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ASIEN/800: Skandal um Todesschwadrone der USA in Afghanistan (SB)


Skandal um Todesschwadrone der USA in Afghanistan

Zakaria Kandahari und das "A Team" sorgen für Entsetzen



Während der Krieg noch in Afghanistan tobt, bereiten sich alle Beteiligten auf den Abzug der NATO-Streitkräfte Ende 2014 vor - ohne jedoch konkret zu wissen, was danach kommt. Wird der frühere Bürgerkrieg zwischen der von Hasara, Tadschiken und Usbeken unterstützten Nordallianz - in Form der neuen afghanischen Armee und Polizei - gegen die paschtunisch-dominierten Taliban wieder aufflammen oder kommt es zu einer nationalen Versöhnung? Finden sich die Taliban mit der geplanten US-Militärpräsenz von rund 10.000 Mann auf neuen Stützpunkten ab oder bleiben sie bei ihrem kategorischen Nein? Gelingt es dem scheidenden Präsidenten Afghanistans Hamid Karsai und dem neuen und alten Premierminister Pakistans Nawaz Sharif die Spannungen zwischen Kabul und Islamabad abzubauen und gemeinsam die Aufstände in den paschtunischen Siedlungsgebieten beiderseits der Durand-Linie beizulegen? Man weiß es einfach nicht.

Bisher haben die Annäherungsgespräche zwischen Unterhändlern der USA und mehreren, vor einigen Monaten nach Doha, der Hauptstadt Katars am arabischen Ufer des Persischen Golfs, entsandten Vertretern der afghanischen Taliban nichts gefruchtet. Zu weit auseinander scheinen die Positionen von US-Präsident Barack Obama und Taliban-Chef Mullah Mohammed Omar zu liegen. Interessant ist jedoch in diesem Zusammenhang, daß vor wenigen Tagen die Taliban-Vertreter in Doha nach Teheran geflogen sind, um Gespräche mit der iranischen Regierung zu führen. In einem Beitrag für seinen Blog Indian Punchline bei der Zeitschrift Rediff, der am 3. Juni erschien, hat der ehemalige ranghohe indische Diplomat M. K. Bhadrakumar den überraschenden Abstecher der Taliban-Delegation in den Iran mit der vor kurzem erfolgten Ernennung von James Dobbins zum neuen Sondergesandten der USA für Afghanistan und Pakistan in Verbindung gebracht.

Dobbins nahm an den Afghanistan-Verhandlungen im Dezember 2001 in Bonn als Gesandter der Regierung von US-Präsident George W. Bush teil und soll bei dem schließlich erfolgreichen Bemühen, Karsai als neuen Präsidenten in Kabul zu installieren, wertvolle Hilfe von den Unterhändlern des Irans erhalten haben, die ihrerseits ihre Verbindungen zu den Vertretern der Nordallianz spielen ließen. Doch die von den Iranern im Gegenzug erhoffte Annäherung an die USA kam nicht zustande. Bis heute steht Washingtons außenpolitische Elite dem "Mullah-Regime" in Teheran feindlich gegenüber - siehe den scheinbar niemals endenden "Atomstreit".

Bhadrakumar nimmt an, daß die Reise der afghanischen Taliban in den Iran vorab vom Emir von Katar abgesegnet worden ist - und damit direkt oder indirekt auch von der Obama-Regierung. Medienberichten zufolge soll die Diskussion in Teheran für beide Seiten produktiv gewesen sein. Die Taliban, die während ihrer Herrschaft in Afghanistan 1998 neun iranische Diplomaten umbrachten und damit fast einen Krieg mit dem Iran provozierten, sollen sich für einen Dialog auf Augenhöhe zwischen den verschiedenen Volksgruppen darüber ausgesprochen haben, wie es am Hindukusch ab 2015 weitergehen soll, und sich in der Innen- und Außenpolitik zur Mäßigung verpflichtet haben. Bhadrakumar spekuliert, daß eine Verständigung der sunnitischen Taliban mit dem schiitischen Iran nicht nur der erste kleine Schritt hin zu einer Entspannung in Afghanistan, sondern eventuell auch zu einer Beilegung des Bürgerkrieges in Syrien sein könnte.

Ungeachtet allen Manövrierens auf dem diplomatischen Parkett beschäftigt die Menschen in Afghanistan weiterhin der Skandal um die Verschleppung, Folter und Ermordung von mindesten 17 Personen in der Provinz Wardak durch amerikanische Spezialstreitkräfte. Der Skandal, der im Januar durch die Veröffentlichung eines grausigen Foltervideos ausgelöst wurde, läßt nichts Gutes für die Zeit ab 2015 erwarten. Schließlich sehen die Pläne des Pentagons vor, daß nach dem Abzug der amerikanischen Kampftruppen US-Spezialstreitkräfte in Afghanistan bis auf weiteres Jagd auf "Terroristen" machen und ihre afghanischen Kollegen bei der Aufstandsbekämpfung unterstützen sollen.

Von den 17 offiziell Verschwundenen, die nach Angaben des afghanischen Verteidigungsministeriums von dem im Bezirk Nerkh operierenden sogenannten "A Team" verschleppt worden sein sollen, sind sieben bisher nicht aufgetaucht. Die Leichen der zehn anderen, die man verscharrt in verstreuten Feldern gefunden hat, weisen grauenhafte Folterspuren auf. Drei Leichen sind am 4. Juni 800 Meter entfernt vom ehemaligen Stützpunkt der US-Spezialstreitkräfte in Nerkh entdeckt worden. Der Leiche eines Mannes namens Sayid Mohammed, der zuletzt im vergangenen November bei der Festnahme durch US-Spezialstreitkräfte lebend gesehen und Ende Mai nur 200 Meter vom Stützpunkt entfernt in einem Grabloch gefunden wurde, fehlten beispielsweise die Füße. Sie waren ihm vermutlich noch vor seinem Tod im Rahmen einer Foltertortur abgeschnitten worden. Als Hauptverdächtiger im Skandal gilt ein gewisser Zakaria Kandahari, der als Dolmetscher für die US-Spezialstreitkräfte in Nerkh gearbeitet hat. Auf dem Foltervideo ist zu sehen, wie er eines seiner Opfer mißhandelt, und zu hören, wie er Anweisungen auf Englisch von Personen erhält, die wohl nicht zufällig außerhalb des Blickfelds der Kamera gestanden haben.

Die Amerikaner weisen jede Verantwortung für die Verschleppungsserie und die Untaten, die Kandahari zur Last gelegt werden, von sich. Die Familienangehörigen der Verschleppten, die seit Wochen öffentlich protestieren, wenn sie nicht gerade auf Leichensuche unterwegs sind, nehmen das den Amerikanern nicht ab. In einem Artikel der New York Times vom 22. Mai wurde ein ranghoher Ermittler des afghanischen Verteidigungsministerium, der sich nur anonym zu der Affäre äußern wollte, wie folgt zitiert:

Es steht außer Zweifel, daß Zakaria gefoltert und gemordet hat. Doch wer ist dieser Zakaria? Wer hat ihn rekrutiert, seinen Sold bezahlt, ihn bewaffnet? Wer hat ihm Schutz gewährt? Er arbeitete für die Spezialstreitkräfte. Daß ein Mitglied ihres Teams solche Verbrechen verüben konnte, ohne daß sie davon Kenntnis hatten, ist einfach nicht glaubwürdig.

6. Juni 2013