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ASIEN/821: Greift Pakistan zugunsten Saudi-Arabiens im Jemen ein? (SB)


Greift Pakistan zugunsten Saudi-Arabiens im Jemen ein?

Die Bitte aus Riad kommt ungelegen - Islamabad spielt auf Zeit


Als Saudi-Arabien am 26. März mit viel Tamtam den Auftakt der großangelegten Operation Entscheidender Sturm bekanntgab, begründete Riad die Militärintervention im Nachbarland Jemen mit der Sorge um die regionale Stabilität und dem Wunsch, im Jemen wieder eine "legitime" Regierung, nämlich die seines vor den schiitischen Huthi-Rebellen geflohenen Vertrauensmannes, Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi, einzusetzen. Stolz präsentierten die Saudis die Liste der an der Operation teilnehmenden Staaten. Die Luftangriffe auf Huthi-Stellungen werden von Kampfjets aus Bahrain, Katar, Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Sudan und Marokko durchgeführt. Kriegsschiffe aus Ägypten und Saudi-Arabien haben eine Seeblockade über die jemenitischen Häfen am Roten Meer und im Indischen Ozean verhängt. Für eine Bodenoffensive hat die saudische Armee rund 150.000 Soldaten an der Grenze zum Jemen zusammengezogen, die bei einem eventuellen Einmarsch Unterstützung von Truppenverbänden aus der Türkei, Jordanien und Pakistan erhalten sollen. Die Koordinierung des gesamten Unternehmens läuft über die US-Militärinfrastruktur rund um den Persischen Golf. Die Saudis und ihre Verbündeten nehmen nicht nur die Satellitenaufklärung des amerikanischen CENTCOM in Anspruch, auch ihre Kampfflugzeuge werden von amerikanischen Maschinen in der Luft mit neuem Treibstoff betankt.

In Pakistan hat die Nachricht von der angeblichen Teilnahme des Landes an der völkerrechtlich dubiosen Unternehmung Saudi-Arabiens im Jemen eine politische Krise ausgelöst. Pakistan leidet bis heute noch schwer unter den Folgen des Afghanistankrieges der achtziger Jahre, als Saudi-Arabien und die CIA den Mudschaheddin im Kampf gegen die Sowjetarmee finanziell und militärisch unter die Arme griffen. Aus der gezielten Destabilisierung Afghanistans durch Washington und Riad ging nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 in New York und Arlington der unsägliche "Antiterrorkrieg" der USA gegen Al Kaida und die Taliban hervor, der nach einer neuen Studie der 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) bisher 80.000 Pakistanern - davon 48.000 Zivilisten - das Leben gekostet hat.

Nach dem Abzug der letzten NATO-Kampftruppen aus Afghanistan Ende 2014 ist Islamabad in Zusammenarbeit mit Kabul gerade dabei, die Taliban auf beiden Seiten der afghanisch-pakistanischen Grenze zu einem Waffenstillstand zu bewegen. Die Bereitschaft der einfachen Pakistaner, ihre Soldaten für einen neuen Krieg ins Ausland zu entsenden, ist gering bis gar nicht vorhanden. Hinzu kommt, daß das sunnitische Saudi-Arabien den Bürgerkrieg im Jemen zu einen Stellvertreterkonflikt mit dem schiitischen Iran aufbauscht und deshalb den Huthis unterstellt, Marionetten Teherans zu sein. Zwar sind die meisten der 180 Millionen Pakistaner Sunniten, doch die Schiiten stellen mit 36 Millionen - rund 20 Prozent der Bevölkerung - eine nicht geringe Minderheit dar. Aus Gründen des gesellschaftlichen Friedens kann Islamabad deshalb kein Interesse daran haben, beim Anti-Huthi-Dschihad Riads mitzumachen.

Des weiteren sind Pakistan und der Iran gerade bemüht, ihre wirtschaftlichen Beziehungen erheblich zu vertiefen. Wie das Wall Street Journal am 9. April berichtete, soll die Gas-Pipeline aus dem Iran, die bereits vor Jahren die Energienöte der Pakistaner lösen sollte, jedoch wegen des Widerstands der USA bislang nicht fertiggestellt werden konnte, nun doch vom Mammutkonzern China National Petroleum Corporation (CNPC) für zwei Milliarden Dollar zu Ende gebaut werden. Der Vertrag über die Fertigstellung der Pipeline soll beim Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Pakistan noch in diesem Monat paraphiert werden. Ihre Realisierung hängt mit einem Handelskorridor zusammen, der für 40 Milliarden Dollar den westpakistanischen Tiefseehafen Gwadar am Arabischen Meer mit dem westlichen China verbinden soll.

Gleichwohl kann Islamabad die ausdrückliche Bitte Riads nach Entsendung pakistanischer Truppen, Kampfflugzeuge und Schiffe nicht ohne weiteres abweisen. Saudi-Arabien soll über Jahrzehnte das Atombombenprogramm Pakistans finanziert und sich selbst natürlich einen gewissen Zugriff auf die schrecklichste aller Waffen verschafft haben. Allein letztes Jahr hat Riad dem unter chronischer Finanznot leidenden Staatshaushalt Pakistans Hilfe in Form von 1,5 Milliarden Dollar zukommen lassen. Saudi-Arabien hatte dem derzeitigen pakistanischen Premierminister Nawaz Sharif von der Moslem-Liga jahrelang Asyl gewährt, nachdem er 1999 von General Pervez Musharraf gestürzt worden war. Sharif unterhält bis heute eine Wohnung im saudischen Dschiddah. Dort lebt einer seiner Söhne. Eine Tochter soll mit einem Mitglied der saudischen Königsfamilie verheiratet sein.

Traditionell besteht ein enges Verhältnis zwischen dem pakistanischen und saudischen Militär. Am Aufbau der saudischen Streitkräfte haben Offiziere aus Pakistan über Jahrzehnte mitgewirkt. 1969 haben pakistanische Kampfjets auf Seiten der Saudis bei einem kurzen Grenzkonflikt mit dem damaligen Südjemen eingegriffen. In den siebziger und achtziger Jahren waren rund 15.000 pakistanische Soldaten im Königreich dauerhaft stationiert. Des weiteren haben pakistanische Pioniere die Grenzanlagen zwischen Saudi-Arabien und dem Huthi-Hauptsiedlungsgebiet im Nordjemen errichtet. Als 2011 eine von Saudi-Arabien angeführte Eingreiftruppe des Golf-Kooperationsrats die Demokratiebewegung der schiitischen Mehrheit in Bahrain brutal niederschlug, waren zahlreiche Ex-Soldaten aus Pakistan mit von der Partie.

Vor diesem Hintergrund hat Premierminister Scharif die Entscheidung über das Für und Wider einer pakistanischen Beteiligung am Jemen-Konflikt an das Parlament in Islamabad verwiesen. Dort könnte die hitzige Debatte noch Wochen dauern. In der Zwischenzeit bemüht sich Islamabad mit Ankara und Teheran um einen für alle Seiten akzeptablen Weg aus der Jemen-Krise. Sollte Riad jedoch auf eine Kapitulation der Huthis - wofür es derzeit nicht das geringste Anzeichen gibt - und die Erfüllung seiner Forderung nach der Wiedereinsetzung des Sunniten Hadi als jemenitischen Präsidenten beharren, um den eigenen Status als Regionalmacht geltend zu machen, könnte der Spielraum Scharifs schnell kleiner werden.

10. April 2015


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