbank verhängen, dürfte kein Geldinstitut der Welt, das mit dieser handelt, noch Geschäftsbeziehungen in den USA unterhalten. Einziger für Washington relevanter Hinderungsgrund ist nicht etwa eine verschärfte Notlage der iranischen Bevölkerung, sondern eine drohende Erhöhung des Ölpreises, die der amerikanischen Wirtschaft schaden würde. [2]

Kanada verhängte umfassende Sanktionen gegen den iranischen Bankensektor, und Britannien stellte unter Rückgriff auf das nationale Terrorabwehrrecht sämtliche Verbindungen zwischen dem britischen und dem iranischen Bankensystem ein. Wie Finanzminister George Osborne erklärte, sei es das erste Mal, daß die britische Regierung die Kontakte mit dem gesamten Bankensystem eines Landes unterbricht. [3] Frankreich rief dazu auf, "ab sofort" die Guthaben der iranischen Zentralbank einzufrieren und den Ölhandel mit dem Iran einzustellen. Paris sprach sich in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs Europas sowie Japans und der USA für "noch nie dagewesene Sanktionen" aus.

Die EU-Länder wollen der bestehenden Sanktionsliste rund 200 Namen von Iranern und iranischen Unternehmen hinzufügen. Die Aufgelisteten werden mit Einreiseverboten und Vermögenssperren belegt. Der offizielle Beschluß könnte bereits am 1. Dezember bei einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel fallen. Wie ein EU-Diplomat der Nachrichtenagentur AFP sagte, wolle man auch über die Tätigkeit der Tejarat-Bank als einer der verbliebenen Zahlungskanäle in Europa beraten. Die Tejarat-Bank ist in der EU in Deutschland, Frankreich und Britannien vertreten, weitere Ableger gibt es in China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Tadschikistan.

Die Bundesregierung dringt zwar weiterhin auf eine "deutliche Verschärfung" der Sanktionen, unterstützt aber nicht den vom französischen Präsidenten Sarkozy unterbreiteten Plan, alle Konten der iranischen Zentralbank in der EU zu sperren. Wenn so der gesamte Zahlungsverkehr mit dem Iran unterbunden werde, seien die Folgen kaum abzusehen, hieß es verärgert über das Vorpreschen Sarkozys in Berlin. Dort hatte man im Sommer den Widerstand dagegen aufgegeben, die in Hamburg ansässige Europäisch-Iranische Handelsbank auf die EU-Sanktionsliste aufzunehmen. Seither kann diese nur noch Zahlungen zur Erfüllung von Altverträgen vornehmen, was die Bundesbank überwacht.

Die Tejarat-Bank als einen der letzten Zahlungskanäle Irans in Europa lahmzulegen, paßt der Bundesregierung jedoch nicht ins Konzept. Da Deutschland vor Frankreich und Italien das EU-Land mit dem bei weitem größten Iran-Geschäft bleibt, fürchtet man Einbußen bei deutschen Unternehmen und den Ausfall von Hermes-Bürgschaften. Zudem ist abzusehen, daß Unternehmen aus Rußland oder Asien das Geschäft übernehmen würden, so daß der Zwiespalt zwischen dem Ruf nach schärferen Sanktionen und der Furcht vor möglichen negativen Konsequenzen für die heimische Exportwirtschaft auch hier eine maßgebliche Rolle spielt.

Allerdings diskutiert man wie überall in den europäischen Hauptstädten auch in Berlin, ob man nun Sanktionen verhängen will, die zweifelsfrei die iranische Bevölkerung träfen. So zieht man ein Importverbot für Erdöl und ein Exportverbot für Benzin in Erwägung, das im Iran, der nicht genügend Raffinerien besitzt, um sein Rohöl in ausreichender Menge zu verarbeiten, gravierende Folgen hätte. Letzten Endes ist die strenge Unterscheidung in Strafmaßnahmen gegen die politische Führung und solche gegen die Bevölkerung fiktiv, da Sanktionen in den meisten Fällen direkt auf die Bewohner des betreffenden Landes durchschlagen.

