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ASIEN/811: Volkszählung in Myanmar löst Gewalt gegen Moslems aus (SB)


Volkszählung in Myanmar löst Gewalt gegen Moslems aus

Engstirnige Buddhisten bringen ihre Glaubensrichtung in Verruf



In Myanmar ist am 30. März mit der ersten landesweiten Volkszählung seit 31 Jahren begonnen worden, für deren Durchführung die Regierung in Naypyidaw zwölf Tage veranschlagt hat. 100.000 Lehrer sind unterwegs, um bei jeder Familie des eine Bevölkerung von rund 60 Millionen Menschen zählenden Landes ein Formular, das 41 Fragen enthält, auszufüllen. Die Frage nach der Volkszugehörigkeit hat bereits für Gewalttätigkeiten gesorgt. Vor wenigen Tagen haben buddhistische Extremisten im Westen Myanmars Vertreter und Einrichtungen internationaler Organisationen angegriffen, die bei der Volksbefragung mithelfen bzw. sie beobachten. Grund für die Übergriffe ist die Sorge der Radikalbuddhisten, die Volkszählung könnte sozusagen durch die Hintertür zur Anerkennung der Volksgruppe der Rohingya, die muslimischen Glaubens ist, führen.

Offiziell gibt es in Myanmar 135 verschiedene Volksgruppen. Obwohl die Rohingya seit Jahrhunderten nachweislich in der heutigen Provinz Rakhine angesiedelt sind, gelten sie nicht als Burmesen, von denen die allermeisten Buddhisten sind. Statt dessen werden sie formell als illegale Einwanderer aus Bengalen betrachtet, die eigentlich nach Bangladesch abgeschoben gehören. 2012 ist es in Rakhine zu schweren Ausschreitungen gekommen, die mehrere hundert Rohingya das Leben kostete. Anlaß war die Nachricht von der Vergewaltigung einer Buddhistin durch eine Gruppe Moslems. Später konnte nicht einmal mit Sicherheit festgestellt werden, ob sich der Vorfall ereignet hatte oder nicht. Dessen ungeachtet wurde das Viertel der Rohingya in der Hafenstadt Kyaukpyu vollkommen niedergebrannt. Hunderttausende Moslems mußten fliehen, um ihr Leben zu retten. Einige haben es in Fischerbooten nach Bangladesch geschafft; andere wiederum sind bei dem Versuch ertrunken. Heute vegetieren mehr als einhunderttausend Rohingya in provisorischen Flüchtlingslagern am Rande der Provinzhauptstadt Sittwe dahin. Wegen der ständigen Lebensgefahr sind 2013 rund 30.000 Rohingya entweder über das Meer oder den Landweg illegal nach Bangladesch eingewandert.

Wegen der aufgebrachten Stimmung in Myanmar sind auf dem Volksbefragungsformular bei der Frage nach der Volkszugehörigkeit mit Ausnahme der Rohingya alle Ethnien aufgelistet, damit man den passenden Namen ankreuzt. Für diejenigen, die nicht den 135 anerkannten Volksgruppen angehören, ist ein Zusatzkästchen vorgesehen, in das man die jeweilige Bezeichnung selbst einträgt. Mit diesem Zugeständnis hatte die Regierung Myanmars gehofft, die buddhistischen Krawallmacher zu besänftigen. Doch diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Jenen Haßpredigern, die seit zwei Jahren die Gewalt gegen die winzig kleine muslimische Minderheit säen, war das Fehlen eines Kästchens für die Rohingya nicht genug. Sie gehen seit Tagen auf die Barrikaden, weil die Rohingya den Namen ihrer Volksgruppe in das leere Zusatzkästchen handschriftlich eintragen könnten bzw. die Person, die für sie das Formular ausfüllt, dazu verlassen könnten. Um dem vorzubeugen, hat die Regierung Myanmars am 30. März offiziell verkündet, daß sich an jener Stelle im Formular niemand als Rohingya eintragen dürfe; in solchen Fällen sei einzig die Bezeichnung "Bangladeschi" erlaubt.

Im Westen hält sich die Kritik an der Art, wie den Rohingyas die elementarsten Bürger- und Menschenrechte vorenthalten werden, in Grenzen. Nach dem Ende der Militärdiktatur 2011 und der damit einhergehenden "demokratischen" Öffnung sind die USA vor allem damit befaßt, amerikanische Investitionsmöglichkeiten in Myanmar auszuloten und den politischen und wirtschaftlichen Einfluß der Volksrepublik China auf das südostasiatische Land einzudämmen. Wie der Zufall so will, führt das strategisch wichtigste Infrastrukturprojekt der Chinesen in Myanmar, der Bau einer Pipeline vom Indischen Ozean in den Westen der Volksrepublik, die den Schiffstranport von Öl und Flüssiggas aus der Region um den Persischen Golf durch die Straße von Malakka und das Südchinesische Meer überflüssig macht, durch Rakhine.

31. März 2014