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ASIEN/862: Kurz vor dem G20-Gipfel legt sich Trump mit China an (SB)


Kurz vor dem G20-Gipfel legt sich Trump mit China an

Die schwächelnden USA nehmen die aufstrebende Volksrepublik ins Visier


Eine Woche vor dem mit Spannung erwarteten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industriestaaten und Schwellenländer in Hamburg spitzt sich die Rivalität zwischen den USA und der Volksrepublik China gefährlich zu. Innerhalb wenige Tage hat sich das euphemistische Gerede von der Partnerschaft gelegt, dafür ist um so mehr das tiefsitzende Mißtrauen zwischen Washington und Peking zum Vorschein getreten. Ursache der jüngsten Krise ist der prinzipielle Unwille der USA auf ihre bisherige Position als alleinige Supermacht zu verzichten und sich mit einer Rolle in einer multipolaren Welt, in der sie gleichrangig mit der EU, Rußland und China kooperieren müßten, zu begnügen.

Verkörpert wird diese Uneinsichtigkeit durch den neuen US-Präsident Donald Trump. 2016 hatte der republikanische Immobilienmagnat und Reality-TV-Moderator die Präsidentenwahl gegen die Demokratin Hillary Clinton mit dem einfachen, aber verführerischen Spruch "Make America Great Again" gewonnen. Doch die wirtschaftlichen Probleme der USA sind so mannigfaltig - siehe allein die marode, weil jahrzehntelang vernachlässigte Infrastruktur -, daß Trump niemals ernsthaft seine Wahlkampfversprechen durch die Schaffung von Millionen neuer Arbeitsplätze und boomenden Industrien wird verwirklichen können. Um dies zu kompensieren, wird er sich dazu gezwungen sehen, die gigantische Überlegenheit, über die die USA im militärischen Bereich noch verfügen, in die Waagschale zu werfen.

Wie das funktioniert, hat man im April bereits gesehen, als Trump die ersten Raketenangriffe der USA auf Stellungen der staatlichen Streitkräfte in Syrien anordnete und dafür von Politik und Medien - die ihn seit Monaten wegen seines rüpelhaften Benehmens und der vermeintlich heimlichen Unterstützung Moskaus bei der letztjährigen Präsidentenwahl kritisierten - frenetisch bejubelt wurde. Angeführt von den Tonangebern bei der New York Times attestierten sämtliche Kommentatoren dem windigen Bauunternehmer aus Queens erstmals präsidiales Format.

Auslöser der aktuellen Eintrübung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen ist der Dauerstreit der USA mit Nordkorea. Scheinbar unablässig führt Nordkorea Atom- und Raketentests durch, um sich ein Abschreckungspotential zu verschaffen, womit Pjöngjang Washington auf Abstand halten kann. Hatte Trump noch im Wahlkampf die Aufnahme von direkten Verhandlungen mit dem nordkoreanischen Staatschef Kim jong-un in Aussicht gestellt, um den seit 1953 lediglich im Waffenstillstand befindlichen Koreakrieg endgültig zu beenden, so pocht er seit der Amtseinführung als US-Präsident kategorisch auf Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel und eine Einstellung von Pjöngjangs Raketentests. Beim Treffen Trumps mit Xi Jinping Anfang April in Florida hatte der chinesische Präsident versprochen, Peking würde alles unternehmen, um Nordkorea zum Einlenken zu bewegen. In der Folge hat China Kohleexporte aus Nordkorea gestoppt und Ölexporte in das kommunistische Land reduziert.

