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ASIEN/797: USA sollen neun Militärbasen in Afghanistan behalten (SB)


USA sollen neun Militärbasen in Afghanistan behalten

CIA-Bestechungsgelder für Hamid Karsai haben sich bezahlt gemacht



Ende 2014 gilt als offizielles Abzugsdatum für die NATO-Truppen in Afghanistan. Kritische Beobachter haben jedoch von Anfang vermutet, daß es auch ab 2015 eine nicht unerhebliche US-Militärpräsenz in Afghanistan geben würde. Schließlich sind in den letzten Jahren alle Bemühungen um Friedensverhandlungen mit den Taliban an der Weigerung Washingtons gescheitert, sich auf die Kernforderung der Männer um Mullah Mohammed Omar - Abzug aller fremdländischen Truppen von afghanischen Territorium - einzulassen. Inzwischen haben sich die Vermutungen der Kritiker bewahrheitet. Auch nach 2014 werden Tausende US-Militärangehörige auf neun größeren Stützpunkten in Afghanistan stationiert sein. Dies gab am 9. Mai der afghanische Präsident Hamid Karsai bei einer Feier anläßlich des 80jährigen Bestehens der Kabuler Universität bekannt.

Seit Monaten arbeiten hinter verschlossen Türen afghanische und amerikanische Unterhändler an einem entsprechenden Bilateralen Sicherheitsabkommen (BSA), das den Rahmen für das künftige Miteinander nach dem Ende der ISAF-Mission abstecken sollte. Dennoch war Washington von den freimütigen Äußerungen Karsais zu diesem Thema mehr als überrascht. In einem Bericht der New York Times vom 10. Mai bezeichneten nicht namentlich genannte Vertreter der Regierung von US-Präsident Barack Obama den Vorstoß Karsais als "verfrüht". David Snepp, Sprecher der US-Botschaft in Kabul, wurde in der einflußreichsten Zeitung Amerikas mit den lapidaren Worten zitiert: "Präsident Obama hat klargestellt, daß wir keine dauerhafte Basen in Afghanistan wollen. Wir gehen davon aus, daß das BSA für die US-Streitkräfte die künftigen Zugangs- und Nutzungsbedingungen afghanischer Anlagen regeln wird."

Im Londoner Guardian listete ebenfalls am 10. Mai Emma Graham-Harrison aus Kabul unter Verweis auf Karsai die Orte, wo das Pentagon in Afghanistan künftig US-Truppen stationiert halten will, wie folgt auf: "in der Hauptstadt Kabul, auf dem weitläufigen Stützpunkt Bagram, Kern der Operationen im Osten, in den südlichen Unruheprovinzen Kandahar und Helmand und in Shindand im Westen, wo derzeit die NATO die afghanische Luftwaffe ausbildet ... im nördlichen Operationszentrum Masar-i-Scharif, in der westlichen Stadt Herat, im östlichen Gardes sowie in Jalalabad, das als wichtiges Tor zu Pakistan gilt und wo es einen Drohnenstützpunkt gibt."

In seiner Stellungnahme behauptete Karsai, ab 2015 würden Afghanistans neue Polizei und Armee allein den Kampf gegen die Taliban bestreiten, die US-Streitkräfte würden lediglich die afghanischen Kollegen ausbilden und Jagd auf Al-Kaida-"Terroristen" in der Region beiderseits der Grenze zu Pakistan machen. Doch daran kann man seine Zweifel haben. Zahlreiche Militärexperten denken, daß die afghanischen Streitkräfte dieser Aufgabe nicht gewachsen sind, und gehen davon aus, daß deshalb die westlichen Militärs im Lande werden bleiben müssen. Hinzu kommt die Frage der Finanzierung. Da der afghanische Staat nur über geringe Steuereinkommen verfügt, ist er auf ausländische Spenden angewiesen. Die internationalen Geldgeber würden aber niemals einfach die Gehälter der afghanischen Soldaten bezahlen, ohne mit Beratern und Spezialstreitkräften vor Ort kontrollieren zu können, was mit ihren Spenden geschieht. Deshalb soll auch die deutsche Bundeswehr ab 2015 mit 600 bis 700 Militärausbildern in Afghanistan stationiert bleiben.

In Afghanistan hat man es seit längerem mit einem Teufelskreis zu tun, aus dem die westlichen Invasoren wegen der eigenen geostrategischen Interessen nicht ausbrechen wollen. Sie hätten schon vor Jahren abziehen können - die Taliban haben wiederholt angeboten, künftig keine terroristische Umtriebe von Islamisten in Afghanistan zu dulden -, tun es aber nicht. Frauenrechte und Demokratie bleiben auf der Strecke; inzwischen vertraut der Westen auf islamische Gerichte als künftiger Ordnungsfaktor am Hindukusch. Wegen überbordender Korruption ist der versproche "Wiederaufbau" schon vor Jahren gescheitert. An "Transparenz" und "good governance" in Afghanistan haben vor allem die USA kein echtes Interesse.

Nichts zeigt dies besser als die Enthüllung der New York Times vom 29. April, wonach die Central Intelligence Agency seit Jahren Karsai mit Koffern voller Dollarnoten - auch "ghost money" genannt - besticht. Kurz flackerte eine aufgeregte Mediendebatte über die Rechtmäßigkeit jener Praxis auf, die ohnehin seit längerem ein offenes Geheimnis gewesen ist. Mit dem Geld hat Karsai die eigene Position gefestigt und die Milizenführer der früheren Nordallianz an sich gebunden. Die Debatte legte sich spätestens am 4. Mai wieder, als Karsai die Zahlungen bestätigte und bekanntgab, die CIA habe ihm versichert, daß sie ungeachtet aller negativen Presse auch in der Zukunft weitergehen würden. Mit der Ankündigung, Afghanistan stehe dem fristlosen Verbleib der US-Streitkräfte auf neun Stützpunkten am Hindukusch wohlgesonnen gegenüber, hat sich Washingtons "Mann in Kabul" für die Großzügigkeit Langleys [1] revanchiert, so wie es sich unter Geschäftspartnern gehört.

[1] Vorort von Washington und Sitz der CIA

11. Mai 2013