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ASIEN/834: USA lehnen Angebot Nordkoreas zur Entspannung ab (SB)


USA lehnen Angebot Nordkoreas zur Entspannung ab

Washington hält am Konfrontationskurs gegenüber Pjöngjang fest


Zwischen den USA und Nordkorea nehmen die Spannungen gefährlich zu. Derzeit führen mehr als 300.000 Angehörige der südkoreanischen Streitkräfte und 17.000 Militärs aus den USA die größten gemeinsamen Kriegsspiele in der Geschichte durch. Die beiden Manöver - Foal Eagle und Key Resolve - basieren auf dem gemeinsamen Plan für einen Krieg auf der koreanischen Halbinsel namens OPLAN 5014, der weniger defensiv als vielmehr offensiv ausgerichtet ist. Wegen der gestiegenen Befürchtung vor einer möglichen Invasion hat die nordkoreanische Regierung ihre Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt und am 23. April im Rahmen eines Tests zum ersten Mal eine ballistische Rakete von einem U-Boot aus abfeuern lassen.

In einem wenige Stunden später veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Associated Press machte Nordkoreas Außenminister Ri Su Yong den Vorschlag, daß Pjöngjang künftig auf Atomtests verzichten werde, wenn Washington und Seoul ihrerseits keine bedrohlichen Großmanöver mehr durchführen. Bei einem Auftritt am 24. April auf der Hannover Messe hat US-Präsident Barack Obama den Vorstoß Ris als unzureichend zurückgewiesen. Die Nordkoreaner müßten "sich was besseres einfallen lassen", so der selbsternannte Führer der "freien Welt".

Im Januar hatte Nordkorea einen vierten Atomtest durchgeführt und im Februar eine ballistische Langstreckenrakete getestet. Auf Drängen der USA hat daraufhin der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen empfindliche Handelssanktionen gegen das verarmte Land verhängt. Exporte von Gold, Titanerz und seltenen Erden wurden verboten. Für den Fall, daß Nordkorea, wie derzeit spekuliert wird, im Mai einen fünften Atomtest durchführt, drohen die USA mit Sanktionen im internationalen Bankensystem, die es den rund 150.000 im Ausland arbeitenden Nordkoreanern unmöglich machen würden, Geld an ihre Familienangehörigen zu überweisen. Einer südkoreanischen Studie zufolge würden dadurch jährlich rund 900 Millionen Dollar weniger in die nordkoreanische Staatskasse fließen und das würde der Wirtschaft schwer schaden. Nicht auszudenken, wie die Führung in Pjöngjang um den jungen Staatschef Kim Jong-un darauf reagieren würde.

In dem AP-Interview hatte Außenminister Ri, der sich anläßlich der Unterzeichnung des im vergangenen November in Paris ausgehandelten Klimaschutzabkommens bei den Vereinten Nationen in New York aufhielt, erklärt, es sei "äußerst wichtig", daß die USA endlich ihre "feindliche Politik" gegenüber Nordkorea beendeten. Er regte an, die USA und Südkorea sollten auf ihre "Kriegsmanöver" auf der koreanischen Halbinsel verzichten und versprach im Gegenzug entsprechende Entspannungsmaßnahmen seitens Pjöngjang. Würden die USA "für einige Jahre" keine Militärmanöver mehr durchführen, ergäben sich "neue Möglichkeiten", die Spannungen in Ostasien abzubauen, so Ri. Gleichzeitig warnte er: "Wenn wir weiterhin diesen Weg der Konfrontation beschreiten, wird es zu katastrophalen Ergebnissen führen - nicht nur für unsere beiden Länder, sondern für die ganze Welt". Damit spielte Ri auf die Gefahr eines Atomkrieges an, der durch Nordkoreas erstmaligen Test einer U-Boot-gestützten Rakete, die eventuell mit einem Nuklearsprengkopf bestückt werden könnte, erheblich gestiegen ist. Damit hat sich Pjöngjang mehr oder weniger eine strategische Zweitschlagskapazität verschafft.

Nordkorea hat immer wieder angeregt, den Waffenstillstand, mit dem der Koreakrieg 1953 nach drei Jahren beigelegt wurde, durch ein dauerhaftes Friedensabkommen zu ersetzen. Die USA haben diesen Vorschlag stets zurückgewiesen, denn das würde zwangsläufig auf die Anerkennung Nordkoreas als Staat und die Aufnahme bilateraler diplomatischer Verhandlungen hinauslaufen. Durch einen solchen Schritt würden die Bestrebungen der USA, das kommunistische "Regime" in Pjöngjang zu stürzen, erheblich an Zugkraft verlieren. Hinzu kommt, daß Weißes Haus und Pentagon seit Jahren die Spannungen mit Nordkorea als Vorwand benutzen, um Japan zu remilitarisieren, wichtige Komponenten des amerikanischen Raketenabwehrsystems wie zum Beispiel X-Band-Radaranlagen in Ostasien zu installieren und die Volksrepublik China militärisch und wirtschaftlich zu umzingeln.

Den Dauerbekundungen aus Washington, die USA strebten eine Denuklearisierung der nordkoreanischen Halbinsel an, Nordkorea würde dauernd mit dem Feuer spielen, wird durch harte Fakten widersprochen. Im September 2005 hat sich Nordkorea im Rahmen der Sechser-Gespräche mit den Vertretern Chinas, Rußlands, Südkoreas, Japans und den USA bereit erklärt, dem Atomwaffensperrvertrag wieder beizutreten und sein Kernwaffenprogramm unter internationaler Aufsicht zu demontieren. Doch kaum war der große Durchbruch in Peking erzielt, verhängte das Finanzministerium in Washington auf Anweisung von Staatssekretär Stuart Levey, seinerseits zuständig für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der Geldwäsche, drakonische Sanktionen gegen die Banco Delta Asia, jenes Finanzinstitut in der chinesischen Sonderzone Macau, über das Nordkorea damals den größten Teil seines Außenhandels abwickelte.

In der Maßnahme, welche die Banco Delta Asia fast in den Konkurs trieb, haben die Nordkoreaner den mangelnden Willen der Amerikaner, eine Friedensregelung mit ihnen auf Augenhöhe zu erzielen, erkannt. Als Konsequenz hat Nordkorea 2006 seinen ersten erfolgreichen Atomtest durchgeführt und sich dabei auf das Recht auf Selbstverteidigung berufen. 2007 hat die renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young nach Einsicht aller relevanten Akten die Banco Delta Asia vom Vorwurf Leveys, Geldwäsche für Pjöngjang zu betreiben bzw. gefälschte Dollarnoten aus nordkoreanischer Produktion in den internationalen Zahlungsverkehr zu bringen, freigesprochen. Das Ergebnis der Studie von Ernst & Young läßt den Schluß zu, daß die damalige Regierung von Präsident George W. Bush mittels unbegründeter Verdachtsmomente den erfolgreichen Abschluß der Sechser-Gespräche gezielt torpediert hat. Das würden die Verantwortlichen in den USA natürlich niemals zugeben. Bis heute steht die Banco Delta Asia auf einer schwarzen Liste des US-Finanzministeriums und darf keine Transaktionen in Dollar abwickeln.

26. April 2016


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