Ramin Mehmanparast, Sprecher des iranischen Außenministeriums, bezeichnete die Verschärfung der Sanktionen als "Propaganda und psychologische Kriegsführung" und betonte deren "Wirkungslosigkeit". Großbritannien folge blind der US-Politik und zeige so seine Schwäche in Sachen Außenpolitik. "Solche Maßnahmen werden keinen Einfluss auf das politische und wirtschaftliche Handeln Teherans haben", fügte er hinzu. Abdolhossein Bayat, stellvertretender Erdölminister und Generaldirektor der nationalen iranischen Petrochemie-Industrie, zeigte sich ebenfalls unbeeindruckt. Sein Land werde trotz der US-Sanktionen weiterhin seine petrochemischen Produkte auf dem europäischen Markt verkaufen. Man nutze inzwischen verschiedene Wege, um die Sanktionen zu umgehen. Offenbar setzt man in Teheran darauf, daß es sich die Europäer nicht leisten können und wollen, auf diesen Handel zu verzichten. Einem Bericht der iranischen Nachrichtenagentur Mehr zufolge exportiert der Iran seine petrochemischen Produkte in 17 europäische Länder und gilt als zweitgrößter Exporteur von schwerem Polyethylen und Methanol nach Europa.

Rußland und China drängen im Konflikt mit Teheran derzeit wieder auf Gespräche und lehnen weitere Strafmaßnahmen ab. Die neuen Sanktionen seien "inakzeptabel", hieß es in einer Mitteilung aus Moskau. Die Maßnahmen verstießen gegen das Völkerrecht, erklärte das russische Außenministerium. Ein konstruktiver Dialog werde dadurch noch komplizierter. Die Bereitschaft Teherans zu Gesprächen werde durch einen erhöhten Druck nicht wachsen. Letzteres trifft zweifellos zu, unterstellt aber unzulässigerweise, daß westlicherseits überhaupt ein Interesse am Dialog mit Teheran besteht. Da es sich bei den erhobenen Forderungen letzten Endes um ein Zwangsdiktat handelt, das die iranische Führung immer weiter in die Enge treiben soll, kann von ernsthaften Gesprächen keine Rede sein.

Als die Iran-Sechsergruppe, bestehend aus den USA, Rußland, China, Deutschland, Frankreich und Britannien, im Herbst 2006 erstmals über die Verhängung von Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat diskutierte, warnte der russische Außenminister Sergej Lawrow: "Ich glaube, bevor alle diplomatischen Mittel erschöpft sind, wären Sanktionen zu radikal." Diese würden die diplomatischen Bemühungen zur Auflösung der Konfrontation lediglich komplizieren. "Wir können keine Ultimaten unterstützen, die alle in die Sackgasse führen und eine Eskalation verursachen, deren Logik stets zur Anwendung von Gewalt führt." [4] Hätten sich Rußland und andere staatliche Kritiker von Strafmaßnahmen auch in der Folge konsequent zu dieser Einschätzung bekannt, wäre es den westlichen Mächten nicht gelungen, die Schlinge um den Iran immer enger zu ziehen. Seither hat der UN-Sicherheitsrat vier Sanktionsresolutionen beschlossen, mit deren Hilfe die von der US-Regierung und deren Verbündeten angestrebte Isolierung Teherans weitgehend herbeigeführt werden konnte. Damit wurden die Voraussetzungen für erwürgende Sanktionen geschaffen, die in die militärische Konfrontation münden.

Fußnoten:

[1] http://www.dw-world.de/dw/article/0,,6665047,00.html

[2] http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/atomstreit-berlin-fuer-deutliche-verschaerfung-der-iran-sanktionen-11537823.html

[3] http://www.stern.de/politik/ausland/atomstreit-teheran-und-moskau-kritisieren-neue-sanktionen-1754274.html

[4] http://www.jungewelt.de/2011/11-22/019.php

23. November 2011