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ASIEN/773: China baut seine Position im Südchinesischen Meer aus (SB)


China baut seine Position im Südchinesischen Meer aus

Streit der Volksrepublik mit Vietnam spitzt sich zu



Im Südchinesischen Meer nehmen die Spannungen unter den Anrainerstaaten zu. Haupttriebkraft des internationalen Streits ist die Rivalität zwischen der Volksrepublik China und den USA. Um den wachsenden Ressourcenbedarf ihrer Wirtschaft decken zu können, wollen sich die Volkschinesen den größtmöglichen Zugriff auf die unter dem Südchinesischen Meer liegenden Vorräten an Öl und Gas sichern. Deshalb baut die Volksarmee ihre Marine kräftig aus, während Chinas Diplomaten den größten Teil des Südchinesischen Meers für das eigene Land beanspruchen. Lange Zeit hat Peking versucht, seine Interessen gegenüber den anderen Anrainerstaaten, allen voran Vietnam und den Philippinen, auf bilateraler Ebene durchzusetzen. Die Situation erfuhr jedoch eine grundlegende Veränderung, als 2010 die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton den freien Handel und Schiffsverkehr im Südchinesischen Meer zum "Nationalinteresse" der USA erhob. Seitdem spielt sich Washington als Vermittler auf, während es gleichzeitig Chinas Nachbarn diplomatische und militärische Schützenhilfe anbietet.

Durch den Ausbau der chinesischen Marine fühlt sich die Supermacht USA herausgefordert. Im Pentagon will man sich an der Vorstellung nicht gewöhnen, die Volksrepublik könnte unter anderem mit U-Booten und Raketenbatterien die Gewässer um die eigene Küste in Sperrgebiete für die US-Marine verwandeln und zum Beispiel die Durchfahrt durch die Taiwanstraße für amerikanische Flugzeugträger unmöglich machen. Sollte das den Volkschinesen gelingen, wäre die Sicherheitgarantie der USA für Taiwan dahin; Washington hätte im Rahmen seiner Umzingelungstrategie für China ein wichtiges Faustpfand verloren. Um die "Eindämmung" der aufstrebenden Volksrepublik zu forcieren, hat 2011 die Regierung Barack Obamas die Pazifikregion zum künftigen Hauptbetätigungsfeld des US-Militärs erklärt. Seitdem läuft die Zusammenarbeit des Pentagons mit den Nachbarstaaten Chinas - Südkorea, Japan, Australien, Neuseeland, Indonesien und den Philippinen auf Hochtouren. Inzwischen haben die US-Marines mit 2500 Mann einen dauerhaften Stützpunkt im nordaustralischen Darwin bezogen, während sich Washington um die Nutzung der früheren US-Marinehäfen Subic Bay auf den Philippinen und Cam Ranh Bay in Vietnam bemüht und dafür Hanoi und Manila umfangreiche Rüstungshilfe in Aussicht stellt.

In den letzten Monaten ist es in den Gewässern um die Scarborough Shoals immer wieder zu Zwischenfällen zwischen Marineschiffen und Fischerbooten aus China und den Philippinen gekommen. Die Ansammlung von Riffen um eine 130km² große Lagune liegt nur 198 Kilometer von der philippinischen Hauptinseln Luzon entfernt und damit aus Sicht Manilas innerhalb der Ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen nach den Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen. Die Volksrepublik, die am nördlichen Ende des Südchinesischen Meers bedeutend weiter von den Scarborough Shoals entfernt liegt, erhebt dennoch Ansprüche auf das Gebiet, die es historisch, etwa durch den Verweis auf die Jahrhunderte lange Aktivitäten chinesischer Fischer in der Region, zu begründen versucht.

Noch weiter südlich davon gibt es die Spratly-Inseln - eine breitgestreute Ansammlung von rund 450 Atollen und Riffen. Hier erheben China, Taiwan, die Philippinen, Malaysia, Vietnam und das Sultanat Brunei Gebiets- und Souveränitätsanspruche. Etwas unkomplizierter, dafür aber nicht weniger verbissen, verläuft der Streit zwischen Peking und Hanoi um die Paracel-Inselgruppe, die zwischen den südchinesischen Inselprovinz Hainan und der Nordküste Vietnams liegt. Peking kann hier auf eine lange chinesische Besiedlung verweisen. Um die Inselgruppe lieferten sich 1974 die Marinen Chinas und des damaligen Südvietnams ein kurzes Seegefecht, das zugunsten der Volkschinesen ausging. Im vergangenen Juni hat Vietnam dennoch die Paracels und Spratlys zu Teilen seines Staatsterroritoriums erklärt. Gegen den Vorstoß der Vietnamesen hat Peking sofort Protest eingelegt und seinerseits alle Erhebungen im Südchinesischen Meer zu "unbestreitbarem" chinesischem Boden deklariert.

Auf dem jüngsten Außenministertreffen der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) am 13. Juli in Pnomh Penh wurde ohne Erfolg versucht, eine Lösung in diesen Streitereien zu erzielen. Es sollte ein für alle Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres bindender Verhaltenskodex verabschiedet werden, um künftige Zwischenfälle zu vermeiden. Die Philippinen haben jedoch auf die Aufnahme einer ausdrücklichen Erwähnung der Scarborough Shoals im praktisch fertigen Textentwurf insistiert, was wiederum vom Gastgeber und Vorsitzenden Kambodscha - vermutlich auf Rücksicht auf den Verbündeten China - blockiert wurde. So ging erstmals in der 45jährigen Geschichte von ASEAN ein Treffen der Außenminister zu Ende, ohne daß man sich auf ein Kommuniqué hatte einigen können. Für den Eklat machte China US-Chefdiplomatin Clinton und deren ungebetene "Einmischung" in die Beratungen verantwortlich.

Auf Woody Island in den Paracel-Inseln leben ein paar Tausend Chinesen, die meisten von ihnen Fischer. Nachdem im Juni Peking die Siedlung auf Woody Island, die sogenannte Stadt Sansha, offiziell in den Rang einer Präfektur der Provinz Hainan erhob, hat am 22. Juli die Zentrale Militärkommission der Volksrepublik die erstmalige Einrichtung einer Garnison dort bekanntgegeben. Der neue Militärstützpunkt soll für die Paracel- und Spratly-Inseln zuständig sein und nach Angaben der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua sowohl der nationalen Verteidigung und dem Schutz von Sansha-Stadt dienen als auch für die Katastrophenhilfe zuständig sein. Im Ernstfall sollen die dort stationierten Streitkräfte auch nicht näher bezeichnete "Militäroperationen durchführen".

Zwei Tage zuvor hatte unter Vermittlung Indonesiens ASEAN, wenn auch verspätet, doch noch ein Kommuniqué zum Thema Südchinesischen Meeres herausgegeben. Darin bekannten sich die Mitgliedsstaaten der südostasiatischen Regionalorganisation zur Selbstbeherrschung, zur Vermeidung der Gewaltanwendung und zur schnellstmöglichen Verabschiedung eines bindenden Verhaltenskodex bekannt. In den kommenden Monaten sollen Experten aus China und den ASEAN-Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres Möglichkeiten einer friedlichen Beilegung ihrer komplizierten Dispute ausloten. Kommt es zu keiner Einigung wird der eine oder andere Nachbarstaat Chinas vermutlich den internationalen Seegerichtshof in Hamburg anrufen. Ob sich das UN-Gremium in der Lage sieht, ein Urteil zu fällen, geschweige denn den Fall überhaupt annimmt, muß sich noch zeigen.

25. Juli 2012