Chinesische Diplomaten haben in den letzten Wochen in Gesprächen mit ihren nord- und südkoreanischen Kollegen die Möglichkeit eines Verzichts Pjöngjangs auf weitere Atom- und Raketentests bei gleichzeitiger Aussetzung jener Militärmanöver, mit denen die Streitkräfte der USA und Südkoreas Nordkorea regelmäßig bedrohen, erörtert. Washington aber lehnt ein Entgegenkommen seinerseits gegenüber dem kommunistischen "Regime" in Pjöngjang kategorisch ab und insistiert darauf, den diplomatischen, militärischen und wirtschaftlichen Druck auf Nordkorea aufrechtzuerhalten. Vor wenigen Tagen hat sich Trump per Twittermeldung salopp bei der chinesischen Führung wegen ihrer Bemühungen in der Korea-Frage bedankt, sie gleichzeitig aber als "ungenügend" bezeichnet. Die Zeit der "strategischen Geduld" der USA mit Nordkorea sei vorbei, so der US-Präsident vieldeutig. Am 30. Juni hat der Nationale Sicherheitsberater im Weißen Haus, Generalleutnant Herbert McMaster, bekanntgegeben, daß Trump seine Untergebenen inzwischen mit der Ausarbeitung eines Optionskatalogs in bezug auf die Nordkorea-Problematik - "darunter eine militärische Option" - beauftragt habe. Seit Wochen kreuzen mehrere Flugzeugträgerverbände und eine unbekannte Anzahl von amerikanischen U-Booten vor der koreanischen Halbinsel.

Bereits am 29. Juni hat das Finanzministerium in Washington Sanktionen gegen eine Bank, eine Reederei und zwei Geschäftsleute in China wegen Handelsverbindungen zu Nordkorea verhängt. Am selben Tag gab das US-Außenministerium in einem Brief an den Kongreß die Genehmigung des Verkaufs amerikanischen Kriegsgeräts - darunter Radaranlagen, Raketen und Torpedos - in Wert von 1,42 Milliarden Dollar an Taiwan bekannt. Erst vor kurzem hat der Senat in Washington einen Gesetzentwurf, der die erstmalige Durchführung von US-Flottenbesuchen in Taiwan seit 1979 vorsieht, gebilligt. Gegen alle die genannten Maßnahmen hat die chinesische Regierung aufs Schärfste protestiert. Aus Sicht der Volksrepublik sind die USA gerade dabei, sich von der Eine-China-Politik und damit der Grundlage der bilateralen Beziehungen zwischen Washington und Peking zu verabschieden. Mit dieser Option, die für China das Überschreiten einer roten Linie und damit Krieg bedeuten würde, spielt Trump seit dem Tag seiner Wahl mehr oder weniger offen.

Am 2. Juni ist auf Anweisung des Pentagons der Lenkwaffenzerstörer USS Stethem durch die Zwölf-Seemeilen-Zone rund um die Insel Triton gefahren. Die Aktion kann man nicht anders als gezielte Provokation der USA bezeichnen. Triton gehört zur Inselgruppe Paracels, die im Südchinesischen Meer liegt und seit 1974 unter der Kontrolle Chinas steht. Damals hat sich China in einem kurzen, aber heftigen Grenzkrieg gegen Vietnam durchgesetzt. Vietnam hat den Besitzanspruch Chinas auf die Paracels niemals anerkannt. Derzeit führen Hanoi und Peking Verhandlungen über eine gemeinsame Nutzung des fischreichen Seegebiets, in dem auch größere Öl- und Gasvorkommen vermutet werden. Wie im ähnlichen Streit zwischen China und den Philippinen um die Spratly-Inseln nutzt Washington das Argument, die US-Marine habe überall auf den Weltmeeren für die freie Schiffahrt zu sorgen, um sich einzumischen und zu zündeln.

Tatsächlich ist es vor allem das militärische, wirtschaftliche und technologische Erstarken Chinas, das der Führungselite in Washington Kopfzerbrechen bereitet. Sie richtet sich auf einen Krieg gegen die Volksrepublik ein, bei dem lediglich die Frage des günstigen Zeitpunkts beantwortet werden muß. Darauf deutet zum Beispiel der Auftritt des ehemaligen CIA-Chefs, General a. D. David Petraeus, am 23. Juni bei einem Galaabend der regierenden Liberal Party Australiens in Sydney hin. Hauptthema des Vortrags von Petraeus war die chinesische Bedrohung, die seines Erachtens die pazifischen Verbündeten Amerika und Australien nur gemeinsam meistern könnten. An Eindeutigkeit ließ es der frühere CENTCOM-Chef nicht missen. Petraeus pries das Werk "Destined for War", in dem der Geschichtsprofessor Graham Allision von der Harvard Universität die These der Unvermeidbarkeit eines amerikanisch-chinesischen Kriegs vertritt, seinen Zuhörern als ein "wunderbares neues Buch" an.

3. Juli 2017


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